Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung eines Kundenbetreuers während der Freistellung aufgrund eines Aufhebungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Im Falle einer schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten (hier: Transfer einer großen Zahl von Kundendaten eines Bankkundenbetreuers auf seinen Privat- PC) kommt auch bei einem von der Arbeitspflicht bis zum vereinbarten Beendigungstermin freigestellten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB in Betracht. Die mangelnde Wiederholungsgefahr steht dem nicht entgegen, sie ist im Rahmen der Interessenabwägung einzubeziehen (im Anschluss an BAG Urteil vom 05. April 2001 - 2 AZR 217/00).

 

Normenkette

BGB §§ 626, 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.12.2010; Aktenzeichen 4 Ca 5416/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2010 - 4 Ca 5416/10 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der im Jahre 1974 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit Oktober 2008 als Firmenkundenbetreuer bei der beklagten Bank, seit dem 01. April 2009 als Abteilungsdirektor mit Prokura beschäftigt. Sein monatliches Bruttogrundgehalt belief sich auf 6.000,00 € brutto.

Am 11. und 16. Juni 2010 unterzeichneten die Parteien einen Aufhebungsvertrag, in dem sie u.a. vereinbarten:

- die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010,

- die unwiderrufliche Freistellung des Klägers von seiner Arbeitspflicht ab dem 01. Juli 2010,

- die Weiterzahlung der Vergütung einschließlich des 13. Monatsgehalts,

- für das Geschäftsjahr 2009/2010 eine fixierte variable Vergütung in Höhc von 16.000,00 € zuzüglich einer Sonderzahlung in Höhe von 2.500,00 € wegen der Vermittlung eines neuen Kunden,

- die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 18.374,00 €,

- die Möglichkeit einer früheren Beendigung durch den Kläger, wodurch sich die Abfindung um 50% der ansonsten bis zum 31. Dezember 2010 zu zahlenden Vergütung erhöht,

- in § 7 Abs. 1 die Verpflichtung des Klägers, "spätestens zum Endtermin [...] sämtliche der Bank gehörenden Daten und Unterlagen (einschließlich Adresslisten, Kundendateien etc.) [...] vollständig an die Bank zurückzugeben" Dasselbe sollte "für Kopien von Daten und Unterlagen der vorbezeichneten Art" gelten.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vertrags wird auf Bl. 79 - 82 d.A. verwiesen.

Am 29. Juni 2010 von 14.30 Uhr bis 19.01 Uhr und am 30. Juni 2010 von 11.41 Uhr bis 18.19 Uhr übermittelte der Kläger insgesamt 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1.660 Dateianhängen an sein privates E-Mail-Postfach bei gmx.de. Dabei handelte es sich unstreitig überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter

- Kontaktdaten der vom Kläger und anderen Personen betreuten Kunden,

- Unterlagen für die Vorbereitung von Kundenbesuchen und Besuchsberichte,

- so genannte Bankenspiegel (Dokumente, in denen die einem Unternehmen von verschiedenen Banken eingeräumten Kreditlinien bzw. in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden),

- so genannte SWOT-Analysen (Analysen der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken eines Unternehmens in Form einer knappen, aber detaillierten Aufstellung,

- Planungsunterlagen zur kundenseitigen Unternehmensplanung sowie Organigramme,

- Kreditanträge und Kreditverträge.

Wegen der gesamten Dateianhänge und ihrer Inhalte wird auf die von der Beklagen als Anlage KV 4 zur Klageerwiderung zu den Akten gereichte Aufstellung (Bl. 83 - 129 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte erhielt am 07. Juli 2010 durch die ermittelnde Datenschutzkommission Kenntnis von diesem Datentransfer. Ihr Vorstandsvorsitzender wurde bereits am 08. Juli 2010 hierüber informiert.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2010, ergänzt am 16. Juli 2010, hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung an. Wegen des Inhalts der Anhörungsschreiben wird auf Bl. 149 - 156 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 19. Juli 2010 zu.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2010, wegen dessen Inhalt auf Bl. 4 d.A. Bezug genommen wird, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Dieser bot der Beklagten daraufhin an, die transferierten Daten unverzüglich in Anwesenheit eines Vertreters der Beklagten zu löschen.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 09. August 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Durch schriftliche Erklärung vom 02. September 2010 hat der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2010 beendet. Er arbeitet seitdem als Firmenkundenbetreuer für die Landesbank A.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB läge nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die seitens der Beklagten mit...

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