Leitsatz (amtlich)

Eine Volljährigenadoption kann nur ausgesprochen werden, wenn aufgrund aller erheblichen Umstände des Einzelfalles anzunehmen ist, dass sich eine bestehende Freundschaft und innere Verbundenheit im Sinne einer seelisch-geistigen Bindung zwischen Angehörigen verschiedener Generationen in einem Maße verdichtet hat, dass von einer Eltern/Kind ähnlichen Beziehung gesprochen werden kann, die es dann auch rechtfertigt, sie durch den Ausspruch der Annahme zu einer rechtlichen Wahlverwandtschaft zu verfestigen. Das kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Altersunterschied zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden lediglich etwa zwölf Jahre beträgt.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 31.01.2013; Aktenzeichen 159 F 13995/12)

 

Tenor

Die Beschwerden der Annehmenden und des Anzunehmenden gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 31.1.2013 - 159 F 13995/12 - werden auf deren Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Annehmende und der Anzunehmende wenden sich mit ihrer jeweiligen Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 31.1.2013, mit dem ihr Antrag auf Annahme des Anzunehmenden als Kind der Annehmenden zurückgewiesen wurde. Sie meinen, die Voraussetzungen für den von ihnen begehrten Adoptionsausspruch sei gegeben, weil die Annahme als Kind sittlich gerechtfertigt und anzunehmen sei, dass zwischen ihnen ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen werde, obwohl ihre Beziehung erst vor weniger als zwei Jahren entstanden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss und, soweit es um das Beschwerdevorbringen geht, auf die Beschwerdeschrift vom 25.2.2013 Bezug genommen.

II.1. Die Beschwerde gegen den familiengerichtlichen Beschluss, mit dem der Antrag auf Annahme als Kind zurückgewiesen wurde, ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG; vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG [17. Aufl. 2011], § 197 Rz. 30) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere sind die Annehmende und der Anzunehmende beschwerdeberechtigt und wurden die Rechtsmittel fristgerecht angebracht (§§ 59 Abs. 2, 63, 64, 65 FamFG).

2. In der Sache haben die Rechtsmittel indessen keinen Erfolg. Das Familiengericht hat den Adoptionsantrag mit zutreffenden Erwägungen, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht, zurückgewiesen; auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung:

a) Ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist (§ 1767 Abs. 1, 1. HS BGB). Eine derartige sittliche Rechtfertigung ist dem Gesetz zufolge insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (§ 1767 Abs. 1, 2. HS BGB). Soweit dies nicht der Fall ist, muss bei objektiver Betrachtung der bestehenden Bindungen zwischen den Beteiligten und den diesbezüglichen Entwicklungsmöglichkeiten jedenfalls für die Zukunft das Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung zu erwarten sein (§§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das ist, wie das Familiengericht ohne Verfahrensfehler festgestellt hat, derzeit nicht der Fall:

(aa) Dafür, dass zwischen der Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist, ist nichts ersichtlich. Anders als bei der Ehe bleibt die Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht allein der Autonomie und der eigenverantwortlichen Entscheidung der Beteiligten überlassen, sondern verlangt das Gesetz ein objektivierbares, nachprüfbares Motiv und klare Indizien, aus denen sich ergibt, dass in der Tat eine dauerhafte, seelisch-geistige Bindung zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden entstanden ist (vgl. nur Maurer in MünchKomm/BGB [6. Aufl. 2012], § 1767 Rz. 14). Richtig ist zwar, dass die für eine Minderjährigenadoption maßgeblichen Gesichtspunkte, die wie beispielsweise eine Lebens- und Haushaltsgemeinschaft, die Mitarbeit in Betrieb oder Gewerbe des Annehmenden oder die Einflussnahme des Annehmenden auf wichtige, lebensprägende Entscheidungen des Anzunehmenden, anhand derer sich die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses regelmäßig unschwer feststellen ließe, für die Volljährigenadoption keine Rolle spielen, weil die Beteiligten bei dieser Adoptionsform von vornherein selbständig sind und das verbindende, familiäre Band zwischen einem erwachsenen Kind und seinen natürlichen Eltern naturgemäß anders geartet ist als zwischen einem minderjährigen Kind und dessen biologischen Eltern (vgl. Maurer in MünchKomm/BGB [6. Aufl. 2012], § 1767 Rz. 7).

Daraus folgt aber gerade nicht, dass das Merkmal der sittlichen Rechtfertigung - dem entscheidenden Maßstab, der vorliegen muss, damit die Annahme eines Volljährigen ausgesprochen werden kann (§ 1767 Abs. 1, 1. HS BGB) - ausschließlich der eigenen Erklärung und dem Dafürhalten der Beteiligten überantwortet wäre. Vielmehr handelt es sich hierbei entgegen der Meinung der Annehmenden, die in ihrer ersten schriftlichen Reaktion vom 1.2.2013 ...

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