Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorzeitige Beendigung des Betriebsratsamtes. ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kündigen sämtliche Betriebsratsmitglieder sowie Ersatzmitglieder ihr Arbeitsverhältnis, so endet auch das Amt des Betriebsrats selbst. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Arbeitgeber mit einem der Betriebsratsmitglieder noch vor Ablauf der Kündigungsfrist auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einigt. In diesem Fall existiert der Betriebsrat – bestehend aus dem einzigen verbliebenen Betriebsratsmitglied – weiter.

2. Kommt der Betriebsrat seiner Verpflichtung zur Durchführung von Neuwahlen gemäß § 13 Abs.2 Nr.2 BetrVG nicht nach, obwohl die Zahl der Mitglieder unter die vorgesehene Mindestzahl gesunken ist, so bleibt er dennoch bis zum Ablauf der ordentlichen Amtsperiode im Amt, es sei denn, er wird vorher gemäß § 23 Abs.1 S.1 BetrVG aufgelöst oder es wird gemäß § 16 Abs.2 BetrVG durch das Arbeitsgericht ein Wahlvorstand bestellt, der dann eine Neuwahl einleitet.

3. Im Falle einer Mehrheitswahl werden nur diejenigen nichtgewählten Arbeitnehmer Ersatzmitglieder nach § 25 Abs.2 S.3 BetrVG, die bei der Betriebsratswahl mindestens eine Stimme erhalten haben.

4. Erklärt der Betriebsrat die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers, so ist das Verfahren gemäß § 102 Abs.1 und 2 BetrVG abgeschlossen. Des Abwartens der Wochen-Frist des § 102 Abs.2 S.1 BetrVG bedarf es in diesem Fall selbst dann nicht, wenn der die Zustimmung beinhaltende Beschluss des Betriebsrats im Beisein des Arbeitgebers unter irrtümlicher Beteiligung eines Arbeitnehmers erfolgt ist, der bereits aus dem Betriebsrat ausgeschieden war.

5. Zum Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage gehört auch die Frage, ob die Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Kündigungstermin aufgelöst wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gerügt worden ist.

 

Normenkette

BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 25 Abs. 2 S. 3, § 102 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 12.05.2010; Aktenzeichen 7 Ca 6438/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.05.2010 – AZ: 7 Ca 6438/08 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 05.05.2009 erst zum 31.12.2009 beendet worden ist.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das oben genannte Teilurteil werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten dieses Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit zweier ordentlicher verhaltensbedingter Kündigungen.

Gegenstand der Tätigkeit der Beklagten ist laut Handelsregister die Ausführung von Gleis- und Tiefbauarbeiten einschließlich Betonbau und Betonsanierung sowie Straßenbau und Pflasterarbeiten. In ihrem Betrieb beschäftigt sie regelmäßig mehr als zwanzig, aber nicht mehr als fünfzig Arbeitnehmer.

Der am 21.05.1960 geborene Kläger ist verheiratet und laut Steuerkarte drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war bei der Beklagten zunächst seit dem 31.03.2003 als Oberbauleiter beschäftigt. Unter dem Datum des 24.08.2004 vereinbarten die Parteien eine Ergänzung zum Anstellungsvertrag. Danach wurde das Entgelt des Klägers auf 4.800,– EUR brutto erhöht und folgende Kündigungsfrist vereinbart:

„Die Kündigung ist für beide Teile nur zum 30.06. und 31.12. möglich, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten.”

Unter dem 01.12.2005 vereinbarten die Parteien einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (Bl. 19 ff. d. A.) mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten. § 2 des Vertrages lautet:

Dauer der Tätigkeit

„Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Im Falle seiner Abberufung vom Amt des Geschäftsführers wird der Geschäftsführer weiterhin als Oberbauleiter beschäftigt in der gleichen Position und zu den gleichen Bedingungen, die vor der Berufung zum Geschäftsführer bestanden haben.”

Auf der Grundlage dieses Vertrages übernahm der Kläger das Amt des Geschäftsführers.

Einem Schreiben der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt vom 25.08.2005 lässt sich die Einberufung einer Wahlversammlung für den 31.08.2005 zum Zwecke der Wahl eines Betriebsrats entnehmen. In einem vom Kläger in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Wahlausschreiben vom 31.08.2005 (Bl. 937 d. A.) ist niedergelegt, dass eine Betriebsratswahl auf einer zweiten Wahlversammlung am 07.09.2005 stattfinden sollte. In einer auf den 07.09.2005 datierten „Wahlniederschrift” wurde folgendes Ergebnis festgehalten:

„Bewerberin/Bewerber 1: Herr B., N. 4 Stimmen

Bewerberin/Bewerber 2: Herr L., S. 1 Stimmen

Bewerberin/Bewerber 3: Herr L. I. K. 0 Stimmen

Bewerberin/Bewerber 4: Herr N., N. 4 Stimmen

Bewerberin/Bewerber 5: Herr Q., V. 8 Stimmen

Bewerberin/Bewerber 6: Herr T., I. 1 Stimmen

Entsprechend de...

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