Leitsatz (amtlich)

1. Ein Teilungsversteigerungsantrag während der Trennungszeit ist nicht generell ausgeschlossen.

2. Dem Schutzzweck des § 1361b BGB wird auch eine im Einzelfall gebotene interessengerechte Abwägung im Rahmen des aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB folgenden Rücksichtnahmegebots gerecht.

3. Dem in der Wohnung verbliebenen Miteigentümer bleibt es auch während eines laufenden Teilungsversteigerungsverfahrens unbenommen, einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung nach § 1361b BGB zu stellen.

 

Normenkette

BGB § 1353 Abs. 1 S. 2, § 1361b Abs. 1, § 1568a; ZPO § 771; ZVG §§ 57a, 180

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Beschluss vom 17.08.2020; Aktenzeichen 5 F 1113/19)

 

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren.

Die Beteiligten sind getrennt lebenden Eheleute. Aus ihrer Ehe ist die am ... 2011 geborene Tochter S. hervorgegangen. Der Scheidungsantrag ist am 22.12.2017 zugestellt worden. Die Beteiligten sind Miteigentümer der Immobilie F. in S.. Der Antragsteller betreibt die Teilungsversteigerung hinsichtlich der gemeinsamen Immobilie. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 05.02.2019 (Az. 3 K ...) ist die Zwangsversteigerung angeordnet worden (Bl. 40 - 42 d.A.). Mit Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Stuttgart-Bad Cannstatt vom 02.09.2019 ist ein auf § 180 Abs. 3 ZVG gestützter Einstellungsantrag der Antragstellerin vom 25.02.2019 wegen Gefährdung des Wohls des Kindes S. zurückgewiesen worden.

Die Antragstellerin begehrt die Unzulässigerklärung der Zwangsversteigerung. Zunächst hatte sie ihren Drittwiderspruchsantrag auf ihre fehlende Zustimmungserklärung nach § 1365 BGB gestützt. Angesichts einer weiteren werthaltigen Immobilie, deren Alleineigentümer der Antragsgegner ist, hat sie ihren Antrag mit einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots begründet. Ein Teilungsversteigerungsantrag vor Rechtskraft der Scheidung sei unzulässig. Der Antragsgegner ist dem Begehren der Antragstellerin entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 17.08.2020 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Stuttgart-Bad Cannstatt den Antrag abgewiesen. Auch vor Rechtskraft der Scheidung sei die Teilungsversteigerung möglich. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liege nicht vor.

Mit ihrem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren begehrt die Antragstellerin nach wie vor die Unzulässigerklärung der angeordneten Teilungsversteigerung, da diese vor Rechtskraft der Scheidung nicht betrieben werden könne.

II. Der Drittwiderspruchsantrag der Antragstellerin nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 771 ZPO (zur Zulässigkeit BGH FamRZ 2017, 1602 Rn. 21 und 24), mit dem sie die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft betreffend des in S. belegenen Grundstücks begehrt, weist keine Erfolgsaussicht auf.

Ein Teilungsversteigerungsantrag während der Trennungszeit ist nicht generell ausgeschlossen.

Der Senat ist der Ansicht, dass sich der Entscheidung des BGH vom 28.09.2016 (Az. XII ZB 487/15, FamRZ 2017, 22) eine generelle Beschränkung des Verfügungsrechts des (Mit-)Eigentümers nicht entnehmen lässt. In dieser Entscheidung hat der BGH ersichtlich darauf abgestellt, dass die Ehewohnung in der Trennungszeit durch ein dingliches Herausgabeverlangen nach § 985 BGB nicht ihren Charakter als Ehewohnung verliert. Vielmehr ist vorrangig auf den Schutzzweck des § 1361b BGB abzustellen, der nicht "unterlaufen" werden dürfe. Soweit das OLG Hamburg (FamRZ 2017, 1829; im Ergebnis zustimmend BeckOGK/Erbarth, § 1353 Rn. 376, ders. NZFam 2018, 34; ablehnend Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl., § 1568a BGB Rn. 13; Münch-KommBGB/Koch, 8. Aufl., § 1365 Rn. 60; Grandel/Breuers in jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1353 Rn. 52; Wever FamRZ 2019, 504, 506; Kogel FamRB 2019, 411, 413; Götsche FuR 2018, 513; Mast FamRB 2018, 5; Engels Rpfleger 2017, 277) in Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben auch eine Sperre für ein Teilungsversteigerungsverfahren folgert, vermag der Senat diesem rigiden Ansatz nicht zu folgen.

Der BGH stellt in seiner Entscheidung vornehmlich darauf ab, dass sich den Regelungen über den Schutz der Ehewohnung eine Sperrwirkung gegenüber Herausgabeansprüchen aus anderem Rechtsgrund entnehmen lässt. Den Interessen des Eigentümer-Ehegatten wird hinreichend Rechnung getragen, entweder durch eine Vergütungsregelung über § 1361b Abs. 3 BGB, ggf. als durch Anrechnung auf den Trennungsunterhalt, oder aber über die Möglichkeit eines Antrages auf Zuweisung der Ehewohnung an den dinglich berechtigten Ehegatten. Ein generelles Veräußerungsverbot, welches ohnehin nur innerhalb des Verfahrens nach § 1361b BGB in Betracht zu ziehen wäre (zu den jeweils vertretenen Auffassungen vgl. im Einzelnen Wever FamRZ 2020, 417, 418 Fußn. 2), bzw. ein Verbot ...

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