Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsgebühren bei Teilklagerücknahme vor Stellung der Klageanträge und anschließendem Abschluss eines Vergleichs nach streitiger Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Teilklagerücknahme vor Stellung der Klageanträge und ein anschließender Vergleich nach streitiger Verhandlung über den Rest führen zu Gebührenprivilegierung im Sinne der amtlichen Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zum GKG, sofern die Parteien im Vergleich eine Kostenregelung treffen oder sich zumindest die Kostenfolge nach § 98 ZPO unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. In diesem Fall wird keine inhaltlich zu begründende Entscheidung des Gerichts erforderlich, so dass keine Gerichtsgebühren zu erheben sind.

 

Normenkette

KV-GKG Vorbem. 8

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 17.10.2014; Aktenzeichen 5 Ca 91/14)

 

Tenor

Die Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse vom 28. Oktober 2014 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 - Az. 5 Ca 91/14 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat sich in dem diesem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Gießen - Az. 5 Ca 91/14 - mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung sowie mit einer Abmahnungsklage gegen die Wirksamkeit von insgesamt fünf Abmahnungen gewandt. Er hat ferner im Wege der allgemeinen Feststellungsklage die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit über den 31. Oktober 2014 hinaus fortbesteht, sowie im Wege des unechten Hilfsantrags die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verlangt.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 29. Juli 2014 (Bl. 150 d.A.) hat der Kläger die allgemeine Feststellungsklage zurückgenommen und die Beklagte hat hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31. Oktober 2014 aufzulösen. Nachdem das Arbeitsgericht auf Bitten der Parteien zunächst einen Verkündungstermin bestimmt hat, haben die Parteien anschließend noch vor Verkündung die Annahme eines vom Gericht ihnen unterbreiteten Vergleichsvorschlags erklärt. Daraufhin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 26. August 2014 - Az. 5 Ca 91/14 (Bl. 176 und 177 d.A.) - das Zustandekommens eines Vergleichs zwischen den Parteien festgestellt. Neben einer Vielzahl weiterer Regelungen heißt es zum einen, das Arbeitsverhältnis der Parteien werde aufgrund Kündigung vom 14. März 2014 aus betrieblichen Gründen am 31. Oktober 2014 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 85.000,00 enden, und zum anderen werden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben.

Das Arbeitsgericht hat durch Kostenrechnung vom 4. September 2014 - Kassenzeichen XXXXXXXXXXXX (Bl. I d.A.) - für den Kläger aus einem Wert von € 54.000,00 die Hälfte einer Gebühr nach Nr. 8211 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) in Höhe von € 133,20 in Ansatz gebracht. Der Kläger hat gegen diesen Kostenansatz am 19. September 2014 Erinnerung eingelegt. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2014 - Az. 5 Ca 91/14 (Bl. 190 bis 192 d.A.) - hat das Arbeitsgericht daraufhin den Gerichtskostenansatz vom 4. September 2014 aufgehoben, da eine Gerichtsgebühr nicht zu erheben sei, und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei zwar der amtlichen Vorbemerkung 8 der Anlage 1 zum GKG zu entnehmen, dass ein Teilvergleich das Verfahren nicht gebührenfrei werden lässt, jedoch sei in der vorliegenden Konstellation zu beachten, dass ein Wegfall der Gebührenprivilegierung Sinn und Zweck dieser Vorschrift widerspräche. Mit der Gebührenprivilegierung, so das Arbeitsgericht weiter, solle zur Entlastung der Justiz ein Anreiz geschaffen werden, Rechtsstreite ohne besonderen Arbeitsaufwand der Gerichte zu beenden. Sowohl die teilweise Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung als auch die Beendigung des Rechtsstreits nach streitiger Verhandlung durch Vergleich entlasten die Gerichte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die teilweise Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung hier einen kostenmäßig "wertlosen" Antrag betreffe. Das heißt, selbst im Fall eines streitigen Urteils wären dem Kläger hinsichtlich der Klagerücknahme keine Kosten aufzuerlegen gewesen. Die Vertreterin der Staatskasse hat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 17. Oktober 2014 mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2014 am 3. November 2014 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 5. November 2014 - Az. 5 Ca 91/14 (Bl. 198 d.A.) - unter Verweis auf die Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, denn das Arbeitsgericht hat sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage im angegriffenen Beschluss ausdrücklich zugelassen. In der Sache bleibt die Beschwerde aber ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass bei teilweiser Klagerücknahme vor Stellung der Anträge ...

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