Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung von Steuerverbindlichkeiten gegen Vergütungsansprüche eines Rechtsanwalts nach § 55 RVG erst nach rechtskräftigem Abschluss des Festsetzungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 226 Abs. 3 AO soll verhindern, dass die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Vorschützen von ungewissen oder zweifelhaften, womöglich erst einer längeren Aufklärung und Feststellung bedürftigen Gegenforderung aufgehalten wird.

2. Soweit für die Feststellung der Gegenforderung und der Hauptforderung verschiedene Behörden zuständig sind, muss der aufrechnende Steuerpflichtige darlegen, dass die Gegenforderung entweder rechtskräftig festgestellt oder unbestritten ist. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach Forderungen deshalb als unstrittig gelten, weil der Fordernde Organ der Rechtspflege ist oder weil er die Unstreitigkeit behauptet.

3. Eine Forderung, die in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird, kann erst dann als unbestritten gelten, wenn zumindest das Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG durch Beschluss abgeschlossen wurde; rechtskräftig festgestellt ist sie, soweit ein Rechtsmittel nicht mehr erhoben werden kann bzw. eine rechtskräftige Entscheidung im Erinnerungs-/Beschwerdeverfahren gem. § 56 RVG erfolgt ist.

 

Normenkette

AO § 226 Abs. 3; RVG §§ 55-56; BGB § 387

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Klägerin mit Rechtsanwaltsvergütungsforderungen gemäß § 55 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG), für deren Festsetzung der Beklagte nicht zuständig ist, gegen Umsatzsteuerforderungen des Beklagtes aufrechnen durfte und ob in diesem Zusammenhang Säumniszuschläge entstanden sind.

Die Klägerin hat gegen Forderungen wegen Umsatzsteuervorauszahlung für April bis November 2014, Umsatzsteuersondervorauszahlung 2015, Umsatzsteuervorauszahlung Januar bis November 2015, Umsatzsteuersondervorauszahlung 2016 sowie Umsatzsteuervorauszahlung Januar und Februar 2016 die Aufrechnung mit gegen die Landeskasse gerichteten Vergütungsforderungen als beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte jeweils bestehend aus diversen Einzelpositionen erklärt. Den Aufrechnungserklärungen waren Beschlüsse über die Bestellung von Rechtsanwälten der Klägerin als notwendige Verteidiger, Berechtigungsscheine über Beratungshilfe und Kostenerstattungsanträge an Gerichte beigefügt.

Daraufhin hat der Beklagte folgende Abrechnungsbescheide erlassen:

Hauptforderung

Abrechnungsbescheid vom

Umsatzsteuervorauszahlung April 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Mai 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Juni 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Juli 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung August 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Sept. 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Oktober 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Nov. 2014

15. Oktober 2015

Umsatzsteuersondervorauszahlung 2015

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Januar 2015

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Februar 2015

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung März 2015

15. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung April 2015

8. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Mai 2015

7. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Juni 2015

1. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Juli 2015

28. September 2015

Umsatzsteuervorauszahlung August 2015

22. Oktober 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Sept. 2015

18. November 2015

Umsatzsteuervorauszahlung Okt. 2015

22. Januar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung Nov. 2015

22. Januar 2016

Umsatzsteuersondervorauszahlung 2016

8. Februar 2016 (keine Säumniszuschläge)

Umsatzsteuervorauszahlung Januar 2016

22. Januar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung Februar 2016

15. April 2016

In den jeweiligen Abrechnungsbescheiden wurden die Aufrechnungserklärungen gestützt auf § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) insoweit als nicht wirksam zurückgewiesen und die Gegenforderungen nicht anerkannt, als von den zuständigen Gerichten nach Überprüfung der Kostenerstattungsanträge keine Zahlungen beim Beklagte eingegangen sind, bzw. es wurde ohne weiteres Abwarten der Reaktionen der zuständigen Gerichte zeitnah in der Sache zu Ungunsten der Klägerin entschieden.

Zugleich stellte der Beklagte jeweils – mit Ausnahme der Umsatzsteuersondervorauszahlung 2016 – fest, dass Säumniszuschläge verwirkt seien.

Die dagegen von der Klägerin jeweils frist- und formgerecht eingelegten Einsprüche wie auch die gleichzeitig gestellten Anträge auf Herabsetzung der Säumniszuschläge auf 0 EUR wurden vom Beklagte wie folgt zurückgewiesen:

Abrechnungsbescheid wegen

Einspruchsentscheidung vom

Umsatzsteuervorauszahlung April 2014

12. Februar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung Mai 2014

15. Januar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung Juni 2014

20. Januar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung Juli 2014

15. Januar 2016

Umsatzsteuervorauszahlung August 2014

15. Janua...

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