Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzlicher Pflichtteil als Pflichtteilsrecht oder Vermächtnis in Höhe der Pflichtteilsquote. Wirksame testamentarische Verfügung über in USA belegenes Grundstück

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Auslegung eines Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben dem Werte nach der größte Teil des Nachlasses verbleibt.

b) Weist der Erblasser den Abkömmlingen im Testament ihren gesetzlichen Pflichtteil zu und ist darin keine Erbeinsetzung zu sehen, steht noch nicht fest, ob die Abkömmlinge auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht beschränkt oder ob sie mit Vermächtnissen in Höhe ihrer Pflichtteilsquote bedacht werden sollten. Das hängt davon ab, ob der Erblasser die Abkömmlinge begünstigen oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz nicht entziehen konnte.

c) Ein deutscher Erblasser kann durch ein gem. § 2247 BGB gültiges eigenhändiges Testament wirksam auch über ein in Florida/USA belegenes Grundstück verfügen, obwohl diese Testamentsform dort nicht zulässig ist, die USA nicht dem Haager Testamentsformübereinkommen beigetreten sind und für das dort belegene Grundstück im Übrigen das Erbrecht Floridas gilt (Art. 3 Abs. 3 EGBGB).

 

Normenkette

BGB § 2087 Abs. 2, § 2304; Haager Testamentsformübereinkommen v. 5.10.1961 Art. 1 Abs. 1 Buchst. b; EGBGB Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 08.05.2003; Aktenzeichen 6 U 208/02)

LG Hannover

 

Tenor

Die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Celle v. 8.5.2003 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 8 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 92 %.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die am 27.8.1990 geborene Klägerin ist die Tochter des am 8.9.1997 verstorbenen Erblassers. Sie macht gegen die Beklagten, zwei ehemalige Freundinnen des Erblassers, mit denen dieser jeweils ein Kind hatte, Pflichtteilsansprüche unter Bezug auf das eigenhändige Testament des Erblassers v. 29.4.1997 geltend.

Der Erblasser hatte mit der Mutter der Klägerin am 23.12.1991 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sich beide gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt hatten. Die Ehe wurde am 1.8.1997 rechtskräftig geschieden. Bereits nach der Trennung der Eheleute Mitte 1996 hatte der Erblasser am 29.4.1997 eigenhändig das folgende Testament errichtet:

Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bestimme ich, dass im Falle meines unerwarteten Todes mein Vermögen wie folgt geteilt wird:

1.) Rückzahlung meiner Schulden zu je DM 60.000 an meine Eltern aus meinem Aktienvermögen, das ich für sie im Auftrag angelegt habe.

2.) Pflichtanteile für jedes meiner 3 Kinder aus dem Verkauf meiner Häuser abzgl. Bankschulden.

3.) Lebensversicherungen namentlich auf jedes Kind abgeschlossen.

4.) Sonstige Lebensversicherungen plus Rest aus 2.) zu gleichen Teilen an ... (Beklagte zu 1) und Beklagte zu 2). Meine Ehefrau ... erhält nichts! Auf Grund ihres Verhaltens und laufender Scheidung enterbe ich sie.

5.) BMW an S... K...

6.) Harley + Corvette + Einrichtung nach Verkauf zu gleichen Teilen an meine Eltern.

