Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingte Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen der negativen Prognose sind Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen erlittener Arbeitsunfälle herauszurechnen.

2. An die Darlegung der eingetretenen und zu erwartenden unzumutbaren betrieblichen Beeinträchtigungen sind strenge Anforderungen zu stellen.

3. Bei einer Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit steht die Ungewissheit der Wiederherstellung gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Vor der Kündigung liegende Krankheitszeiten können dabei nicht in den Prognosezeitraum eingerechnet werden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Urteil vom 24.09.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2352/07)

 

Tenor

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.09.2009 – Az. 3 Ca 2352/09 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier arbeitgeberseitiger Kündigungen.

Der am 28.01.1968 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 30.09.1991 als Getränkefahrer bei der Beklagten, die einen Getränke-Vertrieb betreibt, beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30.03.1991.

Der Kläger erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1.700,00 EUR.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Ein Betriebsrat besteht bei ihr nicht.

In der Zeit seit dem Jahr 2004 fehlte der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in folgendem Umfang:

Im Kalenderjahr 2004 war der Kläger an 14 Arbeitstagen unfähig, im Kalenderjahr 2005 an 62 Arbeitstagen, im Kalenderjahr 2006 an 9 Arbeitstagen, im Kalenderjahr 2007 an 58 Arbeitstagen; seit dem 26.11.2007 ist der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig. Ursache ist eine neurologische Erkrankung.

In der Zeit vom 03.01.2008 bis zum 31.01.2008 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme im Klinikzentrum M4 GmbH in B1 W1 teil. Er wurde dort als arbeitsunfähig entlassen.

In der Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.10.2009 bezog der Kläger zwischenzeitlich Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Als Rentenantrag galt dabei der am 20.11.2007 vom Kläger gestellte Antrag auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Mittlerweile bezieht der Kläger unbefristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 28.11.2007, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst zum 31.05.2008.

Mit weiterem Schreiben vom 28.03.2008, das dem Kläger unter dem 29.03.2008 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut zum 30.09.2008.

Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch diese Kündigungen wendet sich der Kläger mit der unter dem 07.12.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und der Klageerweiterung vom 03.04.2008.

Hinsichtlich eines vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2007 ist der Rechtsstreit nach einem Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 21.08.2008 durch Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm vom 19.02.2009 vergleichsweise beigelegt worden.

Der Kläger hat zum einen die Kündigung vom 28.11.2007 für sozial nicht gerechtfertigt gehalten.

Eine negative Prognose sei nicht gerechtfertigt. Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass unwidersprochen eine Arbeitsunfähigkeit an vier Arbeitstagen im Jahre 2005 und an 28 Arbeitstagen im Jahre 2007 auf einem Arbeitsunfall beruhten. Zudem hätten die Krankheitstage in der Vergangenheit auf unterschiedlichen Ursachen beruht. So sei im Jahre 2005 bei ihm eine neurologische Krankheit diagnostiziert worden, weswegen eine medikamentöse Einstellung erfolgt sei.

Richtig sei, dass er sei dem 26.11.2007 wieder wegen der neurologischen Erkrankung arbeitsunfähig sei. Allerdings habe seine Arbeitsfähigkeit längst wieder hergestellt sein sollen, da er in der Zeit vom 03.01. bis zum 31.01.2008 an einer stationären Reha-Maßnahme teilgenommen habe. Allerdings sei er fehlerhaft behandelt worden, so dass er nicht als arbeitsfähig habe entlassen werden können. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 28.11.2007 aus betrachtet habe aber nur mit einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Abschluss der Reha-Maßnahme gerechnet werden können. Außerdem gehe seine behandelnde Ärztin davon aus, dass die Arbeitsunfähigkeit in absehbarer Zeit behoben werden könne und sich diese Symptomatik soweit bessere, dass er seiner Tätigkeit nachgehen könne. Es sei daher auch nicht davon auszugehen, dass eine dauernde Arbeitsunfähigkeit zu befürchten sei.

Ohne eine fehlerhafte Behandlung während der Rehabilitationsmaßnahme habe die Erwartung bestanden, dass er wieder arbeitsfähig gewesen sei.

Zum Zeitpunkt der Kündigung hätten somit keine objektiven Tatsachen vorgelegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen könnten.

Auch se...

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