Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 03.08.2020; Aktenzeichen 298 OWi 398/20)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. August 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen am 3. August 2020 wegen einer fahrlässigen begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anlage I, 4 Abs. 3 Ifd. Nr. 132.3 BKatV, § 24 Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat gemäß § 25 Abs. 1 StVG verurteilt sowie eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet.

Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug die Linksabbiegerspur an der Kreuzung B./F. Straße in ... B., deren Lichtzeichenanlage beim Überfahren der Haltelinie grünes Licht abstrahlte und wechselte im Kreuzungsbereich auf die Geradeausspur in südlicher Richtung, für die die Lichtzeichenanlage bereits mehr als eine Sekunde rotes Licht zeigte.

Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat bereits mit der Verfahrensbeanstandung Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO, das Amtsgericht habe seine Überzeugung auf den nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Ampelphasenplan gestützt, ordnungsgemäß erhoben ist, jedenfalls eröffnet die zugleich erhobene allgemeine Sachrüge dem Senat Zugriff auf die Urteilsgründe.

Daraus ergibt sich, dass das Amtsgericht seine Überzeugung von dem sog. qualifizierten Rotlichtverstoß des Betroffenen auf die Angaben zweier Zeugen, einer in Augenschein genommenen Skizze sowie des in Augenschein genommenen Ampelphasenplans stützt (UA S. 4). Es nimmt auf diesen Plan ausdrücklich wegen der Einzelheiten nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug (vgl. UA S. 3 und 5) und zieht die dortigen Angaben zur Begründung seiner Entscheidung heran (UA S. 5/6).

Phasenpläne über Signalzeiten einer Wechsellichtzeichenanlage sind grundsätzlich im Wege der Einnahme des richterlichen Augenscheins in die Hauptverhandlung einzuführen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. April 2018 - 3 Ws (B) 99/18 -, juris und vom 5. August 1998 - 3 Ws (B) 423/98 -). Der gedankliche Inhalt eines Ampelphasenplans lässt sich durch Verlesung nicht ermitteln, denn die darin enthaltenen zahlen- und Buchstabenreihen sind nicht aus sich heraus verständlich (vgl. Senat, Beschluss vom 24. April 2018, a.a.O.; Mosbacher in Löwe-Rosenberg, StPO 27. Aufl., § 249 Rn. 9). Die Erhebung von Beweisen wie u.a. des Augenscheins ist eine wesentliche Förmlichkeit nach § 273 Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 273 Rn. 7 n.w.N.) und bedarf der Protokollierung nach § 274 StPO.

Da die Urteilsgründe auf den in Augenschein genommenen Ampelphasenplan ausdrücklich Bezug nehmen, diese Beweiserhebung aber ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht erfolgt ist, bedurfte es auch nicht der sonst erforderlichen weiteren Darlegung des Betroffenen, dass die Angaben über die Ampelphase in anderer Form - etwa durch Vorhalt gegenüber den Zeugen - in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind.

Auf die vom Betroffenen darüber hinaus erhobenen Rügen kam es daher nicht mehr an.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf diesem Fehler beruht, war die Entscheidung mit den Feststellungen aufzuheben und nach § 79 Abs. 6 OWiG an das Amtsgericht - auch wegen der Kosten der Rechtsbeschwerde - zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14358528

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