Zum Nachlass gehörten u.a. auch ein in Florida belegenes Grundstück sowie eine - inzwischen verkaufte - Finca auf Mallorca. Es wurde eine Nachlasspflegschaft angeordnet und durchgeführt, für die Kosten anfielen.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe gegen die Beklagten über die bereits erhaltenen 10.000 DM hinaus ein weiterer Pflichtteilsanspruch i.H.v. 48.001,29 EUR zu. Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten wurde die Verurteilungssumme auf 35.454,96 EUR herabgesetzt (vgl. das u.a. in FamRZ 2003, 1876 veröffentlichte Berufungsurteil). Mit ihren Revisionen verfolgen die Beklagten ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter. Die Klägerin hat ihre Anschlussrevision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch die Scheidung der Ehe des Erblassers sei der Erbvertrag v. 23.12.1991 unwirksam geworden. Infolgedessen sei das bereits vor der Scheidung errichtete eigenhändige Testament v. 29.4.1997 maßgebend. Danach stehe der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch i.H.v. 1/6 des Nachlasses gegen die Beklagten zu. Diese seien Erbinnen zu je 1/2 geworden. Das ergebe die Auslegung des Testaments v. 29.4.1997. Der Erblasser habe über sein Vermögen abschließend verfügen wollen. Nach dem Wortlaut kämen nur die Beklagten als Erben in Betracht. Ihnen sei mit den Grundstücken der überwiegende Teil des Nachlasses zugewendet. Bezüglich des Grundstücks in Florida liege allerdings ein Fall der Nachlass-Spaltung vor. Insoweit sei die Erbeinsetzung der Beklagten nicht formwirksam, weil das anwendbare Recht Floridas eigenhändige Testamente nicht kenne. Erben des in den USA gelegenen Grundstücks seien daher die Kinder des Erblassers - und damit auch die Klägerin - zu je 1/3. Dieses Grundstück müsse bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin außer Betracht bleiben. Der Pflichtteilsanspruch sei auch nicht deswegen nach unten zu korrigieren, weil die Klägerin durch das Zusammentreffen des Pflichtteils an dem deutschem Recht unterliegenden Nachlassteil und des Erbteils am Grundstück in Florida deutlich mehr erhalte, als ihr Pflichtteil von 1/6 sowohl am gesamten Nachlass als auch am deutschen Nachlassteil ausmache.

Die im Zusammenhang mit dem Verkauf der Finca angefallenen Kosten seien keine Nachlassverbindlichkeiten. Es handele sich vielmehr um Nachlasserbenschulden, die aus eigenen Rechtshandlungen der Erben entstanden seien. Da die Eingehung dieser Verbindlichkeiten für die Pflichtteilsberechtigte nicht von Vorteil sei, müssten sie unberücksichtigt bleiben. Gleiches gelte im Ergebnis für die Kosten der Nachlasspflegschaft. Diese seien zwar als Erbfallschulden grundsätzlich in die Berechnung des Pflichtteils einzustellen. Doch weil die Beklagten sie erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hätten, ohne dass ein Zulassungsgrund i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO gegeben sei, könnten sie keine Berücksichtigung finden. Daran ändere nichts, dass ihr Anfall unstreitig sei und der Rechtsstreit durch ihre Zulassung nicht verzögert würde.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Klägerin steht gegen die Beklagten aus Vermächtnis ein Zahlungsanspruch jedenfalls in Höhe des vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages zu.

1. Unbedenklich geht das Berufungsgericht gem. §§ 2279, 2077 Abs. 1 S. 1 BGB von der Unwirksamkeit des Erbvertrages v. 23.12.1991 infolge der Scheidung des Erblassers am 1.8.1997 aus. Damit trat das dem Erbvertrag zuwider laufende eigenhändige Testament v. 29.4.1997 entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 2257, 2258 Abs. 2 BGB in Kraft (vgl. OLG Zweibrücken v. 13.7.1989 - 3 W 74/89, FamRZ 1989, 1355 [1356]; AnwK-BGB/Kornexl, § 2289 Rz. 22; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB, § 2289 Rz. 8).

2. Die tatrichterliche Auslegung des Testaments v. 29.4.1997 ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH v. 24.2.1993 - IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 [363] = MDR 1993, 878), soweit sie im Ergebnis zu einer Erbeinsetzung der Beklagten je zur Hälfte gelangt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.

Wie das Berufungsgericht mit Recht dem Einleitungssatz des Testaments entnommen hat, wollte der Erblasser über sein gesamtes Vermögen verfügen. Es ist nicht anzunehmen, dass er überhaupt keinen Erben berufen wollte. Hätten seine Abkömmlinge kraft Gesetzes Erben werden sollen, wäre die Bestimmung des Testaments sinnlos, mit der ihnen "Pflichtanteile" zugedacht sind. Darauf, dass mit dem Testament auch die Erbfolge geregelt werden sollte, deutet ferner die ausdrückliche Enterbung seiner damals noch nicht von ihm geschiedenen Ehefrau hin. Obwohl den Kindern mit den "Pflichtanteilen" eine Quote des gesamten Nachlasswerts, nämlich in Höhe ihres Pflichtteils von je einem Sechstel, zugedacht ist, wird die insoweit an sich zu einer Erbeinsetzung führende Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB außer durch die vorrangige Auslegung des hier zu beurteilenden Testaments auch durch die negative Auslegungsregel des § 2304 BGB überwunden, (wonach die Zuwendung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen ist). Die Kinder sind daher jedenfalls nicht Erben geworden.

