Der BGH muss ebenfalls vermögensrechtliche, namensrechtliche und aufenthaltsrechtliche Zwecke, die im Rahmen einer Erwachsenenadoption eine Rolle spielen, in die Prüfung der sittlichen Rechtfertigung der Annahme einordnen. Probleme bereitet dies dann, wenn noch kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Hier soll die sittliche Rechtfertigung der Adoption eine zusätzliche Adoptionsvoraussetzung bilden. Das soziale Familienband ("künstliches" Kindschaftsverhältnis) soll dem natürlichen Kindschaftsverhältnis möglichst nachgebildet sein. Auch insoweit ergeben sich Probleme nicht nur durch die neuen Familienformen, sondern bei der Volljährigenadoption bereits aus dem auch bei natürlicher Elternschaft bestehenden eher "weniger intensiven" und schwer definierbaren Eltern-Kind-Verhältnis. Das Kriterium des natürlichen Altersunterschiedes[18] und die bisher eher umstrittene Frage der noch bestehenden intakten Beziehung zu den leiblichen Eltern lassen sich objektiv nachweisen. Im Hinblick auf die Mehr-Elternschaften bei schwulen und lesbischen Paaren ist allerdings das zweite Kriterium, das der BGH (Rn 33) nunmehr abweichend von einigen Obergerichten[19] bejaht, eher kritisch zu sehen. Schwierig ist der Nachweis der "dauernden seelisch-geistigen Verbundenheit" zwischen den (Adoptiv-)Eltern und dem Kind. Die Bereitschaft zu gegenseitigem und uneigennützigem Beistand als weiteres Kriterium kann, wenn Eltern finanziell noch nichtselbstständige Kinder unterstützen, relativ leicht nachgewiesen werden (Kontoauszüge mit Überweisungen von Rechnungen der Kinder, Onlinebestellungen über den Account der Eltern etc.). Der Gesetzgeber hat selbst umgekehrt anerkannt, dass die finanzielle Unterstützung von volljährigen Kindern für ihre Eltern in der Bevölkerung mehrheitlich keinen Rückhalt hat.[20] Die seit der Herabsetzung der Freibeträge in der Steuerklasse II bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer steigenden Adoptionsverfahren belegen, dass vielfach – auch bei Bestehen eines intensiven Kontakts samt Verantwortungsübernahme – die zusätzliche Adoption allein steuerliche Gründe hat. Auch von Steuerberatern wird sie empfohlen.[21] Ausländerrechtlich dürften die Probleme bei einer Erwachsenenadoption, was der rechtliche Berater im vorliegenden Fall wohl übersehen hat, weniger gravierend sein, da mit ihr auch bei einer nachgeholten Minderjährigenadoption kein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbunden ist (§ 6 S. 1 StAG). Lediglich die Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG kann ausländerrechtlich eine Rolle spielen.

[19] OLG Nürnberg FamRZ 2016, 315; OLG München FamRZ 2018, 1238; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.5.2017 – 4 U 208/16; anders OLG Stuttgart FamRZ 2015, 592; OLG Bremen FamRZ 2017, 722; OLG Nürnberg FamRZ 2015, 517; OLG Stuttgart MDR 2019, 354.
[20] § 94 Abs. 1a SGB XII i.d.F. des Angehörigen-Entlastungsgesetzes v. 10.12.2019, BGBl 2019 I, S. 2135.
[21] Vgl. F.A.Z. v. 22.11.2007, Nr. 272, S. 22: "Adoption hilft Steuern sparen".

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