1 Anwendungsbereich

 

Rz. 1

§ 554, der den aufgehobenen 554a ersetzt, gilt nur für Wohnraum, und zwar auch für Wohnraum nur zu vorübergehendem Gebrauch (§ 549 Abs. 2 Nr. 1), Einliegerwohnungen (§ 549 Abs. 2 Nr. 2), Wohnraum zur Unterbringung von Personen mit dringendem Wohnbedarf (§ 549 Abs. 2 Nr. 3) und für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim (§ 549 Abs. 3), wie sich aus seiner systematischen Stellung in dem Abschnitt II. Mietverhältnisse über Wohnraum ergibt. Bei Mischmietverhältnissen kommt es auf den Schwerpunkt des Mietverhältnisses an. Der Rechtsanwalt, der eine Wohnung gemietet hat, um darin seine Anwaltspraxis zu betreiben und zugleich zu wohnen, hat daher keinen Anspruch auf die Zustimmung zu einer behindertengerechten Einrichtung durch den Vermieter, weil der Schwerpunkt dieses Mietverhältnisses auf der Gewinnerzielung liegt. Die Frage, welche Rechtsvorschriften auf ein derartiges Mischmietverhältnis anzuwenden sind, beantwortet sich danach, welcher Vertragszweck überwiegt (BGH, Urteil v. 13.1.2021, VIII ZR 66/19, WuM 2021, 242; BGH, Urteil v. 9.7.2014, VIII Z 376/13, ZMR 2014, 871; OLG Celle, Urteil v. 3.3.1999, 2 U 86/98, ZMR 1999, 469; OLG Düsseldorf, Urteil v. 2.3.2006, 10 U 120/05, ZMR 2006, 685; OLG Düsseldorf, Urteil v. 6.6.2002, 10 U 12/01, GE 2002, 1058). Verwenden Vertragsparteien, die einen Vertrag zur teilgewerblichen Nutzung mit überwiegendem Gewerbeeinschlag abschließen wollen, ein Wohnraummietvertragsformular, so haben sie dennoch kein Wohnraummietverhältnis begründen wollen (KG, Urteil v. 3.5.1999, 8 U 5702/97, NZM 2000, 338), sodass der Mieter einen etwaigen Anspruch auf Zustimmung zu einer behindertengerechten Einrichtung nicht aus § 554 herleiten kann.

2 Voraussetzungen des Anspruchs auf Erlaubnis

2.1 Bauliche Veränderungen für Behinderte

 

Rz. 2

Voraussetzung des Anspruchs ist ein berechtigtes Interesse des Mieters an der behindertengerechten Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr haben. Seine berechtigterweise in der Wohnung lebenden Mitbewohner haben keinen eigenen Anspruch auf Zustimmung zur Duldung. Das Interesse des Mieters kann sich daraus ergeben, dass er selbst behindert ist. Der Mieter hat aber auch dann einen Anspruch auf Zustimmung zu der Einrichtung, wenn sein Lebenspartner, mit dem er einen auf Dauer angelegten Haushalt in der Wohnung führt oder seine mit ihm berechtigterweise in der Wohnung lebenden Angehörigen behindert sind. Das Gleiche gilt für alle Personen, die berechtigten Mitbesitz an der Wohnung haben, also Haushaltsangehörige, Angestellte, Pflegepersonal. Dazu gehören auch Untermieter bei einer gestatteten Untervermietung nach § 549 oder § 553 BGB (Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 9), wobei der Erlaubnisanspruch (für den Gebrauch durch den Untermieter) vom Mieter als dem Vertragspartner geltend gemacht werden muss. Insoweit dürfte der Kreis derjenigen Personen, für die er den Anspruch geltend machen kann, ähnlich zu begrenzen sein wie der Kreis der Bedarfspersonen, für die der Vermieter Eigenbedarf gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 geltend machen kann. Der Kreis der Haushaltsangehörigen ist identisch mit dem der Haushaltsangehörigen in § 549 Abs. 2 Nr. 2. Bei mehreren Mietern reicht die Behinderung eines Mieters. Auch regelmäßige Besucher sind zu diesem Personenkreis zu rechnen (Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 9). Menschen mit Behinderungen sind die in § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes legal definierten Personen. Der Gesetzgeber meint "Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können."

Die Art und der Grad der Behinderung sind nicht ausschlaggebend, ebenso wenig der Entstehungsgrund. Neben Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit kommen auch Seh-, Hörbeeinträchtigungen und geistige Behinderungen in Betracht, auch Erkrankungen wie Demenz oder Multiple Sklerose (Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 8). Entscheidend ist allein, ob die Behinderung eine bauliche Veränderung oder sonstige Einrichtungen erfordert. Dabei sind Art, Dauer und Schwere der Behinderung zu berücksichtigen. Die Behinderung muss langfristig, bestehen, also nach § 3 Satz 2 BGG ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert (Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 8); vorübergehende Behinderungen mit Heilungschancen reichen nicht aus.

Unerheblich ist, ob die Behinderung bereits vor Vertragsschluss bestand. Allerdings kann im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Mieters berücksichtigt werden, dass er den Vermieter vor Vertragsschluss nicht über seine Behinderung aufgeklärt hat; dagegen ist der Anspruch nicht allein deswegen ausgeschlossen, weil der Mieter seinen Anspruch nicht sofort nach Einzug geltend macht.

Die angestrebte bauliche Veränderung oder Einrichtung muss ferner objektiv geeignet sein, die Einschränkungen in der Wohnungsnutzung durch die Behinderung auszugleichen.

 
Hinweis

Umfang bauliche Veränderungen

Die baulichen Veränderungen, zu denen der Mieter...

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