Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechenbarkeit von Tariflohnverhandlungen in Form von Einmalzahlungen auf übertarifliche Zulagen. ERA-Strukturkomponente. Anrechenbarkeit. Tariferhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

Die „ERA-Strukturkomponente” nach § 5 des Entgelttarifvertrages für die hessische Metallindustrie ist wegen der im vorliegenden Fall vereinbarten Anrechnungsklausel auf eine übertarifliche Lohnzulage anrechenbar.

 

Normenkette

BGB § 151

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 24.03.2004; Aktenzeichen 1 Ca 532/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 24.03.2004 – 1 Ca 532/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zur Anrechnung übertariflicher Zulagen auf tarifliche Einmalzahlungen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Eisen- und Metallindustrie; in ihrem Betrieb in Neustadt ist ein Betriebsrat gebildet. Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Lohn, den die Beklagte an den Kläger zahlt, setzt sich zusammen aus dem tariflichen Grundlohn, einer tariflichen Leistungszulage und einer freiwilligen übertariflichen Zulage (vgl. Bl. 57 d.A.). Hinsichtlich der übertariflichen Zulage gilt folgende Regelung:

„Soweit übertarifliche Verdienstbestandteile bestehen, handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufbare Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährleistung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Die Leistungen können jederzeit ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen angerechnet oder widerrufen werden.”

Am 31.03.2000 vereinbarten die Tarifvertragsparteien das Abkommen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen. In der Folgezeit verhandelten die Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines gemeinsamen Entgelttarifvertrages für Arbeiter und Angestellte (ERA). Am 18.04.2002 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf die zukünftigen Entgeltgruppen des zukünftigen ERA. Am 28.05.2002 kam es zum Abschluss des Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende für die Hessische Metallindustrie. Dabei vereinbarten die Tarifvertragsparteien, bis zum 31.12.2003 den ERA abzuschließen. Sie waren sich darüber einig, dass die mit der Einführung des ERA verbundenen systembedingten Mehrkosten von 2,79 % durch ERA-Strukturkomponenten im Rahmen allgemeiner Tariferhöhungen kompensiert werden sollten. Im Hinblick darauf vereinbarten die Tarifvertragsparteien weiter, dass sich das Tariferhöhungsvolumen jeweils auf zwei Komponenten verteilt, nämlich auf die lineare Erhöhung und die ERA-Strukturkomponente. Vom Tariferhöhungsvolumen per 01. Juni 2002 in Höhe von 4 % entfällt 3,1 % auf die lineare Erhöhung und 0,9 % auf die ERA-Strukturkomponente; vom Tariferhöhungsvolumen per 01. Juni 2003 in Höhe von 3,1 % entfällt 2,6 % auf die lineare Erhöhung der Löhne und Gehälter und 0,5 % auf die ERA-Strukturkomponente. Nach § 5 des Tarifvertrages vom 28.05.2002 ist die ERA-Strukturkomponente in drei „Einmalzahlungen” an die Mitarbeiter zu erbringen, und zwar im Juli 2002 für den Zeitraum vom 01. Juni bis 31. Dezember 2002, im April 2003 für den Zeitraum vom 01. Januar bis 31. Mai 2003 und im September 2003 für den Zeitraum vom 01. Juni bis 31. Dezember 2003. Dabei richtet sich die Höhe der Zahlung nach der Länge des Zeitraums und der Höhe des in diesen Zeitraum fallenden Entgelts (Lohn/Gehalt, Jahressonderzahlungen und Urlaubsgeld). Die Tarifvertragsparteien waren sich weiter darüber einig, dass die Strukturkomponente nach dem Zeitraum, für die sie als Einmalzahlung gezahlt wird, zum Zwecke der ERA-Einführung bereitgestellt wird (betrieblicher ERA-Anpassungs-Fonds); weiter bestand Einigkeit darüber, dass durch die Tarifvereinbarung vom 28.05.2002 erst 1,4 Prozentpunkte der ERA-Mehrkosten von 2,79 % überbrückt sind. Für den Fall, dass es bis zum 31.12.2003 nicht zum Abschluss des ERA kommen sollte, vereinbarten die Tarifvertragsparteien, die Entgelttabellenwerte zur nächsten Tarifperiode um 1,3654 % zu erhöhen und die so erhöhten Werte zur Basis weiterer Erhöhungen der Entgelte zu machen.

Für den Kläger berechnet sich die ERA-Strukturkomponente für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.05.2003 auf EUR 73,95 und für den Zeitraum vom 01.06. bis 31.12.2003 auf EUR 69,64 brutto. Diesen Betrag zahlte die Beklagte nicht aus, sondern verrechnete ihn mit einer unstreitig mindestens in dieser Höhe gezahlten übertariflichen Zulage.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 143,59 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe zulässigerweise von ihrer individualr...

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