Leitsatz (amtlich)

Die sittliche Rechtfertigung für die Annahme eines Volljährigen ist Gegenstand einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Entscheidender Anlass für die Annahme muss ein familienbezogenes Motiv sein. Verbleiben nach Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände begründete Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung ist der Adoptionsantrag abzulehnen.

 

Normenkette

BGB § 1767

 

Verfahrensgang

AG Fürth (Beschluss vom 19.02.2014; Aktenzeichen 206 F 1813/13)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Annehmenden gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Fürth vom 19.2.2014 (Az. 206 F 1813/13) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Annehmende zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird in Abänderung der Ziff. II der Entscheidung des AG Fürth vom 19.2.2014 für beide Rechtszüge auf 500.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens ist die Erwachsenenadoption der Anzunehmenden L., geb ... 1952 durch die Annehmende S., geb ... 1936.

Die Annehmende ist deutsche Staatsangehörige und seit April 2013 verwitwet. Sie ist kinderlos. Die Anzunehmende ist ebenfalls deutsche Staatsangehörige. Sie ist gleichfalls verwitwet und hat einen Sohn A. L., geb ... 1977.

Die Annehmende und die Anzunehmende beantragten mit notarieller Urkunde der Notarin X. vom 30.10.2013 die Annahme der L. durch S. als Kind auszusprechen. Sie erklärten, zwischen ihnen bestehe ein Eltern-Kind-Verhältnis.

Mit Beschluss vom 19.2.2014 wies das AG - Familiengericht - Fürth den Antrag der Beteiligten zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es bestünden Zweifel, ob tatsächlich zwischen der Annehmenden und der Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. Die Annehmende sei die Tante der Anzunehmenden. Zudem bestehe zwischen der Annehmenden und der Anzunehmenden kein angemessener Altersabstand. Die Anzunehmende gehöre einer zwar nicht mehr vollständigen, aber intakten Familie an.

Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 1.3.2014 zugestellte Entscheidung hat die Annehmende mit Anwaltsschriftsatz vom 26.3.2014, eingegangen beim AG Fürth am 27.3.2014, Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Ziel, die Adoption auszusprechen, weiter verfolgt. Die Anzunehmende hat kein Rechtsmittel eingelegt.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Annehmenden beantragt:

1. Der Beschluss des AG Fürth, Familiengericht, vom 19.2.2014 im Verfahren 206 F 1813/2014 wird abgeändert.

2. Die Annahme der Anzunehmenden L. durch die Annehmende S. als volljähriges Kind wird genehmigt.

Die Annehmende ist Alleineigentümerin eines Einfamilienhauses, das einen Verkehrswert von ca. 350.000 EUR hat. Sie bezieht eine monatliche Altersrente i.H.v. 3.715 EUR abzgl. 375,55 EUR Krankenversicherung.

Die Anzunehmende ist Eigentümerin einer Doppelhaushälfte. Das Anwesen hat einen Wert von etwa 350.000 EUR. Die Annehmende bezieht monatliche Einkünfte i.H.v. ca. 1.700 EUR.

Die Annehmende hat im Termin vor dem OLG Nürnberg am 17.7.2014 erklärt, dass Grund für die Annahme sei, dass sie für den Fall der Pflegebedürftigkeit abgesichert sein wolle. Finanzielle Gründe, insbesondere erbschaftssteuerrechtliche Gründe stünden nicht im Vordergrund.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 17.7.2014 Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Annehmenden ist zulässig, §§ 58 ff., 63 FamFG.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Denn das Familiengericht Fürth hat den Adoptionsantrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Die formellen Voraussetzungen für die beantragte Volljährigenadoption liegen vor. Die Anträge der Annehmenden und der Anzunehmenden sind in der erforderlichen notariellen Form gem. §§ 1767 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB gestellt worden.

2. Nach Auffasssung des Senats sind hingegen die materiellen Voraussetzungen für die beantragte Annahme als Kind nicht erfüllt.

Gemäß § 1767 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB kann ein Volljähriger dann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. § 1767 Abs. 1 Halbs. 2 BGB bestimmt, dass die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind insbesondere dann anzunehmen ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 131). Anderenfalls muss bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung für die Zukunft zu erwarten sein (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 546 m.w.N.).

Bei dem Begriff der "sittlichen Rechtfertigung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Es kommt für dessen Bejahung hauptsächlich auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, d.h. eines sozialen Familienverbandes und einer emotionalen Verbundenheit untereinander an, das seinem Inhalt nach der durch die natürliche Abstammung geschaffenen familiären Bindung ähnelt. Unter erwachsenen Personen ist dies wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand...

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