Die nachfolgende Anmerkung beschränkt sich auf die Aspekte der Zwangsversteigerung zur Auseinandersetzung einer Gemeinschaft, die sog. Teilungsversteigerung gem. §§ 180 ff. ZVG. Die Entscheidung vom 16.11.2022 bringt die erhoffte Klarheit für die Praxis, wie (nicht nur) vor Rechtskraft der Ehescheidung mit Teilungsversteigerungsverfahren umzugehen ist.

Auslöser der streitgegenständlichen Thematik war die Entscheidung des Hanseatischen OLG vom 28.7.2017 (12 UF 163/16), welche zu erheblicher Unruhe geführt hatte. Sie stützte sich fälschlicherweise, wie die vorliegende Entscheidung zutreffend bestätigt, auf den Beschluss des BGH vom 28.9.2016 (XII ZB 487/15), mit der der BGH § 1361b BGB gegenüber dem Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB den Vorrang eingeräumt hatte. Der BGH hat zwischenzeitlich unter dem 10.3.2021 (XII ZB 243/20) zu § 1568a BGB entschieden, dass dieser Vorrang auch bei dieser Vorschrift zu berücksichtigen ist und theoretisch noch bis 1 Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung wirken kann.

Auf die Entscheidung des Hanseatischen OLG folgten unter anderem Entscheidungen des OLG Jena vom 30.8.2018 (1 UF 38/18), des OLG Stuttgart vom 29.10.2020 (15 UF 194/20), des OLG Dresden vom 4.11.2021 (23 UF 259/21) und vorliegend des OLG Frankfurt vom 17.2.2022 (6 UF 135/21), die die Thematik deutlich differenzierter betrachtet haben und sich an dem Schrankenkatalog, unter anderem in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 180 Abs. 2 ZVG, insbesondere aber den §§ 1353, 242 BGB orientiert und eine Interessenabwägung vorgenommen haben. Der gegen die Entscheidung des OLG Hamburg weitestgehend einheitlich erhobenen massiven Kritik sowie den differenzierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte folgt der BGH im Wesentlichen.

Die Entscheidung stellt heraus, dass die Teilungsversteigerung ein formelles Vollstreckungsverfahren ist, in dem in der Regel unmittelbar keine materiell-rechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können, vorrangig nur die Rechte, die aus dem Grundbuch ersichtlich sind (§ 28 Abs. 1 ZVG). Hierzu zählen auch die gemäß § 28 Abs. 2 ZVG dem Gericht bekannten Vollstreckungshindernisse. Wendet sich ein Miteigentümer aus anderen Gründen gegen den Antrag auf Teilungsversteigerung, ist in der Regel die Drittwiderspruchsklage über § 771 ZPO der richtige Weg. In Betracht kommen regelmäßig § 1365 BGB bzw. §§ 1353, 242 BGB oder § 765a ZPO. Die erste Regelung schützt die güterrechtlichen Schranken bis zur Rechtskraft der Ehescheidung, sofern derjenige, der die Teilungsversteigerung beantragt, über kein wesentliches anderweitiges Vermögen verfügt.

In den Fokus rücken für die vorliegende Entscheidung die §§ 1353 und 242 BGB, dort im Kern das Rücksichtnahmegebot. Hierbei hebt die Entscheidung hervor, dass die Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 749 Abs. 1 ZPO jederzeit aufgehoben werden kann. Der Weg führt über § 753 BGB, § 869 ZPO sowie § 180 ZVG bis zur Verteilung des Erlöses.

Diesen Ansprüchen steht mit den §§ 1353 und 242 BGB ein ausreichendes Schrankensystem gegenüber, so dass anders als bei der Entscheidung vom 28.9.2016 zu § 985 BGB gerade nicht der speziellen Schutzwirkung des § 1361b BGB Vorrang eingeräumt werden muss.

Dieses Schrankensystem wurde bereits in der bisherigen Rechtsprechung mit vielfältigen Aspekten ausgestaltet, u.a.:

Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs,
ehefeindliches Verhalten, Druckmittel,
nacheheliche Solidarität,
gesundheitliche Gründe,
nicht zuletzt Kinderschutzaspekte, die im Übrigen in § 180 Abs. 3 ZVG ohne Befristung eine Einstellungsregelung gefunden haben.

Der BGH betont, dass sich aus und wegen dieses Schrankensystems gerade nicht der Rechtssatz ableiten lässt, dass die Einleitung der Teilungsversteigerung bis zur Rechtskraft der Ehescheidung stets unzulässig sei.

Vorliegend sind die Rücksichtnahmepflichten wechselseitig zu betrachten, d.h. in Bezug auf die Person des betreibenden Ehegatten ebenso, wie in Bezug auf die Position des Antragsgegner-Ehegatten. Auch in der Person des betreibenden Ehegatten müssen dessen Belange und Beweggründe beachtet werden, da er grundsätzlich ein Recht auf eine Verwirklichung seiner vermögensrechtlichen Ansprüche habe. In Betracht kommen auf seiner Seite u.a. ökonomische Aspekte in Form einer Reduzierung von Belastungen, insbesondere, wenn er auf den Erlös aus der Verwertung der Immobilie angewiesen ist.

Im Rahmen der Teilungsversteigerung sind damit keine familienrechtlichen Spezialvorschriften – wie § 1361b BGB oder § 1568a BGB – zu berücksichtigen, denen Vorrang eingeräumt werden müsste. Darüber hinaus sei das Verhältnis von Art. 6 Abs. 1 zu Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, woraus sich ebenfalls eine am Einzelfall orientierte Interessenabwägung ableitet. Nicht zuletzt sei hierbei zu berücksichtigen, dass auch eine Veräußerung eines Miteigentumsanteils oder des Alleineigentums jederzeit möglich ist, soweit § 1365 BGB dem nicht entgegensteht. Auch sei der Schutz des räumlich gegenständlichen Bereichs nicht endlos zu gewähren.

Darüber ...

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