Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer tariflichen Regelung über den Arbeitsvertragsstatus. Direktionsrecht und örtliche Versetzung ins Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

Eine im Arbeitsvertrag zwischen einer ausländischen Fluggesellschaft und einem Piloten enthaltene unternehmensweite Versetzungsklausel erfasst auch die Versetzung an eine ausländische "homebase". Dies verstößt auch als echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel nicht gegen die §§ 305 ff BGB.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sieht ein Tarifvertrag vor, dass für alle an deutschen Stützpunkten stationierten Piloten einer ausländischen Fluggesellschaft deutsches Recht zur Anwendung kommt, ist dies zulässig. Denn die Notwendigkeit tariflichen Schutzes kann bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten nicht geringer eingeschätzt werden als bei rein nationalen Sachverhalten.

2. Wenn § 106 GewO die örtliche Versetzung ins Ausland mit umfasst, weicht die entsprechende arbeitsvertragliche Klausel nicht von § 106 GewO ab und ist damit inhaltskontrollfrei. Handelt es sich aber um eine echte, das Direktionsrecht erweiternde Klausel, so unterliegt diese zwar der vollen Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB, hält dieser aber stand. Denn es liegt keine unangemessene Benachteiligung und auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor; § 106 GewO und entsprechende Vertragsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden, spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung.

 

Normenkette

BGB §§ 305 ff.; GewO § 106; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2; VO 593/2007/EG Art. 8; Rom-I VO Art. 9; TVSP (VC) § 3 Nr. 2 Fassung: 2019-11-07, Nr. 3 Fassung: 2019-11-07, Nr. 4 Fassung: 2019-11-07

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 08.12.2020; Aktenzeichen 15 Ca 834/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.11.2022; Aktenzeichen 5 AZR 352/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.12.2020 - Az. 15 Ca 834/20 wird zurückgewiesen

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung, hilfsweise um die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung und um Weiterbeschäftigung.

Der am 02.01.1990 geborene, ledige Kläger war seit 01.03.2017 bei der Fluggesellschaft R... DAC als Captain auf dem Muster Boing 737-800 beschäftigt und von Beginn an am Flughafen in Nürnberg stationiert. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 01.01.2020 im Weg des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Diese ist eine zur irischen R...-Gruppe gehörende Fluggesellschaft mit Sitz in Malta und Heimatbasis auf dem Flughafen von Malta. Sie führt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland sowie in Italien, Frankreich, Malta und Rumänien internationale Flüge durch.

Der Kläger ist Mitglied in der Vereinigung Cockpit e.V.

Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 30.01.2017 (Anlage K 6, Blatt 108 ff der Akten) wurde unter Ziffer 35 die Anwendbarkeit irischen Rechts vereinbart. Der Vertrag wurde seitens der Arbeitgeberin in Irland unterzeichnet.

Ziffer 6.1 des Vertrages enthält folgende Regelung:

"R...'s aircraft are registered in the Republic of Ireland and as you will perform your duties on these Irish aircraft your employment is based in the territory of the Republic of Ireland. You will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires for the proper fulfilment of your duties and responsibilities under this Agreement. It is a condition of your employment that you comply with any such requirement. This would include, for the avoidance of doubt, transfer to any of the Company's bases without compensation. It must be understood that should you be transferred to another base you will be paid in accordance with the prevailing salary and flight pay system at that base."

Der Kläger übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:

"Die Flugzeuge von R... sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Aufgaben mit diesen irischen Flugzeugen wahrnehmen werden, hat Ihr Arbeitsplatz seinen Sitz im Gebiet der Republik Irland. Sie befinden sich hauptsächlich am Nürnberger Airport und an einem anderen Ort oder anderen Orten, die das Unternehmen zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Rahmen dieser Vereinbarung benötigt. Es ist eine Voraussetzung für Ihre Anstellung, dass Sie diese Anforderung erfüllen. Dies wird zur Vermeidung von Zweifeln eine entschädigungslose Übertragung auf einen der Standorte der Gesellschaft beinhalten. Es muss verstanden werden, dass Sie, wenn Sie auf eine andere Basis transferiert werden, in Übereinstimmung mit dem geltenden Gehaltssystem und der Bezahlung pro Flug dieser Basis bezahlt werden."

Die Beklagte übersetzt diese vertragliche Regelung wie folgt:

"Die Flugzeuge von R... sind in der Republik Irland registriert, und da Sie Ihre Pflichten in diesen irischen Flugzeugen erfüllen werden, ist Ihr Arbeitsplatz im Hoheitsgebiet der Republik Irland anges...

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