Rz. 20

Werden nichtpflichtteilsberechtigte Personen mit einem Pflichtteil bedacht, ist § 2304 BGB nicht anwendbar (vgl. Rdn 4).[48] Es ist aber auch in diesen Fällen zu unterscheiden, ob es sich bei der Anordnung – nach der Vorstellung des Erblassers – um eine begünstigende oder eine beschränkende Verfügung des Erblassers handeln sollte. Nur wenn der Erblasser den Willen hatte, dem Bedachten überhaupt etwas zuzuwenden,[49] stellt sich die weitere Frage, ob dies in Form einer Erbeinsetzung oder durch Vermächtnisanordnung geschehen ist. Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Höhe bzw. dem Wert der Zuwendung.[50] In Betracht kommen hier nämlich sowohl die Höhe des gesetzlichen Erbteils[51] als auch die Hälfte davon.[52]

 

Rz. 21

Ebenfalls nicht anwendbar ist § 2304 BGB dann, wenn derjenige, dem der Pflichtteil zugewendet wird, aufgrund anderer Anordnungen des Erblassers bereits eine Erben- oder Vermächtnisnehmerstellung innehat, die Pflichtteilszuwendung also sozusagen zusätzlich erfolgt.[53]

 

Rz. 22

Im Übrigen ist § 2304 BGB als Auslegungsregel ohnehin nur in Zweifelsfällen anwendbar. Die hier geregelte gesetzliche Vermutung ist jederzeit widerlegbar.[54] Soweit sich der Wille des Erblassers bereits eindeutig aus seinem Testament ergibt, bleibt für die Anwendung von § 2304 BGB kein Raum. Dabei kommt es in erster Linie darauf an, ob der Wille des Erblassers dahin ging, den Pflichtteilsberechtigten durch seine Anordnungen zu "beschränken", z.B. durch eine Enterbung, deren Folge dann der Pflichtteilsanspruch wäre,[55] oder ob er ihn durch seine Anordnungen begünstigen, ihm also etwas (genauer gesagt, eine Erbenstellung) gewähren wollte.[56]

[48] Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 24.
[49] BGH FamRZ 1991, 796, 797; Ferid, NJW 1960, 121, 122.
[50] Vgl. BGH FamRZ 1991, 796, 797.
[52] Vgl. OLG Schleswig ZEV 2013, 501, 502; Burandt/Rojahn/Horn, Erbrecht, § 2304 Rn 26; Soergel/Dieckmann, § 2304 Rn 5; Palandt/Weidlich, § 2304 Rn 2; Ferid, NJW 1960, 121, 122.
[53] Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 8.
[54] BayObLGZ 1966, 391, 398; MüKo/Lange, § 2304 Rn 5; J. Mayer, in: Bamberger/Roth, § 2304 Rn 2.
[55] Vgl. AG Freiburg, Beschl. v. 5.6.2012 – 3 N 6 253/07, BeckRS 2013, 08740.
[56] Vgl. BGH ZEV 2004, 374 f.; MüKo/Lange, § 2304 Rn 5; ausführlich zu Auslegungskriterien in Zweifelsfällen Staudinger/Otte [2015], § 2304 Rn 11 ff.; Ferid, NJW 1960, 121 ff.

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