Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren bei teilweiser Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung und Abschluss eines verfahrensbeendenden Vergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vor dem Arbeitsgericht ein Teil der Streitgegenstände vor streitiger Verhandlung zurückgenommen (hier: sog. Schleppnetzantrag) und schließen die Parteien nach streitiger Verhandlung über den verbleibenden Teil einen verfahrensbeendenden Vergleich, so fällt keine Verfahrensgebühr nach dem Kostenverzeichnis in GKG Anlage 1 Nr. 8210 ff. an.

 

Normenkette

KV-GKG Vorbem. 8; KV-GKG Nr. 8210 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 28.04.2017; Aktenzeichen 19 Ca 2766/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers vom 15.05.2017 wird der richterliche Zurückweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28.04.2017 - 19 Ca 2796/16 - aufgehoben.

Auf die Erinnerung des Klägers vom 20.03.2017 wird der Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung vom 28.02.2017 - Kassenzeichen X - aufgehoben.

 

Gründe

I. Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren gegen die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung gewandt. In der Klageschrift kündigte er die Stellung folgender Anträge an:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30.03.2016 nicht aufgelöst wurde oder wird.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über die letzte mündliche Verhandlung hinaus ungekündigt zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits erweiterte er die Klage noch um einen auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. auf Erteilung eines Endzeugnisses gerichteten Antrags.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls des arbeitsgerichtlichen Kammertermins vom 01.02.2017 erklärte die Beklagte eingangs der mündlichen Verhandlung, dass keine weiteren Beendigungstatbestände streitig seien. Der Kläger nahm daraufhin den Antrag zu Ziffer 2. (sog. Schleppnetzantrag) aus der Klageschrift zurück und stellte ausdrücklich nur den verbleibenden Antrag zu 1. aus der Klageschrift sowie die Zeugnisanträge aus der Klageerweiterung. Die Beklagtenvertreterin beantragte die Klageabweisung.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schlossen die Parteien sodann folgenden - im weiteren von der Beklagten nicht widerrufenen - Vergleich:

1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund fristgemäßer Kündigung der Beklagten vom 30.03.2016 mit dem Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat.

2. Die Beklagte hält die im Zusammenhang mit der Kündigung vom 30.03.2016 geäußerten Vorwürfe ausdrücklich nicht aufrecht.

3. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 54.000,00 € brutto.

4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Gesamtbeurteilung der Note "gut" sowie einer entsprechenden Wunsches-, Dankes- und Bedauernsformel.

5. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle finanziellen Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.

6. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

7. Die Beklagte behält sich den Widerruf dieses Vergleichs durch schriftliche Anzeige beim Arbeitsgericht Köln bis zu 15.02.2017 einschließlich vor.

Die Landeskasse hat mit Gerichtskostenrechnung vom 28.02.2017 dem Kläger auf der Grundlage des auf 19.800,00 € festgesetzten Verfahrensstreitwerts eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 8211 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in Höhe von 69,00 € in Rechnung gestellt. Dagegen hat der Kläger als Kostenschuldner am 20.03.2017 Erinnerung eingelegt, der der Kostenbeamte mit Datum vom 29.03.2017 nicht abgeholfen hat. Mit richterlichem Beschluss vom 28.04.2017 hat schließlich das Arbeitsgericht die Erinnerung zurückgewiesen.

Mit seiner vom Arbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zugelassenen Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Zurückweisung seiner Erinnerung.

II. 1. Die Beschwerde ist aufgrund der arbeitsgerichtlichen Zulassung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG statthaft. Das Rechtsmittel ist unbefristet (Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 66 GKG Rn. 40).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das Ausgangsverfahren ist für den Kläger gerichtsgebührenfrei. Das folgt vorliegend aus einer entsprechenden Anwendung der Vorbemerkung 8 in Verbindung mit Nr. 8210 Abs. 2 GKG Anlage 1.

a) Im Ausgangsverfahren waren mehrere Streitgegenstände anhängig, nämlich der Kündigungsschutzantrag, der allgemeine Feststellungsantrag (sog. Schleppnetzantrag) sowie der Antrag auf Zeugniserteilung. Diese haben im Laufe des Verfahrens einen unterschiedlichen Verlauf genommen. Während der Schleppnetzantrag noch vor Beginn der streitigen Verhandlung (Antragstellung - § 137 Abs. 1 ZPO) vom Kläger zurückgenommen worden ist, ist über die anderen beiden Strei...

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