Rz. 42

Der Vermieter kann das Mietverhältnis dann fristlos kündigen, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt. Die Kündigung ist jedoch erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgter Abmahnung des Vermieters zulässig.

3.2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 43

Die fristlose Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs ist sowohl bei einem Mietverhältnis als auch bei einem Pachtverhältnis zulässig, nicht dagegen bei einem Leihverhältnis (BGH, Urteil v. 9.10.1991, XII ZR 122/90, NJW 1992, 496). Die Kündigung ist bei der Vermietung sowohl von beweglichen als auch von unbeweglichen Sachen, bei Wohn- und Gewerberaummietverhältnissen zulässig. Das Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 steht grundsätzlich (Ausnahme: Kündigung von Räumen – OLG Düsseldorf, Urteil v. 9.11.1989, 10 U 37/89, ZMR 1990, 57; OLG Koblenz, RE v. 16.7.1997, 4 W-RE- 602/96, ZMR 1997, 578) selbständig neben den anderen Kündigungsrechten, also auch neben dem Kündigungsrecht aus § 543 Abs. 1 (BGH, Urteil v. 21.12.1977, VIII ZR 119/76, ZMR 1978, 207; BGH, Urteil v. 1.12.1982, VIII ZR 206/81, NJW 1983, 749). Der Vermieter kann jedoch nicht mehr gemäß § 323 wegen Verzugs des Mieters zurücktreten, wenn er die Mietsache bereits dem Mieter überlassen hat; liegen insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 543 vor, kann der Vermieter vielmehr nach Überlassung der Mietsache nur noch nach dieser Vorschrift kündigen (BGH, Urteil v. 10.7.1968, VIII ZR 120/66, BGHZ 50, 312 [315]).

3.2.2 Kündigungsgründe

 

Rz. 44

Die Kündigung kann sowohl darauf gestützt werden, dass der Mieter durch die Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt die Mietsache erheblich gefährdet oder er die Mietsache unbefugt einem Dritten überlässt. Er haftet aber nicht für solche Risiken, die den Räumen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anhaften und die er nicht erkannt hat (KG, Urteil v. 4.12.2017, 8 U 236/16, NZM 2018, 607).

Die Vernachlässigung der dem Mieter obliegenden Sorgfaltspflicht ist eine der zwei Alternativen des entsprechenden Kündigungstatbestands. Weitere Voraussetzung ist bei beiden Alternativen die dadurch bedingte erhebliche Gefährdung der Mietsache. Eine Gefährdung der Mietsache liegt dann vor, wenn sie durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist (LG Berlin, Urteil v. 28.2.2011, 67 S 109/10, ZMR 2011, 873; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 18.1.2012, 2/17 S 90/11, ZMR 2012, 352) oder wenn der Eintritt eines Schadens nach der Sachlage signifikant höher als bei einem vertragsgerechten Verhalten ist (LG Berlin, Beschluss v. 19.1.2018, 66 S 230/17, GE 2018, 393; Schmidt-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 134).

 
Hinweis

Unordentlicher Zustand der Mietwohung

Ein unordentlicher Zustand der Mietwohnung – z. B. in Gestalt des völligen Zustellens sämtlicher Räume der Wohnung überwiegend mit Kleidungsstücken und mit Kleidungsstücken gefüllten Plastiktüten – , ohne konkrete Substanzschäden oder Umstände, die solche unmittelbar erwarten lassen, stellt keine Verletzung der Pflichten aus dem Mietvertrag dar, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung berechtigen würden (LG Karlsruhe, Urteil v. 22.5.2019, 9 S 2/19, WuM 2019, 436; AG Köln, Urteil v. 26.7.2016, 209 C 121/16, WuM 2019, 288).

Zur Sorgfaltspflicht gehören die Obhutspflicht (Dittert/Landvoigt, GE 2005, 468, 469 f.) sowie die Anzeigepflicht gemäß § 536c (vgl. Dittert/Landvoigt, a. a. O., 473). Beide entstehen nicht mit Abschluss des Mietvertrages, sondern erst mit Übergabe der Mietsache. Nutzt der Mieter die Mietsache noch nach Beendigung des Mietverhältnisses weiter, so dauert die Obhutspflicht bis zur tatsächlichen Rückgabe fort (BGH, Urteil v. 10.1.1983, VIII ZR 304/81, NJW 1983, 1049).

Bei mehreren Mietern ist die Sorgfaltspflichtverletzung eines von ihnen ausreichend (Schmidt-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 130).

 

Rz. 44a

Die Gefährdung der Mietsache muss zudem erheblich sein.

 

Rz. 44b

Die Kündigung ist in der Regel nur dann berechtigt, wenn der Mieter schuldhaft seine Sorgfaltspflicht verletzt hat (Schmid-Futterer/Streyl, § 543 Rn. 131). Ist der Mieter schuldunfähig, kann im Einzelfall eine Kündigung bei Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung gerechtfertigt sein.

 

Rz. 44c

Der Mieter muss auch für das Verhalten derjenigen Personen einstehen, denen er den Gebrauch der Mietsache überlassen hat, wie z. B. dem Untermieter. Die Kündigung ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn bei Zugang der Kündigung die Gebrauchsüberlassung an diese – die Obhutspflicht verletzende – Person bereits beendet worden und diese ausgezogen ist (OLG Koblenz, NJW-MietR 1996, 247).

 

Rz. 45

Allein darin, dass der Mieter das gemietete Objekt nicht nutzt, liegt keine kündigungsbegründende Obhutspflichtverletzung (LG Frankfurt/Main, Urteil v. 29.11.1983, 2/11 S 185/83, WuM 1986, 249; AG Hamburg, Urteil v. 4.4.1997, 39a C 432/96, NZM 1998, 477), grundsätzlich auch nicht die Einstellung des Betriebes zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens (BG...

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