Dürfen Beschäftigte nach der Kündigung gegen ihren Willen freigestellt werden?
Im März 2021 wurde dem Chefredakteur einer Online-Redaktion aufgrund betriebsbedingter Gründe ordentlich gekündigt. Obwohl der geltende Tarifvertrag vorsah, dass die Kündigung erst zum 31. Mai 2022 wirksam wird, stellte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der Arbeit frei. Er durfte nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und ihm wurden sämtliche Zugänge gesperrt. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Kündigungsschutzklage und beantragte außerdem den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies diesen Weiterbeschäftigungsantrag zurück. Dagegen legte der Mitarbeiter Berufung ein.
Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis Ablauf der Kündigungsfrist
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschied zu Gunsten des Arbeitnehmers. Ihm stehe ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu, der mit einer einstweiligen Verfügung gesichert werden könne. Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers sei grundsätzlich unzulässig. Dem Beschäftigungsanspruch stehen keine betrieblichen Belange entgegen. Der Beschäftigungsanspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage, bei Auftragsmangel oder bei einem demnächst zur Konkurrenz abwandernden Arbeitnehmer aus Gründen der Wahrung von Berufsgeheimnissen.
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LAG-Urteil: wesentliche Nachteile als zulässiger Verfügungsgrund
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Darlegung und gegebenenfalls Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich herleiten lässt, dass eine Entscheidung im Eilverfahren zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Nach Ansicht des LAG Stuttgart lag hier auch ein Verfügungsgrund vor. Es sei zu beachten, dass die sofortige Freistellung des Arbeitnehmers bei seinen Kollegen den Verdacht erheblicher Versäumnisse oder gar Verfehlungen seinerseits begründen könnte. Denn eine Freistellung ohne entsprechende Rechtsgrundlage setze erhebliche, das Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung überwiegende arbeitgeberseitige Belange voraus. Zudem können dem Chefredakteur Nachteile entstehen, da um ihn herum geplant werde, ohne dass er dies verhindern oder positiv beeinflussen könne, und er sich mit seinen Fachkenntnissen nicht auf dem Laufenden halten könne.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Mai 2021, Az: 3 SaGa 1/21
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