Leitsatz (amtlich)

Ein österreichischer Frau-zu-Mann-Transsexueller, dessen Name in Österreich geändert und dessen Geschlecht im dortigen Zentralen Personenstandsregister berichtigt wurde, ist im Rechtssinn Mutter des von ihm in Deutschland geborenen Kindes. Er ist im Geburtenregister als Mutter des Kindes mit seinem aktuell geführten Vornamen und dem Geschlecht "männlich" einzutragen (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14 - FamRZ 2017, 1855; Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2014 - 1 W 48/14 - FamRZ 2015, 683).

 

Normenkette

BGB § 1591 ff.; EGBGB Art. 7, 10, 14, 17b, 19; PStG §§ 21, 49, 51; PStV § 42; TSG §§ 1, 5, 8, 10-11

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 71a III 191/19)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Bei der Beurkundung der Geburt des Beteiligten zu 3 ist dem Beteiligten zu 1 die Nummer "1" zuzuordnen; er ist in dem Datenfeld Nr. 1200 der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 Nr. 1 PStV für die familienrechtliche Bezeichnung als "Mutter", im Datenfeld Nr. 1205 mit den sich aus dem Beschlusseingang ergebenden Vornamen und im Datenfeld Nr. 1220 mit dem Geschlecht "männlich" einzutragen.

Die darüberhinausgehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Der am 22. April 1975 in Wien geborene Beteiligte zu 1 ist österreichischer Staatsbürger. Seine Geburt wurde von dem Standesamt Wien-I ... S ... am 2. Mai 1975 mit dem Vornamen A ... beurkundet. Der Magistrat der Stadt Wien bewilligte mit Bescheid vom 29. März 2010 die Änderung des Vornamens in J ... N ... A .... In seinem am 28. Mai 2010 ausgestellten und bis zum 27. Mai 2020 gültigen Reisepass waren die Vornamen J ... N ... und das Geschlecht "F" vermerkt. Im Jahr 2016 beantragte der Beteiligte zu 1 bei der Botschaft der Republik Österreich in Berlin mit Erfolg die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit. Die Botschaft erteilte ihm am 27. Dezember 2016 einen Auszug aus dem Geburtseintrag, in dem bei der Rubrik Geschlecht "M" vermerkt ist.

Der Beteiligte zu 2 ist deutscher Staatsangehöriger. Er schloss mit dem Beteiligten zu 1 am 10. Juli 2019 vor dem Standesamt N ... von B ... die Ehe.

Der Beteiligte zu 1 gebar am 10. Juli 2019 in Berlin den Beteiligten zu 3. Hierüber stellte die Botschaft der Republik Österreich in Berlin am 21. August 2019 eine Geburtsurkunde aus, in der der Beteiligte zu 1 unter der Rubrik "Mutter/Elternteil" mit den Vornamen J ... N ... A ... und der Beteiligte zu 2 unter der Rubrik "Vater/Elternteil" verlautbart werden. In der Geburtsurkunde zugrundeliegenden Personenstandsregister ist das Geschlecht des Beteiligten zu 1 mit "männlich" vermerkt.

Das Standesamt - der Beteiligte zu 4 - hat Zweifel, mit welchem Vornamen und welcher Geschlechtsangabe der Beteiligte zu 1 in das Geburtenregister einzutragen ist. Über die Beteiligte zu 5 hat er die Sache dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Amtsgericht hat das Standesamt mit Beschluss vom 14. Januar 2020, teilweise berichtigt durch den Beschluss vom 9. Juni 2020, angewiesen, den Beteiligten zu 1 im Geburtenregister unter der Rubrik "Mutter" mit dem Vornamen A ... und dem Geschlecht weiblich einzutragen. Gegen den am 13. Februar 2020 zugestellten Beschluss vom 14. Januar 2020 wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 im eigenen und im Namen des Beteiligten zu 3 mit ihrer Beschwerde vom 10. März 2020, der das Amtsgericht mit weiterem Beschluss vom 9. Juni 2020 nicht abgeholfen hat. Die Beteiligten zu 1 bis 3 streben die Eintragung der "aktuellen Vornamen" des Beteiligten zu 1 möglichst unter "Elternteil 1" oder "Vater 1" im Geburtenregister an.

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht bei dem Amtsgericht erhoben worden, §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64, 65 FamFG, 51 Abs. 1, Abs. 2 HS 2 PStG.

2. Gegenstand des Verfahrens sind allein die von dem Standesamt geäußerten Zweifel zur Eintragung der Angaben zu dem Beteiligten zu 1 im Geburtenregister bei der Beurkundung der Geburt des Beteiligten zu 3. Nur hierüber hat das Amtsgericht auch entschieden. Mit ihrer Beschwerde können die Beteiligten zu 1 bis 3 deshalb keine weiteren, über die von dem Standesamt geäußerten Zweifel hinausgehenden Anweisungen zur Eintragung im Geburtenregister, insbesondere zu dem Beteiligten zu 2 erreichen. Dies wäre einem - weiteren - Verfahren vor dem Amtsgericht vorbehalten, sollte das Standesamt von der Eintragung des Beteiligten zu 2 im Geburtenregister absehen, § 49 Abs. 1 PStG, wofür angesichts dessen Vermerks vom 15. August 2019 (Blatt 23 der standesamtlichen Sammelakten) derzeit aber nichts spricht.

3. Die Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg. Zwar ist der Beteiligte zu 1 im Geburtenregister als Mutter des Beteiligten zu 3 einzutragen, jedoch mit seinen derzeit geführten Vornamen und (männlichem) Geschlecht.

a) Verfahrensrechtlich maßgeblich für Eintragungen in deutschen Personenstandsregistern ist das deutsche Verfahrensrecht, lex fori (Senat, Beschluss vom 21....

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