Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtung über Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn alle von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer den im gem. § 613 a Abs. 5 BGB erstellten Informationsschreiben korrekt bezeichneten Erwerber deswegen genau kennen, weil dieser zuvor durch eine sog. Ausgründung aus dem veräußernden Unternehmen entstanden ist, im selben Gebäude mit seiner Belegschaft und seiner Geschäftsführung sein operatives Geschäft betreibt – wobei beide Unternehmen teilweise dieselbe Infrastruktur (z. B. Kantine) benutzen – und wenn klar ist, wohin sich die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer wenden können, um aus berufenem Munde weitere Informationen über den Erwerber einzuholen, bedarf es der förmlichen Angabe der Anschrift des Erwerbers nicht.

2. Zur ausreichenden Unterrichtung über den Grund des Übergangs (§ 613 a Abs. 5 Nr. 2 BGB) reicht in der Regel die Bezeichnung des dem Übergang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts mit der im Rechtsleben üblichen Begrifflichkeit (z. B. Kaufvertrag, Pachtvertrag) aus. Die dem Übergang zugrunde liegenden unternehmerischen Erwägungen müssen grundsätzlich nur mitgeteilt werden, wenn Besonderheiten bzw. Abweichungen von der „Normalgestaltung” eines solchen Rechtsgeschäfts vorliegen, die dazu führen, dass durch die pauschale Bezeichnung des Vertrags die wirtschaftlichen oder rechtlichen Grundlagen des Geschäfts unzureichend beschrieben oder gar verschleiert werden.

3. Zu den gem. § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB mitzuteilenden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen gehört zwar grundsätzlich die kündigungsrechtliche Situation und auch der Umstand, dass im Falle eines Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses und nachfolgender betriebsbedingter Kündigung ein Abfindungsanspruch aufgrund eines Sozialplans oder Tarifvertrages besteht. Nicht mitzuteilen ist dagegen, dass (mangels solcher Rechtsgrundlagen) kein Abfindungsanspruch besteht. Die Nichtexistenz eines solchen Anspruchs ist nicht rechtliche „Folge” des Übergangs.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5-6, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen 4 Ca 68/08 Tr)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 02.12.2008 – 4 Ca 68/08 Tr – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die vom Kläger begehrte Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nach wie vor mit der Beklagten zu 1.) besteht und nicht auf die Insolvenzschuldnerin bzw. den Insolvenzverwalter übergegangen ist, ferner um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1.) auf Arbeitsentgelt, Arbeitgeberanteile an vermögenswirksamen Leistungen, Ausgleich für entgangene Zuschläge, Übernahme von Kontoführungsgebühren, tarifliche Jahresleistung, Urlaubsentgelt sowie Schichtausgleich für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und Bestellung des Beklagten zu 2.) zum Insolvenzverwalter aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Der Kläger wurde von der Beklagten zu 1.) zum 01.09.1973 als Drucker eingestellt. Seit 03.08.2003 war er als Druckvorlagenhersteller beschäftigt und bis 01.08.2005 in der CtP-Abteilung (Computer-to-Press-Abteilung = Plattenherstellung) tätig. Nach Auflösung dieser Abteilung wurde er in die Versandabteilung der Zeitungsrotation der Beklagten zu 1.) versetzt, die verschiedene Presseerzeugnisse herausgibt.

Die Beklagte zu 1.) informierte den Kläger mit Schreiben vom 28.09.2005 über die vorgesehene Verpachtung des Teilbetriebs Rotationsdruck/Zeitungsversand an die E. D. M. GmbH & Co. KG, die nachmalige Insolvenzschuldnerin, mit Wirkung zum 01.11.2005. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

Zur Ihrer Information über die Unternehmensentwicklung, zur Vermeidung von Störungen des betrieblichen Ablaufs durch Spekulationen und Irritationen und letztlich zur Erfüllung unserer gesetzlichen Pflicht aus § 613 a BGB, wollen wir Sie über den bevorstehenden Übergang des Teilbetriebs Rotationsdruck/Zeitungsversand auf den zukünftigen Pächter, die E. D. M. GmbH & Co. KG, informieren:

Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

Die vorgesehene Verpachtung des Teilbetriebes Rotationsdruck/Zeitungsversand an die E. D. M. GmbH & Co. KG wird rechtlich als Übergang des Betriebsteils Rotationsdruck/Zeitungsversand im Sinne des § 613 a BGB gewertet; damit gelten für die Verpachtung des Betriebsteils die gleichen arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten wie beim endgültigen Betriebsübergang.

Der Teilbetriebspachtvertrag sieht vor, dass die Leitungsmacht über den Betrieb zum 01.11.2005 von der A. E. KG auf die E. D. M. GmbH & Co. KG übergehen soll (gem. Gesellschafterbeschluss vom 15.09.2005). Der Teilbetriebspachtvertrag soll plangemäß am 29.10.2005 mit der E. D. M. GmbH & Co. KG abgeschlossen werden.

Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für Sie

Der Übergang des Betriebes auf die E. D. M. GmbH & Co. KG ändert am Bestand und Inhalt ihres Arbeitsve...

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