Abgesehen von den beiden Beklagten werden im Testament neben den mit "Pflichtanteilen" bedachten Kindern nur Personen begünstigt, denen lediglich bestimmte, im Blick auf das Immobiliarvermögen des Erblassers jedenfalls nicht als Hauptbestandteile des Nachlasses zu wertende Gegenstände zugewendet werden. Auch diese weiteren Personen kommen daher nicht als Erben in Betracht (§ 2087 Abs. 2 BGB). Den Beklagten sollte dagegen außer Lebensversicherungen der "Rest" aus dem Verkauf des gesamten Grundvermögens zustehen. Ob ihnen dadurch letzten Endes mehr oder aber - wie die Revisionen meinen - weniger vom Wert des Nachlasses zukommt als den Kindern, kann für sich genommen nicht den Ausschlag geben. Denn die Berufung zum Erben setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben ein mehr oder weniger großer oder sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt (vgl. BayObLG v. 4.4.2002 - 1Z BR 19/01, BayObLGReport 2002, 263 = FamRZ 2003, 119 [120]). Hier hat der Erblasser den Beklagten mit dem "Rest" gerade das zugewiesen, was bei ausdrücklicher Einsetzung als Erben nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten, der Vermächtnisse sowie der Auszahlung der "Pflichtanteile" für sie übrig bliebe. Das spricht entscheidend für eine Erbeinsetzung. Hinzu kommt, dass die Beklagten die Mütter jeweils eines Kindes des Erblassers sind und der Erblasser unter derselben Ziff. des Testaments und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Begünstigung der Beklagten die Mutter der Klägerin ausdrücklich enterbt hat. Das lässt den Rückschluss zu, dass es ihm schon bei der Begünstigung der Beklagten um die Regelung seiner Erbfolge ging.

3. Mit dem Zwischenergebnis, dass die Beklagten und nicht die Kinder des Erblassers als Erben berufen sind, steht aber noch nicht fest, ob der Erblasser die Kinder auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränken oder aber ihnen ein Vermächtnis in Höhe dieses Pflichtteils gewähren wollte (zu dieser Abgrenzung vgl. etwa OLG Nürnberg v. 21.5.2001 - 5 U 1132/01, OLGReport Nürnberg 2003, 238 = FamRZ 2003, 1229; Staudinger/Haas, BGB, 1998, § 2304 Rz. 17). Insoweit ist entscheidend, ob der Erblasser die Kinder begünstigen oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz nicht entziehen konnte. Das hat das Berufungsgericht verkannt. Zwar hat auch die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch rechtlich als gesetzlichen Pflichtteilsanspruch eingeordnet; sie hat sich dafür aber auf die Anordnungen des Erblassers im Testament v. 29.4.1997 bezogen. Der Senat kann die insoweit erforderliche Auslegung selbst vornehmen, weil mit Blick auf das Erbscheinsverfahren und den umfassenden Vortrag der Parteien zur Frage der Testamentsauslegung in den Vorinstanzen weder neuer Tatsachenvortrag zu erwarten noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.

a) Danach ist der Klägerin ein Vermächtnis in Höhe des nach deutschem Erbrecht auf den gesamten Nachlasswert anfallenden Pflichtteils zugewendet worden. Über das gesetzliche Pflichtteilsrecht war der Erblasser bei der Beurkundung des Ehe- und Erbvertrages v. 23.12.1991 vom Notar belehrt worden. Für den Willen des Erblassers, seine Kinder zu begünstigen, spricht zunächst die sprachliche Gestaltung des Testaments. Anders als bei der Ehefrau soll den Kindern nichts entzogen, sondern im Rahmen der einleitend angekündigten Aufteilung des Vermögens ein "Pflichtanteil" zugewendet werden. Ferner wird deutlich, dass der Erblasser nicht die Absicht hatte, seine Kinder auf das gesetzliche Minimum zu beschränken. In Ziff. 3 des Testaments erwähnt er die namentlich auf jedes Kind abgeschlossenen Lebensversicherungen, die diese zusätzlich zu den "Pflichtanteilen" erhalten sollen. Dabei handelt es sich zwar um Schenkungen auf den Todesfall, die an sich keiner testamentarischen Regelung bedurft hätten. Ihre Erwähnung zeigt aber, dass der Erblasser seinen Abkömmlingen im Ergebnis mehr als den gesetzlichen Pflichtteil zuwenden wollte.

