Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Gerichtskosten bei teilweiser Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung und Abschluss eines Vergleichs über den verbliebenen Teil

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vor dem Arbeitsgericht ein Teil der Streitgegenstände vor streitiger Verhandlung zurückgenommen und schließen die Parteien nach streitiger Verhandlung über den verbleibenen Teil einen Vergleich, so fällt keine Verfahrensgebühr nach KV Nr. 8210 ff. GKG an.

 

Normenkette

GKG Vorbem. 8 Anlage 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 31.08.2016; Aktenzeichen 4 Ca 3145/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin vom 06.09.2016 wird der (richterliche) Zurückweisungs-Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 31.08.2016 - 4 Ca 3145/15 - aufgehoben.

Auf die Erinnerung der Kostenschuldnerin vom 19.05.2016 wird der Kostenansatz in der Gerichtskostenrechnung vom 08.03.2016 in der unter dem 07.07.2016 abgeänderten Fassung (Kassenzeichen X100024599430X) aufgehoben.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A.

Im Ausgangsverfahren hat der Kläger mit seiner Klage neben einem Kündigungsschutzantrag einen allgemeinen Feststellungsantrag ("Schleppnetzantrag") verfolgt. In der Sitzungsniederschrift des Kammertermins vom 17.02.2016 heißt es auszugsweise wie folgt:

"Die Beklagtenseite erklärt, dass weitere Kündigungen, außer derjenigen vom 29.10.2015 gegenüber dem Kläger nicht ausgesprochen worden seien.

Der Klägervertreter stellt daraufhin die Anträge zu 1. und 3. aus der Klageschrift vom 18.11.2015.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen."

Im Anschluss daran haben die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung endete.

Die Landeskasse hat mit Gerichtskostenrechnung vom 08.03.2016 der Beklagten auf der Grundlage des auf 13.965,- € festgesetzten Wertes eine Verfahrensgebühr nach GKG Anl. 1 Nr. 8211 in Höhe von 117,20 € in Rechnung gestellt. Dagegen hat die frühere Beklagte als Kostenschuldnerin Erinnerung eingelegt, welcher der Kostenbeamte nur insoweit abgeholfen hat, als er mit Datum vom 07.07.2016 die Rechnung auf 58,60 € berichtigt hat. Mit richterlichem Beschluss vom 31.08.2016 hat das Arbeitsgericht die verbliebene Erinnerung zurückgewiesen.

Mit ihrer vom Arbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Beschwerde richtet sich die Kostenschuldnerin gegen die Zurückweisung der Erinnerung.

B.

1.Die Beschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG statthaft. Das Rechtsmittel ist unbefristet.

2.Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

a) Der zu entscheidende Sachverhalt ist dadurch gekennzeichnet, dass im Ausgangsverfahren zwei Streitgegenstände rechtshängig waren und der Rechtsstreit für beide einen unterschiedlichen Verlauf genommen hat. Den allgemeinen Feststellungsantrag hat der Kläger vor streitiger Verhandlung zurückgenommen, während die Parteien nach Eintritt in die streitige Verhandlung den verbliebenen Streit verglichen haben. Allerdings ist die Teilrücknahme entgegen § 160 Abs. 1 Nr. 8 ZPO nicht protokolliert worden. Der mit Hinweis der Beschwerdekammer vom 13.03.2017 geäußerten Ansicht, dass nach dem protokollierten Ablauf der Verhandlung dennoch kein bloßes Zurückstellen des allgemeinen Feststellungsantrags vorliegt, sind die Beteiligten nicht entgegengetreten.

b) Für einen derartigen Verlauf enthalten die Vorschriften der Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes keine ausdrückliche von Nr. 8210 Abs. 1 abweichende Regelung.

Nr. 8211 Nr. 1 erfasst nach Wortlaut und Systematik nur (Teil-) Rücknahmen nach streitiger Verhandlung. Ein Teilvergleich ist nach der Vorbemerkung 8 Satz 2 nicht privilegiert. Eine Anwendung von Nr. 8210 Abs. 2 scheitert daran, dass nicht das gesamte Verfahren ohne streitige Verhandlung beendet worden ist.

Zwar bewirken eine vollständige Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung nach GKG Anl. 1 Nr. 8210 Abs. 2 und ein Vergleich über den gesamten Inhalt des Rechtsstreits nach der Vorbemerkung 8 den Wegfall der Gebühr. Sowohl die Vormerkung als auch GKG Anl. 1 Nr. 8210 Abs. 2 verlangen jedoch ausdrücklich, dass sich der Vergleich bzw. die Erledigung durch Klagerücknahme auf den gesamten Streitgegenstand beziehen. Für das Zusammentreffen zweier Wegfalltatbestände, welche den gesamten Inhalt des Rechtsstreits umfassen, enthält das Gerichtskostengesetz bezogen auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 8210 damit keine ausdrückliche Regelung. Nach dem bloßen Gesetzeswortlaut verbliebe es daher bei dem ungeschmälerten Gebührensatz von 2,0 nach GKG Anl. 1 Nr. 8210.

c) Allerdings regelt GKG Anl. 1 Nr. 8211 a. E. das Zusammentreffen eines Ermäßigungstatbestandes (Klagerücknahme nach streitiger Verhandlung etc.) mit einem Teilvergleich, und zwar dahingehend, dass dann insgesamt eine Ermäßigung auf den Gebührensatz des Ermäßigungstatbestandes - nämlich 0,4 - eintritt.

d) Nach Auffassung der Beschwerdekammer besteht damit eine planwidrige Regelungslücke. Es widersprä...

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