Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsgesellschaft. Vermeidung einer Insolvenz. Dreiseitiger Vertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitnehmer einer Konzernobergesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH berufen, beantwortet sich die Frage, ob er Arbeitnehmer der Konzernobergesellschaft bleibt, nach den zur GmbH & Co KG entwickelten Grundsätzen: Es ist das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit zu prüfen, indem der Vertrag nach Regelungsinhalt und tatsächlicher Durchführung auf Beschränkungen zu untersuchen ist, die über das für Fremd-Geschäftsführer übliche Maß hinausgehen, welches anhand des gängigen Katalogs zustimmungsbedürftiger Geschäfte festzustellen ist. Wenn die Tätigkeit und Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestaltet werden können und dann noch die Vergütung über der eines leitenden Angestellten liegt, ist der Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren. Dagegen wird eine Arbeitnehmer-Eigenschaft zu bejahen sein, wenn der Geschäftsführer einem Direktionsrecht der Obergesellschaft bezüglich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit unterliegt.

2. Die Frage, ob bei Streitigkeiten zwischen dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft und der Konzernmutter unabhängig von der Qualifizierung des Vertragsverhältnisses mit ihr bereits gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben ist, konnte offen bleiben.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vermeidung einer Insolvenz rechtfertigt es, bei Überführung von Arbeitnehmern in eine Beschäftigungsgesellschaft gemäß § 175 SGB III a.F., §§ 216 a, 216 b SGB III in einem dreiseitigen Vertrag schlechtere Vertragsbedingungen zu vereinbaren. Dazu gehört auch eine auflösende Bedingung des Vertrags zur Beschäftigungsgesllschaft für den Fall, dass der ehemalige Arbeitgeber seine Aufstockungszahlungen zum Strukturkurzarbeitergeld einstellt. Ob das Vertragsverhältnis zur Beschäftigungsgesellschaft ein Arbeitsverhältnis ist, bleibt unentschieden.

 

Normenkette

SGB III §§ 175, 216a, 216b; TzBfG § 15 Abs. 2, § 21

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 04.02.2005; Aktenzeichen 2 Ca 572/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. Februar 2005 – 2 Ca 572/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung eines zwischen ihnen bestehenden Beschäftigungsverhältnisses. Die Beklagte ist eine als GmbH verfasste Beschäftigungsgesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter das B. des DGB ist.

Die Klägerin war seit dem Jahre 1991 bei der A. GmbH in einem Arbeitsverhältnis als Maschinenführerin beschäftigt. Sie verdiente dort ca. 2.800,– EUR brutto monatlich. Nachdem die Fa. A. GmbH im Jahre 2002 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, wurden am 22. Oktober 2002 ein Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen. Damit wurde ein Abfindungsanspruch der Klägerin gegen die A. GmbH in Höhe von EUR 8.000,– begründet, der noch nicht erfüllt ist. Außerdem war vorgesehen, eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit gemäß § 175 SGB III (a.F.) zu bilden.

Zwischen der Klägerin, der A. GmbH und der Beklagten in ihrer Funktion als betriebsorganisatorisch eigenständiger Einheit, wurde am 13. März 2003 ein „Dreiseitiger Vertrag über Aufhebung und Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses” (Blatt 3 bis 7 der Akte) geschlossen, in dem es unter anderem heißt:

I. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Beschäftigte(r)

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem/der Beschäftigten und A. GmbH endet aus betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 30.3.2003. Mit diesem Dreiseitigen Vertrag unterzeichnet der/die Beschäftigte einen Beschäftigungsvertrag mit der I. – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des B. mbH. Ein Anspruch auf Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen in der I. besteht nicht.

II. Beschäftigungsverhältnis

§ 1 Gegenstand und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mit der I.:

Der/die Beschäftigte gründet ein Beschäftigungsverhältnis mit der I.. Die Parteien schließen hiermit einen befristeten Vertrag für die Dauer vom 31.3.2003 bis zum 31.3.2004. Das Beschäftigungsverhältnis endet automatisch zum 31.3.2004, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Bestandteil dieses Vertrages ist die Verpflichtung zur Teilnahme an Qualifizierungen, sofern sie angeboten werden.

§ 4 Entgelt

Die Beschäftigten erhalten während ihrer Beschäftigung in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit ein Strukturkurzarbeitergeld nach §§ 175, 177 ff. SGB III, sofern dies von der Arbeitsverwaltung bewilligt wird.

Das Strukturkurzarbeitergeld wird für die Beschäftigten auf 100% des Netto – Entgelts vor Eintritt in die Qualifizierungsgesellschaft aus Mitteln der A. GmbH aufgestockt.

§ 14 Schlussbestimmungen

Geschäftsgrundlage dieses Vertrages ist die Bejahung des Anspruchs auf Strukturkurzarbeitergeld im Sinne des § 175 SGB III durch die Arbeitsverwaltung sowie die vertragsgemäße Zahlung der vereinbarten Beträge aus de...

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