b) Das Testament verknüpft die Erfüllung des offenbar auf Zahlung eines Geldbetrags gerichteten Anspruchs auf den "Pflichtanteil" mit dem Verkauf der Häuser, aus deren Erlös vorab die Bankschulden beglichen werden sollen. Dass sich der "Pflichtanteil" der Kinder etwa auf den Betrag hätte beschränken sollen, der sich aus dem Verkauf des Grundbesitzes abzgl. der Bankschulden ergeben würde (vgl. Dörner, FamRZ 2003, 1880 [1881]), ist nicht anzunehmen. Mit dem Wort "Pflichtanteil" nimmt der Erblasser den gesetzlichen Pflichtteil in Bezug, der eine Quote am gesamten Nachlass darstellt. Von einem Pflichtteil nur in Bezug auf bestimmte Nachlassgegenstände zu sprechen, hätte keinen Sinn. Der Zusatz "aus dem Verkauf meiner Häuser abzgl. Bankschulden" ist vielmehr im Sinne einer Vorsorge des Erblassers für die Nachlassabwicklung sowie dafür zu verstehen, dass die Ansprüche der Kinder auf den "Pflichtanteil" aus den wichtigsten und wertvollsten Teilen seines Vermögens gedeckt seien.

c) Aus dieser testamentarischen Regelung geht ferner hervor, dass Berechnungsgrundlage des - nur bezüglich der Quote von einem Sechstel an das gesetzliche Pflichtteilsrecht angelehnten - "Pflichtanteils" das gesamte Vermögen des Erblassers einschließlich seines Grundbesitzes in Florida sein sollte. Von einer Aufspaltung seines Nachlasses in einen dem deutschen Erbrecht und einen dem Erbrecht Floridas unterliegenden Anteil ist der Erblasser offenbar nicht ausgegangen.

4. Dieser Erblasserwille ist auch für das Vermögen in Florida gültig. Das eigenhändige Testament ist gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Haager Testamentsformübereinkommens (TestÜbk) v. 5.10.1961 (BGBl. 1965 II, 1145; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1.1966, BGBl. II. 11) i.V.m. §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB entgegen der Annahme des Berufungsgerichts in vollem Umfang formwirksam.

a) Zwar ist eine Nachlass-Spaltung in einen dem Erbrecht Floridas und in einen dem deutschem Erbrecht unterliegenden Nachlassteil eingetreten. Denn gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB haben die besonderen Vorschriften, die in den Vereinigten Staaten für die Erbfolge in das dort belegene unbewegliche Vermögen gelten (Belegenheitsstatut), Vorrang vor dem an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpfenden Erbstatut nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB (BGH, Urt. v. 21.4.1993 - XII ZR 248/91, MDR 1993, 764 = NJW 1993, 1920, unter II 2a). Die Erbfolge in den unbeweglichen Nachlass eines Erblassers beurteilt sich in Florida nach der zur Zeit des Todes geltenden lex rei sitae; Florida hat hiervon keine Ausnahmeregelung getroffen (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht USA, Grdz. C II Rz. 39, 39a). Damit ist an sich jede Nachlassmasse grundsätzlich nach dem jeweils für sie maßgebenden Erbstatut zu beurteilen.

