Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Krankheit. Negative Zukunftsprognose. bevorstehende Rehabilitationsmaßnahme. Erfolglosigkeit. Aussichtslosigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Hatte der seit längerer Zeit arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer bereits vor Ausspruch der Kündigung eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt, nachfolgend bewilligt erhalten und durchgeführt, so rechtfertigt allein der Umstand, dass die Maßnahme nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers geführt hat, nicht die Schlussfolgerung, die Maßnahme sei von vornherein ungeeignet und aussichtslos gewesen, weswegen für ein weiteres Abwarten kein Grund bestanden habe.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 734/08)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 2 AZN 102/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 24.03.2009 – 2 Ca 734/08 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.05.2008 nicht beendet worden ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens arbeitsvertragsgemäß als Techniker weiter zu beschäftigen.
  3. Von den Kosten des 1. Rechtszuges trägt der Kläger 1/10, die Beklagte 9/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte allein.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung vom 13.05.2008 zum 30.09.2008. Ferner begehrt der Kläger die arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Der im Jahre 1968 geborene, ledige Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 11 d A.) seit März 2001 im Betrieb der Beklagten als Maschinenbautechniker gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 4.500,– EUR beschäftigt. Die Aufgabenstellung des Klägers umfasst u. a. die Schulung von eigenen Mitarbeitern (Auszubildende, Außendienstmitarbeiter) sowie die Durchführung von Schulungen im Rahmen einer Kunden- und Projektbetreuung. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 13.05.2008 (Bl. 10 d.A.) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2008 aus. Die angegriffene Kündigung stützt die Beklagte auf den Umstand, dass der Kläger seit dem Monat Dezember 2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und – wie die Beklagte behauptet – aufgrund der vom Kläger vorgelegten Atteste mit einer Besserung des Gesundheitszustandes in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, zuletzt habe der Kläger zwar durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14.04.2008 angegeben, eine anstehende medizinische Rehabilitation lasse die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erwarten. Die weitere Mitteilung, der Kläger strebe zur Vermeidung der Belastungen durch den weiten Weg vom Wohnort B1 zum Arbeitsplatz in W2 eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an, lasse jedoch erkennen, dass der Kläger selbst nicht von einer zeitnahen Genesung ausgehe. Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, bereits zum Zeitpunkt der Kündigung habe eine positive Gesundheitsprognose bestanden, was sich schon aus der im Kündigungszeitpunkt beantragten, mit Bescheid vom 03.07.2008 bewilligten und nachfolgend durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme ergebe.

Durch Urteil vom 24.03.2009 (Bl. 235 d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens (Bl. 139 ff. d.A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung sei unter dem Gesichtspunkt der lang andauernden Erkrankung bei vollständig ungewisser Genesung begründet. Wie das eingeholte Sachverständigengutachten ergeben habe, sei im Zeitpunkt der Kündigung davon auszugehen gewesen, dass der Kläger auch künftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Rahmen der beschriebenen Tätigkeiten krankheitsbedingt nicht ausfüllen könne, vielmehr sei bei Fortsetzung der Tätigkeit eine Verschlimmerung der bestehenden psychischen Erkrankung zu erwarten gewesen. Soweit sich der Kläger demgegenüber auf eine positive Gesundheitsprognose berufe, fehle es hieran an ausreichenden Anhaltspunkten, allein die Benennung der behandelnden Ärzte sei hierfür nicht genügend, da der Kläger nicht einmal angegeben habe, welcher Mediziner mit welcher konkreten Begründung irgendeine positive Gesundheitsprognose abgegeben haben solle. Auch dem Sachverständigen habe der Kläger keine derartigen, seine Darstellung stützenden Unterlagen vorgelegt. Allein der Umstand, dass der Kläger Ende Oktober 2008 aus der zwischenzeitlich durchgeführten Reha-Maßnahme „auf seinen Wunsch” hin als arbeitsfähig entlassen worden sei, rechtfertige keine andere Beurtei...

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