Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz wegen Pflichtverletzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Jedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht des Arbeitgebers inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner bewirkt für beide Parteien ihre Verpflichtung zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils und zu einer Vielzahl von Nebenleistungspflichten, wie z.B. einer allgemeinen Sorgfalts- und Fürsorgepflicht.

2. Eine unwirksame Kündigung kann grundsätzlich eine Pflichtverletzung des bestehenden Schuldverhältnisses sein.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 276 Abs. 1-2, § 249 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 08.12.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1386/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.08.2011; Aktenzeichen 8 AZN 808/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.12.2010 – 2 Ca 1386/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers.

Der inzwischen 57-jährige Kläger war ab Juli 2004 bis zum 30.09.2009 bei der Beklagten als Fachberater Zins- und Währungsmanagement beschäftigt.

In dem Arbeitsvertrag (siehe Bl. 238 der Akte) vereinbarten die Parteien in § 16, dass die Beklagte den Kläger ab Ausspruch einer Kündigung von der Pflicht zur Arbeitsleistung freistellen konnte. In § 17 „Ausschlussfristen” war geregelt, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen sechs Monaten nach Entstehen des Anspruchs von den Vertragsparteien schriftlich geltend zu machen sind.

Die Beklagte erbringt aufgrund von Dienstleistungsverträgen Beratungsleistungen im Derivatgeschäft für örtliche T., die gleichzeitig Gesellschafterinnen der Beklagten sind. Der Kläger schloss zwischen Oktober 2005 und Oktober 2007 mit insgesamt zehn Stadtsparkassen und Kreissparkassen, für die die Beklagte tätig war, als Dienstverträge bezeichnete Verträge ab (siehe Bl. 66 – 96 der Akte), um alle erforderlichen Beratungen, Informationen bzw. Aufklärungsleistungen bei Derivate-Geschäften von Kunden dieser T. durchzuführen. Hintergrund dieser Vertragsgestaltung war, dass nach den wertpapierrechtlichen Anforderungen und den Regeln der für die T. zuständigen Aufsichtsbehörde BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) die T. keine außenstehenden Dritte für die Beratungen ihrer Kunden bei der Vermarktung der genannten Finanzprodukte heranziehen durften, sondern die Beratungsleistung mit eigenen Mitarbeitern erbringen mussten. Durch die Dienstverträge mit dem Kläger und weiteren Mitarbeitern der Beklagten wurde eine entsprechende vertragliche Bindung zu den T. geschaffen.

In Ziffer 1. Pflichten des/der Dienstleistenden war in allen Dienstverträgen geregelt:

Er wird alle erforderlichen Aufklärungsleistungen bei Geschäften nach Anlage 1 jedweder einschlägigen Rechtsnorm gegenüber Kunden der T., die er im Rahmen seiner Aufgaben für die S-J. Rhein-Ruhr GmbH zu betreuen hat, umfassend erbringen und für die T. dokumentieren.

Dafür erhielt er nach Ziffer 2. der Dienstverträge eine Vergütung je nach T. von 10,00 bis 50,00 EUR monatlich zum 15. oder 30. des Monats, und zwar von der T. Sprockhövel 10,00 EUR, von den T. Bottrop, Hattingen und Gladbeck je 20,00 EUR, von der T. Dinslaken-Voerde-Hünxe 30,00 EUR und von den T. Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen sowie der L. Düsseldorf je 50,00 EUR. Dieser monatliche Pauschalbetrag sollte einvernehmlich in Abhängigkeit vom tatsächlichen Aufwand angepasst werden können.

In Ziffer 4. Vertragslaufzeit und Kündigung heißt es weiter:

… Er (der Dienstvertrag) endet automatisch, wenn das Arbeitsverhältnis des Dienstleistenden mit der S-J. Rhein-Ruhr-GmbH endet.

Darüber hinaus ist von beiden Seiten eine Kündigung an jedem Tag für den Ablauf des folgenden Tages möglich.

Der Vertrag mit der T. Gladbeck war bis zum 31.12.2008 befristet (siehe Bl. 84 der Akte). Diese T. und ab 2007 auch die T. Essen behandelten die Vertragsbeziehung als Minijob, die übrigen Institute zahlten die vereinbarte Vergütung als Nettobetrag, den der Kläger selbst versteuerte.

Die T. konnten sich bei Beratungsbedarf direkt an den Kläger wenden, er sprach die Termine, die entweder bei den Kunden oder in den Instituten stattfanden, ab. Seine ihm aus diesen Dienstverträgen obliegenden Verpflichtungen konnte der Kläger nach übereinstimmender Angabe beider Parteien nur erbringen, solange er für die Beklagte tatsächlich im Wertpapiergeschäft eingesetzt wurde.

Nachdem es seit 2007 nach Auffassung der Beklagten gehäuft zu Fehlern des Klägers im Rahmen seiner Beratungstätigkeit, insbesondere bei der Dokumentation von Beratungen, gekommen wa...

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