b) Das Erbrecht Floridas führt nicht zu einem anderen Ergebnis als das deutsche Erbrecht, soweit es um die Unwirksamkeit des Erbvertrages v. 23.12.1991 mit Rechtskraft der Scheidung am 1.8.1997 geht. Gemäß Chapter 732.507 des Florida Probate Code (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht USA, III Nr. 8) bewirkt nämlich die Scheidung den Widerruf der für den Ehegatten günstigen testamentarischen Verfügung. Andere Verfügungen als die gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Ehegatten enthält der Erbvertrag nicht. Erbverträge, die das Recht Floridas an sich nicht kennt, können als gemeinschaftliche und gegenseitige Testamente aufrechterhalten werden; sie sind aber stets frei widerruflich. Die Widerruflichkeit kann zwar durch einen vom Testament zu unterscheidenden Vertrag ausgeschlossen werden; ein solcher Vertrag liegt aber nicht allein schon in der Errichtung eines gegenseitigen und - nach überwiegender Ansicht - auch nicht in der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments; ferner folgt die amerikanische Rechtsprechung überwiegend der Auffassung, dass eine vertragliche Bindung erst mit dem Tod des Erstversterbenden eintritt (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht USA, Grdz. C II Rz. 39b, Grdz. F III Rz. 235, u.a. in Fn. 7). Mithin ist der Erbvertrag v. 23.12.1991 auch aus der Sicht des in Florida geltenden Rechts durch die Ehescheidung widerrufen und damit unwirksam geworden.

c) Das in Deutschland wirksame eigenhändige Testament des Erblassers v. 29.4.1997 ist, auch soweit es den Nachlass in Florida betrifft, nicht unwirksam. Das Erbrecht Floridas kennt zwar ein eigenhändiges Testament nur in der Form des Zweizeugentestaments; soweit die Testamentsform des Heimatlandes des Erblassers ausreicht, gilt diese Ausnahme nicht für eigenhändige Testamente (Chapter 732.502 (1) und (2) des Florida Probate Code, abgedr. bei Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht USA, Texte III Nr. 8).

aa) Jedoch steht gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b TestÜbk für die Testamentsform als Anknüpfung das Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder seines Todes angehörte, zur Verfügung - mithin deutsches Erbrecht, nach dem das streitgegenständliche Testament formwirksam errichtet ist. Das Abkommen löst generell die Formfrage vom Erbstatut (Birk in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 26 EGBGB Rz. 38) mit der Folge, dass für die Frage der Formgültigkeit die Vorschriften des ansonsten als Erbstatut berufenen Rechts außer Betracht bleiben müssen (BGH, Urt. v. 28.9.1994 - IV ZR 95/93, MDR 1995, 497 = NJW 1995, 58, unter A II 2c). Dem steht nicht entgegen, dass die USA bzw. Florida dem Abkommen nicht beigetreten sind. Seine Wirkungen erstrecken sich vielmehr auch auf ein nicht in einem Vertragsstaat belegenes Grundstück (v. Oertzen/Seidenfus, ZEV 1996, 210 [213]; Dörner, FamRZ 2003, 1880). Das Abkommen schafft für die Bestimmung des Formstatuts bei letztwilligen Verfügungen für die Vertragsstaaten universell anwendbares Kollisionsrecht. Gemäß Art. 6 TestÜbk setzt seine Anwendbarkeit keine Gegenseitigkeit voraus; es ist als sog. loi uniforme ohne weitere Verknüpfung des Sachverhalts mit einem Vertragsstaat und auch gegenüber Nichtvertragsstaaten anzuwenden (Birk in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 26 EGBGB Rz. 73; Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl., Art. 26 EGBGB Rz. 3; Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 26 EGBGB Rz. 1; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB, Art. 26 EGBGB Rz. 2; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., § 21 III 2a S. 1010). Das entspricht dem Ziel des Abkommens, Testamente zu begünstigen (favor testamenti) und dem Erblasser die Möglichkeit zu geben, durch ein Testament über seinen gesamten Nachlass zu verfügen, ohne Gefahr zu laufen, dass es hinsichtlich eines Teils des Nachlassvermögens, etwa eines im Ausland belegenen Grundstücks, formungültig ist (Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., § 21 III 2a S. 1010; v. Schack, DNotZ 1966, 131 [133]). Eine letztwillige Verfügung ist somit auch dann formwirksam, wenn sie zwar nicht die Formvorschriften des Lageortes, wohl aber - wie hier - die des Heimatrechts des Erblassers einhält.

