Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachwahl eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

Endet die Freistellung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds infolge ordnungsgemäßer Abberufung, so bedarf es der Neuwahl sämtlicher freizustellender Betriebsratsmitglieder, wenn die ursprüngliche Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl stattgefunden hat (Abweichung von BAG 28. Oktober 1992, 7 ABR 2/92, AP Nr 16 zu § 38 BetrVG 1972).

 

Normenkette

BetrVG § 38

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 10.11.1999; Aktenzeichen 2 BV 35/99)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 14.11.2001; Aktenzeichen 7 ABR 31/00)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 7 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10.11.1999 – Az.: 2 BV 35/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob nach der Abberufung eines im Wege der Verhältniswahl freigestellten Betriebsratsmitglieds die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder in Verhältniswahl zu erfolgen hat, oder ob die Auswahl nur eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds im Wege der Mehrheitswahl erfolgt.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte Ziff. 8) beschäftigt ca. 260 Arbeiter, 5.400 Angestellte und 100 leitende Angestellte, die einen aus 29 Mitgliedern bestehenden Betriebsrat (Antragsgegner und Beteiligter Ziff. 7) gewählt haben. 22 Betriebsratsmitglieder gehören der „Fraktion KKK” an, die 7 ursprünglichen Antragsteller, von denen einer bereits im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin ausgeschieden ist, sind über die Liste der IG Metall in den Betriebsrat gewählt worden.

Im Juni 1998 vereinbarte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat, die Anzahl der freizustellenden Betriebsräte auf fünf zu reduzieren (Betriebsvereinbarung vom 17.06.1998, Anlage 1, ABl. 11 d. erstinstanzl. Akte). Nach den Grundsätzen der Verhältniswahl wurden am 17.06.1998 drei Betriebsratsmitglieder aus der „KKK-Liste” und zwei Betriebsratsmitglieder aus der „IG Metall-Liste” freigestellt.

In der Folgezeit schied ein Betriebsratsmitglied der „IG Metall-Fraktion” aus, ein weiteres, freigestelltes Betriebsratsmitglied der „IG Metall-Fraktion” trat aus der Gewerkschaft aus und schloss sich der „Fraktion KKK” an.

In der Betriebsratssitzung vom 03.02.1999 wurde die Antragstellerin … (Beteiligte Ziff. 6) in geheimer Wahl mit einem Stimmenverhältnis von 22 zu 7 als freigestelltes Betriebsratsmitglied abberufen. In der Betriebsratssitzung vom 24.02.1999 wurde das Betriebsratsmitglied …, das der „Fraktion KKK” angehört, zur Freistellung vorgeschlagen und mit 17 zu 7 Stimmen gewählt. Der Antrag der „IG Metall-Fraktion”, die Beteiligte Ziff. 6 erneut freizustellen, hatte keinen Erfolg.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass nach der Abberufung eines Betriebsratsmitglieds, dessen Freistellung in Verhältniswahl erfolgte, zum Schutz der Minderheitsfraktion die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder im Wege der Verhältniswahl zu erfolgen habe. Mit am 09.03.1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz haben sie beantragt,

den Beschluss des Betriebsrats vom 24.02.1999 über die Freistellung des … für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 10.11.1999, der dem Betriebsrat am 11.11.1999 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht den Beschluss des Betriebsrats vom 24.02.1999 für unwirksam erklärt. Auf die Begründung (ABl. 54–56 d. erstinstanzl. Akte) wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Betriebsrat mit der am 10.12.1999 eingelegten und am 10.01.2000 begründeten Beschwerde, die im Wesentlichen ausführt, dass der Minderheitenschutz bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern im Wege der Verhältniswahl ausreichend dadurch gesichert sei, dass es einer Dreiviertelmehrheit zu deren Abberufung bedarf. Er beruft sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.10.1992 (7 ABR 2/92, AP Nr. 16 zu § 38 BetrVG 1972, NZA 1993, 910), in der das Bundesarbeitsgericht sogar in einem Fall, in dem die freigestellten Betriebsratsmitglieder nicht abgewählt worden, sondern anderweitig ausgeschieden waren (Verzicht, Altersbedingtes Ausscheiden), die Neuwahl der beiden freizustellenden Betriebsratsmitglieder jeweils im Wege der Mehrheitswahl gebilligt hat.

Der Betriebsrat beantragt daher

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10.11.1999 – 2 BV 35/99 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Die Beteiligten Ziff. 2, 5, 6, 9 und 10 beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Von den Antragstellern sind die Beteiligten Ziff. 1, 3, 4 per 01.11.1999 durch Betriebsteilübergang bei der Arbeitgeberin ausgeschieden. Nachgerückt sind die Beteiligten Ziff. 9 und 10.

 

Entscheidungsgründe

B. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§§ 89, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG) ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Beschluss des Betriebsrats vom 24.02.1999 über die Freistellung des … zu...

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