Leitsatz

  1. Grundsätzlich keine Verlängerung der gesetzlichen Begründungsfrist für eine Beschlussanfechtungsklage
  2. Ausnahme: Einräumung einer Fristverlängerung durch das AG
  3. Auf denselben Sachverhalt gestützte Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe eines angegriffenen Eigentümerbeschlusses betreffen keine unterschiedlichen Streitgegenstände und verfolgen materiell dasselbe Ziel
 

Normenkette

§§ 23 Abs. 6, 46 Abs. 1 Satz 2 WEG; §§ 224, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO; § 246 AktG

 

Kommentar

  1. Eine Verlängerung der Begründungsfrist einer Beschlussanfechtung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG sieht das Gesetz nicht vor. Nach Rechtsprechung des BGH handelt es sich bei den Fristen des § 46 Abs. 1 WEG um materiell-rechtliche Ausschlussfristen (analog auch zur aktienrechtlichen Anfechtungsklage nach Gesetzesbegründung, vgl. NZM 2006 S. 401, 422). Es muss deshalb in der Begründung einer Beschlussanfechtung zumindest der wesentliche tatsächliche Kern der Argumente vorgetragen werden, auf die sich eine Anfechtung stützt. Damit ist auch ein Nachschieben von neuen Gründen nach Ablauf der Begründungsfrist ausgeschlossen, da alsbald Klarheit herrschen soll, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen Grundlage die gefassten Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden (vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 16.1.2009, V ZR 74/08, NZM 2009 S. 199).

    Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristsäumnis kann hier auch nach der Gesetzesbegründung nur in begründeten Ausnahmekonstellationen zum Tragen kommen.

  2. Wenn allerdings ein Amtsgericht noch vor entsprechender Senatsrechtsprechung einem Kläger eine Fristverlängerung eingeräumt hat, darf auch eine Partei davon ausgehen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist (vgl. etwa BGH, NJW 2004 S. 1460). Dies gilt nur dann nicht, wenn eine Verlängerung schlechthin und offensichtlich ausgeschlossen war (vgl. Senat, NJW-RR 2008 S. 146). Im vorliegenden Fall war von einem solchen offensichtlichen Ausschluss der Fristverlängerung nicht auszugehen. Aus diesem Grund war die Revision auch begründet, und die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  3. Wurden Fristen des § 46 Abs. 1 WEG tatsächlich versäumt, kann eine Klage nur noch aus Nichtigkeitsgründen gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG Erfolg haben. Sind allerdings – wie vorliegend – Fristen auch zur Beschlussanfechtung gewahrt, muss ein Gericht lediglich prüfen, ob ein Rechtsverstoß vorliegt, der den Bestand eines angefochtenen Beschlusses berührt. Ob der Rechtsfehler als Nichtigkeits- oder als Anfechtungsgrund zu qualifizieren ist, spielt in solchen Fällen keine Rolle. Der Streitgegenstand ist insoweit der gleiche und verfolgt auch das gleiche Ziel einer Beschlussungültigkeit (a.A. Wenzel in Bärmann § 46 Rn. 77). Auch in einer Anfechtungsklage kann daher ohne Antragsumstellung die Nichtigkeit eines Beschlusses ausgesprochen werden, auch wenn ein Antrag seinem Wortlaut nach (nur) darauf gerichtet war, einen Beschluss für ungültig erklären zu lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dem Tenor einer Entscheidung konstitutive oder nur deklaratorische Wirkung zugesprochen wird; soweit der Senatsentscheidung vom 2.10.2003 (NZM 2003 S. 946) etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht weiter festgehalten.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 2.10.2009, V ZR 235/08, NZM 2009 S. 864.

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