Leitsatz (amtlich)

§ 878 BGB ist auf eine Verfügungsbeschränkung nach § 172 Abs. 1 S. 4 und 5 BauGB auch dann nicht entsprechend anzuwenden, wenn der Eintragungsantrag allein wegen einer verzögerten oder fehlerhaften Bearbeitung des Grundbuchamts (oder z.B. auch durch die Baubehörde bei Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung) nicht mehr vor dem In-Kraft-Treten des Genehmigungsvorbehalts vollzogen worden ist (Fortführung von Senat, Beschluss vom 8.12.2015 - 1 W 518/15).

 

Normenkette

BauGB § 172 Abs. 1 Sätze 5-6, 4; BGB § 878; WEG § 8

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte

 

Tenor

Die Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 EUR zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. In notarieller Verhandlung vom 5.1.2016 erklärte die Beteiligte - eingetragene Eigentümerin - die Teilung des im Beschlusseingang genannten Grundstücks nach § 8 WEG (Bl. 229 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 7./12.1.2016 hat sie beantragt, die Teilung im Grundbuch einzutragen und angegeben, die sanierungsrechtliche Genehmigung werde nachgereicht. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 19.1.2016 (Bl. 210 f. d.A.) mehrere Eintragungshindernisse benannt und unter Nr. 3 ausgeführt, es sei keine Sanierungsgenehmigung, aber die Vorlage einer Negativbescheinigung gemäß § 172 BauGB erforderlich. Gleichzeitig hat es die Eintragung von der Zahlung eines Vorschusses von 4.135 EUR und rückständiger Gerichtskosten von 25 EUR abhängig gemacht (Bl. 212 d.A.). Nach Ergänzung der Zwischenverfügung hat die Beteiligte mit Schreiben vom 30.3./1.4.2016 letztmals Urkunden zur Mängelbehebung eingereicht. Am 12.5.2016 hat sie dem Grundbuchamt die Barzahlung von 4.160 EUR Gerichtskosten nachgewiesen (Bl. 304 d.A.); die Justizkasse hatte zuvor Überweisungen (vgl. Bl. 427 f. d.A.) zweimal zurückgebucht.

Nachdem das Grundbuchamt am 20.5.2016 telefonisch auf das noch fehlende Negativzeugnis hingewiesen hatte (Bl. 210R d.A.), hat die Beteiligte mit Schreiben vom 24./25.5.2016 u.a. auf den Beschluss des Senats vom 8.12.2015 - 1 W 680/15 (GE 2016, 124) verwiesen.

Am 25.5.2016 trat die am Vortag verkündete Erhaltungsverordnung "Leopoldplatz" vom 3.5.2016 in Kraft (GVBl. Berlin 2016, 270), in deren Geltungsbereich das Grundstück liegt.

Mit Zwischenverfügung vom 26.5.2016 (Bl. 317 d.A.) hat das Grundbuchamt eine Frist zur Vorlage der Genehmigung nach § 172 BauGB gesetzt. Die Beteiligte hat ein unterschriebenes und gesiegeltes Schreiben des Bezirksamts Mitte vom 26.5.2016 (Bl. 328 d.A.) eingereicht, in dem es heißt, das Grundstück liege nicht "in einem durch Erhaltungssatzung festgelegten Gebiet". Eine Genehmigung nach § 173 BauGB sei daher nicht erforderlich. Es werde darauf hingewiesen, dass für das Gebiet Leopoldplatz am 25.5.2016 die Erhaltungsverordnung vom 3.5.2016 in Kraft getreten sei. Das Grundbuchamt hat mitgeteilt, die Bescheinigung könne nicht verwandt werden. Die Beteiligte hat Beschwerde (Bl. 337 ff. d.A.) gegen die Zwischenverfügung vom 26.5.2016 eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (Bl. 143 bis 440) Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), jedoch nicht begründet. Das mit der angefochtenen Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GBO aufgezeigte Hindernis besteht.

Die Bewilligung des Eigentümers nach § 19 GBO, § 8 Abs. 1 WEG genügt für die beantragte Anlegung der Wohnungsgrundbücher (§ 8 Abs. 2 S. 2 WEG) nicht. Denn die Begründung von Wohnungseigentum (§ 2 WEG) darf gemäß § 1 der Umwandlungsverordnung vom 3.3.2015 (GVBl. Berlin 2015, 43) i.V.m. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 4 und 6, § 22 Abs. 6 S. 1 BauGB nicht ohne die Genehmigung des Bezirksamts Mitte als zuständiger Behörde erfolgen. Die Erhaltungsverordnung vom 3.5.2016 steht einer gemeindlichen Satzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB gleich. In Berlin werden Angelegenheiten, für die nach dem Baugesetzbuch die Gemeinden zuständig sind, von den Bezirken wahrgenommen, § 246 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 1 BerlAGBauGB. An die Stelle der Satzung nach § 172 Abs. 1 BauGB tritt eine vom Bezirksamt zu erlassende Rechtsverordnung, § 246 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 30 S. 1 BerlAGBauGB.

Die Erhaltungsverordnung "Leopoldplatz" ist vom Grundbuchamt zu berücksichtigen, obwohl sie erst nach der Antragstellung vom 12.1.2016 in Kraft getreten ist. Gemäß § 172 Abs. 1 S. 5 BauGB i.V.m. § 135 BGB unterliegt der Eigentümer mit dem In-Kraft-Treten der Verordnung einer relativen Verfügungsbeschränkung (Hügel, GBO, 3. Aufl., Verfb Rn. 55), die das Grundbuchamt von Amts wegen beachten muss, da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis von der Befugnis zur sachenrechtlichen Verfügung über das Eigentum ableitet (BGH, MDR 2013, 701). Entscheidend für die Beurteilung der Verfügungsbefugnis als Grundlage der Bewilligungsbefugnis ist der Zeitpunkt der Eintragung, weil sich erst in diesem die Verfügung über das betroffene Recht verwirklicht (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 Rn. 60 f. m.w.N.).

§ 878 BGB ist nicht anzuwenden (S...

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