Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Verfahrensgebühr bei teilweiser Klagerücknahme vor Verhandlung. Wegfall der Verfahrensgebühr bei teilweiser Klagerücknahme und späterem Vergleichsabschluss in der Verhandlung. Entfallen der Gebühr nach Vorbemerkung 8 zum Teil 8 KV GKG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG ist bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass bereits nach ihrem Wortlaut die Voraussetzungen für den Wegfall der Gebühr gerade auch bei der Standardkonstellation arbeitsgerichtlicher Verfahren - der der vorliegende Fall entspricht - erfüllt sein sollen, in denen nach teilweiser Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung im Termin ein Vergleich über den verbliebenen Streitgegenstand geschlossen wird.

2. Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man von einer Regelungslücke ausgeht und diese durch analoge Anwendung der Vorbemerkung 8 iVm. Nr. 8210 Anm. 2 schließt, wonach dann in der vorliegenden Konstellation die Verfahrensgebühr ebenfalls gänzlich entfällt (so Hessisches LAG 18. Juli 2016 - 2 Ta 597/14, Rn. 5; LAG Düsseldorf 22. Mai 2017 - 13 Ta 584/16, Rn. 18, ausführlich auch zur Gesetzesgeschichte; LAG Köln 28. August 2017 - 3 Ta 122/17; Pfitzer/Augenschein in: Natter/Groß ArbGG 2. Aufl. 2013 § 12 Rn 19; Schwab in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 12 ArbGG, Rn. 44; Künzl in: Ostrowicz/Künzl/Scholz, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl. 2020, Kapitel 2: Urteilsverfahren, Rn. 346; GMP/Germelmann/Künzl ArbGG 9. Aufl. 2017 § 12 Rn. 18b; GK-ArbGG/Schleusener ArbGG Stand 11/2020 § 12 Rn. 52a; zuletzt offengelassen durch LAG Berlin-Brandenburg 18. Mai 2020 - 17 Ta (Kost) 6021/20, Rn. 9).

 

Normenkette

ArbGG § 46a Abs. 6 S. 2; GKG KV Vorbem. 8; GKG KV Nrn. 8210-8211; GKG § 68 Abs. 8

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 21.10.2021; Aktenzeichen 3 Ca 571/20)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 21. Oktober 2021 - 3 Ca 571/20 - abgeändert. Auf die Erinnerung des Klägers wird der Kostenansatz - Kostenrechnung mit Kassenzeichen 2820830007018 - aufgehoben.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über seine Erinnerung gegen einen Kostenansatz, der darauf fußt, dass die Gebühr ungeachtet eines Vergleichsabschlusses wegen vorheriger teilweiser Klagerücknahme nicht weggefallen sei.

Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 19. März 2020 gestritten. Der Kläger war bei der Beklagten als Filmarchitekt für das Projekt "Girona" (Film: "Uncharted") in Potsdam beschäftigt mit einer wöchentlichen Gage. Die Parteien hatten ein auf die Zeit vom 23. Januar bis zum 30. April 2020 befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart. Die letzte Tätigkeit des Klägers betraf die Szene "Pizza John", bevor die Dreharbeiten pandemiebedingt abgebrochen werden mussten, was auch der Hintergrund für die dem Kläger ausgesprochene Kündigung war. Betroffen waren über 400 für die Dreharbeiten eingestellte Filmschaffende.

Die Klageschrift enthielt einen Kündigungsschutzantrag, einen allgemeinen Feststellungsantrag und einen Zahlungsantrag, bezogen auf die Vergütung für den Monat April 2020. Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 hat der Kläger die Klage um einen Betrag in Höhe von 820 Euro (Urlaubsabgeltung) erweitert. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 9. September 2020 hat der Kläger den die Vergütung für den Monat April 2020 betreffenden Antrag nach Erhalt von Arbeitslosengeld neu gefasst und nun die Zahlung von 9.020 Euro brutto abzüglich 1.645,44 Euro netto geltend gemacht.

In der Kammerverhandlung vom 21. Oktober 2020 stellte der Kläger den Kündigungsschutzantrag, den Antrag aus dem Schriftsatz vom 9. September 2020 sowie den Antrag auf Urlaubsabgeltung aus dem Schriftsatz vom 20. Juli 2020 mit der Maßgabe, dass eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt werde. Den allgemeinen Feststellungsantrag hat der Kläger - nachdem weitere Beendigungstatbestände nicht ersichtlich waren - nicht mehr gestellt.

Die Parteien haben in der Kammerverhandlung einen Vergleich geschlossen.

Im Rahmen der erstellten Kostenrechnung ist eine hälftige 0,4 Verfahrensgebühr nach Nr. 8211 KV GKG mit der Begründung in Ansatz gebracht worden, das nach teilweiser Klagerücknahme und dem Stellen der Anträge in der mündlichen Verhandlung nur noch ein Teilvergleich geschlossen worden sei, weswegen die Voraussetzungen der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG nicht mehr vorlägen und nur noch eine Ermäßigung nach Nr. 8210 Anm. 2 KV GKG in Betracht komme. Dem hat sich die Landeskasse unter Hinweis auf ältere LAG-Entscheidungen angeschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung des Klägers mit Beschluss vom 21. Oktober 2021 zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung wird sie als sofortige Beschwerde bezeichnet und entsprechend mit einer Notfrist versehen.

Der Kläger hat gegen den ihm am 27. Oktober 2021 zugestellten Beschluss mit eine...

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