Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines Verkehrsanwaltes im Rahmen der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Partei ist im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe jedenfalls dann ein Verkehrsanwalt beizuordnen, wenn es sich nicht um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, der auch eine telefonische oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten am Gerichtssitz als ausreichend erscheinen lässt.

2. Beträgt die einfache Entfernung vom Wohnsitz der Partei zum Gerichtsort 420 Km und erfordert eine Reisezeit von mehr als vier Stunden einfache Fahrt, so ist auch eine Informationsfahrt zu einem Prozessbevollmächtigten am Gerichtssitz nicht zumutbar, vielmehr ist die Partei berechtigt, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen Prozessbevollmächtigten am Wohnort zu beauftragen.

3. In diesem Fall ist die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes geboten, soweit die hierdurch entstehenden Kosten nicht höher liegen als 110 % der eingesparten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am Wohnort der Partei.

(Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441; vom 9. Oktober 2003, VII ZB 45/02, BGH-Report 2004, 70, 71; vom 11. November 2003, VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430; vom 18. Dezember 2003, I ZB 18/03, BGH-Report 2004, 637 und vom 25. März 2004, I ZB 28/03, BB 2004, 1023; BAG Beschluss vom 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03, NZA 2005, 1078)

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 4, 3, § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 02.06.2017; Aktenzeichen 3 Ca 392/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 26.06.2017 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 02.06.2017 - 3 Ca 392/17 - in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 28.07.2017 wird der Beschluss abgeändert.

Dem Kläger wird im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg, als Korrespondenzanwalt beigeordnet und Rechtsanwalt L aus Hagen als Hauptbevollmächtigter.

 

Gründe

I. Der Kläger hatte unter dem 09.02.2017 bei dem Arbeitsgericht Bamberg, Kammer Coburg eine Zahlungsklage erhoben und zugleich eine Kündigungsschutzklage. Seine Bitte an die Beklagte, sich rügelos bezüglich der örtlichen Unzuständigkeit einzulassen, wurde von der Beklagten abgelehnt und das Verfahren an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Hagen verwiesen.

In der Folge beauftragte der Kläger, der nach Coburg verzogen war, Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg mit seiner Vertretung in den Rechtstreitigkeiten, die im Gütetermin am 31.03.2017 zur gemeinsamen Verhandlung zum vorliegenden Aktenzeichen erster Instanz verbunden wurden.

Mit Schriftsatz vom 22.03.2017 beantragte der Kläger sodann die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. I als Korrespondenzanwalt sowie die Beiordnung des am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts L. Mit Schreiben vom 25.04.2017 bat das Gericht um Erläuterung, weshalb die Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes notwendig sei. Mit Schreiben vom 27.04.2017 machte der Kläger geltend, dass die Anreise nach Hagen für ein Informationsgespräch mit einem ansässigen Rechtsanwalt angesichts der Fahrtstrecke von 423 km einfacher Weg und einer erforderlichen Fahrzeit von mehr als vier Stunden einfacher Weg nicht zumutbar sei.

Mit Beschluss vom 02.06.2017 bewilligte das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe unter Anordnung einer Ratenzahlung bezogen auf einen Streitwert von 3.102,75 €, lehnte die Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes als nicht erforderlich ab und ordnete Rechtsanwalt Dr. I aus Coburg ohne Einschränkung bei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss (Bl. 78 - 81 PKH-Akte) Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 08.06.2017 zugestellten Beschluss wandte sich der Kläger mit der am 26.06.2017 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Ratenzahlung sowie der verweigerten Beiordnung eines Korrespondenzanwaltes. Hierbei stellte er darauf ab, dass die Kosten eines Korrespondenzanwaltes die Kosten einer Informationsreise nicht übersteigen würden.

Mit Änderungsbeschluss vom 28.07.2017 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde insoweit ab, als die Bewilligung nunmehr ohne Anordnung einer Ratenzahlung erfolgt. Im Übrigen wurde der Sachverhalt dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässig und begründet.

1.) Die sofortige Beschwerde ist zulässig, die erforderliche Beschwer ist gegeben. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist das Arbeitsgericht bei der Prüfung des Antrages des Klägers nicht von den hier gegebenen Voraussetzungen, insbesondere nicht von dem konkreten Antrag des Klägers ausgegangen.

a) Der Kläger hatte gerade nicht die unbeschränkte Beiordnung seines am Wohnort wohnenden, nicht aber im Gerichtsbezirk ansässigen Prozessbevollmächtigten beantragt, die dann im Übrigen gewährt wurde, obwohl dieses gem. § 121 Abs. 3 ZPO und dem sich daraus ergebenden Mehrkostenverbot nicht ohne weiteres möglich ist. Grundsätzlich kann ein außerha...

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