bb) Diese Rechtslage ändert freilich nichts daran, dass das eigenhändige Testament des Erblassers in Florida möglicherweise wegen Formmangels nicht anerkannt wird und sich daraus für die Beklagten als Erben Schwierigkeiten ergeben können, die rechtliche Verfügungsmacht über das ererbte Grundstück zu erlangen (vgl. zu einem solchen, international hinkenden Rechtsverhältnis Otte, IPrax 1993, 142 [144 ff.]; v. Oertzen, ZEV 1995, 167 [172]; Steiner, ZEV 2003, 145 [146, 500, 501]). Wem gegenwärtig das Grundstück in Florida zusteht und wer darüber verfügen könnte, ist in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen worden. Falls sich ergeben sollte, dass nur die Kinder des Erblassers als dessen gesetzliche Erben Verfügungsbefugnis haben, würde sich eine vom Erblasser nicht vorausgesehene und bedachte Situation ergeben. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der im Testament niedergelegte letzte Wille des Erblassers gleichwohl in Deutschland weiterhin zwischen den Parteien verbindlich bleibt. Dem Testament lässt sich im Wege ergänzender Auslegung entnehmen, dass die Kinder, wenn das Grundstück in Florida nicht ohne ihre Mitwirkung verkauft werden könnte, hierzu sowie zu einer dem Testament entsprechenden Auseinandersetzung des Nachlasses den Beklagten gegenüber verpflichtet wären, insbes. im Hinblick auf die Bankschulden und den "Rest" des Veräußerungserlöses. Ein solches Untervermächtnis zu Lasten der Kinder als Vermächtnisnehmer und zu Gunsten der Beklagten würde an deren Rechtsstellung als Erben nichts ändern.

5. a) Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Fragen einer Angleichung widerstreitender Rechtsordnungen kommt es nicht mehr an. Wie oben bereits dargelegt, ist dem Testament vielmehr durch Auslegung zu entnehmen, dass der Erblasser seinen Kindern ein Vermächtnis in Höhe ihrer nach deutschem Recht bestehenden Pflichtteilsquote an seinem ganzen Nachlass unabhängig davon zuwenden wollte, wo er belegen ist und ob dort ein dem deutschen Recht vergleichbares Pflichtteilsrecht gilt. Die Auslegung geht der Rechtsanpassung vor und richtet sich auch aus der Sicht Floridas nach deutschem Recht, das der hier an seinem Wohnsitz testierende Erblasser konkludent durch Bezugnahme auf die Pflichtteilsquote des deutschen Rechts gewählt hat (Dörner, FamRZ 2003, 1880 [1881]).

b) Der Klägerin steht daher selbst bei Berücksichtigung der von den Beklagten geltend gemachten Kosten, die durch den Verkauf der Finca und die Nachlasspflegschaft entstanden sind, ein Vermächtnisanspruch zu, der den vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag von 35.454,96 EUR übersteigt. Auf die weiteren von den Revisionen aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es somit nicht mehr an.

Der Aktivnachlass (einschließlich des Grundstücks in Florida) beläuft sich nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf 1.268.425,62 DM; der Passivnachlass würde 628.078,30 DM betragen, wenn man den vom Berufungsgericht insoweit festgestellten 559.698,37 DM weiter Nachlasspflegschaftskosten von 36.987,93 DM und Verkaufskosten von 31.392 DM hinzurechnen würde. Von dem sich danach ergebenden Saldo i.H.v. 640.347,32 DM stünde der Klägerin ein Sechstel, also 106.724,55 DM zu. Darauf erhalten hat sie bereits 10.000 DM, so dass noch 96.724,55 DM (49.454,48 EUR) offen wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1209790

DB 2004, 2751

NJW 2004, 3558

NWB 2004, 3194

BGHR 2004, 1625

FamRZ 2004, 1562

DNotI-Report 2004, 162

WM 2005, 939

ZAP 2004, 1209

ZEV 2004, 374

DNotZ 2005, 45

ErbBstg 2004, 269

IPRax 2005, 253

MDR 2004, 1423

Rpfleger 2004, 697

NJW-Spezial 2004, 350

RÜ 2004, 526

LMK 2004, 222

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge