Leitsatz (amtlich)

Zur sittlichen Rechtfertigung einer Erwachsenenadoption im Verhältnis von Onkel und Nichte.

 

Normenkette

BGB § 1767

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Beschluss vom 05.02.2015; Aktenzeichen 202 F 1914/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Anzunehmenden und des Annehmenden wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Regensburg vom 5.2.2015 abgeändert.

2. Die anzunehmende A., geb ..., geb. am ... 1988, wohnhaft H.,... D. wird von dem Annehmenden B., geb ... 1959, wohnhaft H.,... D. als Kind angenommen.

3. Gebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

4. Der Gegenstandswert für das Verfahren erster und zweiter Instanz wird auf 250.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die im Jahr 1988 geborene Anzunehmende und der im Jahr 1959 geborene Annehmende, die beide deutsche Staatsangehörige sind, haben mit notarieller Urkunde vom 17.10.2014 (URz ... des Notars C.) die Annahme als Kind beantragt.

Das Familiengericht hat den Adoptionsantrag nach Anhörung der Beteiligten zurückgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat das Gericht ausgeführt, dass das von den Beteiligten geschilderte gute Verhältnis sich nicht von dem eines gut gepflegten Verwandtschaftsverhältnisses unterscheide und sich eine Adoption angesichts der guten Beziehung zu den leiblichen Eltern verbiete. Darüber hinaus sah das Familiengericht steuer- und erbrechtliche Motive im Vordergrund. Wegen der Einzelheiten wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) und 2) ihr Adoptionsanliegen weiter. Sie tragen vor, dass die Anzunehmende bereits seit Jahrzehnten ein tiefes und inniges Verhältnis zu dem Beteiligten zu 2), dem Bruder ihres Vaters, hat. Der Beteiligte zu 2) sei ledig und lebe in unmittelbarer Nachbarschaft im Haushalt seiner 81 - beziehungsweise 80-jährigen Eltern. Bereits als Kind sei die Beteiligte zu 1) in diesen Haushalt integriert gewesen und erledige jetzt die anfallenden Hausarbeiten. Die Anzunehmende habe von dem Beteiligten zu 2) intensive Unterstützung im schulischen und beruflichen Bereich erfahren; ohne diese wäre der berufliche Aufstieg bis zur Forschungsassistentin an der Ostbayerischen Technischen Hochschule nicht realisierbar gewesen. In ihrer Freizeit würde die Beteiligte zu 1) zusammen mit ihrem Onkel in dessen Forstwirtschaft arbeiten, wodurch ebenfalls eine enge Vater-Tochter-Beziehung entstanden sei. Die leiblichen Eltern der Beteiligten zu 1) seien mit der Adoption einverstanden; es sei sogar ein Umzug mit ihrem Lebensgefährten und den beiden gemeinsamen Kindern vom elterlichen Haus in ein renoviertes Bauernhaus des Beteiligten zu 2) geplant. Wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Sachvortrag verwiesen.

Der Senat hat die Beteiligten zu 1) und 2) persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Sitzungsvermerk vom 28.5.2015 Bezug genommen.

Die Eltern der Beteiligten zu 1) haben sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.

II. Die zulässige Beschwerde führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme als Kind gem. §§ 1767,1770 BGB liegen vor.

Nach diesen Vorschriften kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entwickelt hat (§ 1767 Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Anderenfalls muss bei objektiver Betrachtung bestehender Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten das Entstehen einer solchen Beziehung für die Zukunft zu erwarten sein (vgl. OLG Köln FGPrax 2011, 297 m.w.N.). Das Erfordernis der sittlichen Rechtfertigung beruht darauf, dass die Herstellung familienrechtlicher Beziehungen nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen bleiben soll (vgl. Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl., § 1767 Rz. 2).

Entscheidend kommt es auf die Herstellung eines sozialen Familienbandes an, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise gegenseitig leisten (vgl. BayObLG FamRZ 1980, 1158; BayObLGZ 2002, 243). Maßgebend ist eine dauernde innere seelisch-geistige Verbundenheit, wie sie zwischen Eltern und Kind auch nach dessen Volljährigkeit prägend bleibt.

Das familienbezogene Motiv muss entscheidender Anlass für die Annahme sein. Nebenzwecke schaden hierbei nicht, solange der familienbezogene Zweck überwiegt.

Der Senat ist insbesondere nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Anzunehmenden und dem Annehmenden eine von gegenseitigem unbedingten Beistand getragene dauernde Verbundenheit besteht. Beide haben übereinstimmend geschildert, dass die Anzunehmende sich bereits als Kind reg...

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