Gesetzestext

 

(1)1Die Einsetzung eines Nacherben wird mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist. 2Sie bleibt auch nach dieser Zeit wirksam,

1. wenn die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt,
2. wenn dem Vorerben oder einem Nacherben für den Fall, dass ihm ein Bruder oder eine Schwester geboren wird, der Bruder oder die Schwester als Nacherbe bestimmt ist.

(2)Ist der Vorerbe oder der Nacherbe, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, eine juristische Person, so bewendet es bei der dreißigjährigen Frist.

A. Zeitliche Beschränkung

 

Rz. 1

Die Vorschrift will verhindern, dass der Erblasser seine Testierfreiheit dazu benutzt, den Nachlass übermäßig lange zu binden; ein dem Familien-Fideikomiss vergleichbarer Zustand soll ausgeschlossen werden.[1] Abs. 1 S. 1 beschränkt daher die Wirkung der Anordnung der Nacherbfolge auf die Dauer von 30 Jahren nach dem Erbfall, "die mittlere zeitliche Dauer einer Generation".[2] Entsprechende Begrenzungen finden sich in den §§ 2044 Abs. 2, 2162, 2163, 2210 S. 1 BGB. Der in Abs. 1 S. 1 enthaltene Grundsatz wird in S. 2 jedoch von zwei Ausnahmen unterbrochen, von denen Nr. 1 in der Praxis die Regel darstellt. Sofern diese nicht eingreifen, wird die Nacherbenberufung nach Ablauf der dreißigjährigen Frist ohne weiteres unwirksam mit der Folge, dass der Nachlass freies Vermögen des Vorerben als Vollerben wird. Dies gilt auch bei Anordnung mehrerer Nacherbfolgen; in diesem Fall kommt das Unwirksamwerden demjenigen zustatten, der bei Fristablauf Vorerbe ist.[3] Die Frist kann sich verlängern, wenn der Nacherbe innerhalb des Fristablaufs gezeugt, aber noch nicht geboren ist: nach der Regelungskette der §§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB gilt der Nacherbfall dann als vor dem Fristablauf eingetreten.[4] Ist die Nacherbeneinsetzung für einen späteren als den gesetzlich zulässigen Zeitpunkt angeordnet, so ist sie von vornherein unwirksam.[5] Ergibt die Auslegung (§ 2084 BGB) jedoch, dass der Erblasser dem Nacherben die Erbschaft auf jeden Fall zukommen lassen und nur die Nacherbfolge so weit wie möglich hinausschieben wollte, so erwirbt der Nacherbe die Erbschaft nach Ablauf der dreißigjährigen Frist.[6]

[1] OLG Köln ZErb 2008, 110, 113; vgl. auch Reimann, NJW 2007, 3034, 3035.
[2] Groll/Edenfeld, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 3. Aufl., B IV Rn 19.
[3] OLG Hamm ZEV 2011, 320.
[4] Staudinger/Avenarius, § 2109 Rn 5.
[5] RGRK/Johannsen, § 2109 Rn 4; Staudinger/Avenarius, § 2109 Rn 6.
[6] Staudinger/Avenarius, § 2109 Rn 6; MüKo/Grunsky, § 2109 Rn 2; Soergel/Harder-Wegmann, § 2109 Rn 1.

B. Ausnahmen

 

Rz. 2

Abs. 1 S. 2 enthält zwei Ausnahmen von der dreißigjährigen Höchstfrist, bei deren Vorliegen die Nacherbeinsetzung ohne zeitliche Begrenzung wirksam ist.

I. Personenbezogenes Ereignis

 

Rz. 3

Gem. Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bleibt die Nacherbeinsetzung wirksam, wenn der Nacherbfall an ein Ereignis in der Person des Vor- oder Nacherben geknüpft ist und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt oder – was sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, von der ganz h.M.[7] aber als ausreichend angesehen wird – zumindest erzeugt ist und später lebend geboren wird (§ 1923 Abs. 2 BGB). Die Nacherbenbindung kann sich dann auf die gesamte Lebenszeit des Vor- oder Nacherben erstrecken.

 

Rz. 4

 

Beispiel

Vater testiert 1950, dass sein Sohn lebzeitig Vorerbe und sein Enkel Nacherbe werden solle. Er stirbt 1955. Der Sohn, zu diesem Zeitpunkt 6 Jahre alt, stirbt 2010 und hinterlässt einen Sohn von 25 Jahren.

Das Ereignis muss nicht vom Willen des Vor- oder Nacherben abhängig sein; reine Potestativbedingungen wie die Wiederverheiratung des Vorerben oder das Examen des Nacherben reichen aus.[8]

 

Rz. 5

Das Merkmal "in der Person" ist großzügig auszulegen; das "Ereignis" muss mit der Person nicht besonders eng verknüpft sein.[9] Umstritten ist, ob es ausreicht, dass die Person das Ereignis nur erlebt (z.B. Wiedervereinigung).[10] Ein Teil der Lit. nimmt an, dass das Ereignis den Vor- oder Nacherben in persönlicher, rechtlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht zu beeinflussen geeignet sein muss.[11] Die aus dieser Einschränkung resultierende Abgrenzungsproblematik[12] führt jedoch angesichts der stark vom subjektiven Empfinden abhängenden Wertung, wann ein Ereignis den Vor- oder Nacherben (noch) berührt, zu unnötigen Rechtsunsicherheiten. Mit Rücksicht darauf, dass der Erblasser den Eintritt des Nacherbfalls ohnehin auf den Tod hinausschieben kann und die Wirkung der Nacherbeinsetzung gleichzeitig durch die Lebenszeit der bedachten Personen begrenzt wird, ist es daher vorzugswürdig, allein darauf abzustellen, ob die Person das Ereignis erlebt.[13] Das praktisch wichtigste Beispiel für ein Ereignis i.S.v. Nr. 1 ist der Tod des Vorerben als Bedingung für den Nacherbfall. Dieser tritt also auch dann ein, wenn der Vorerbe den...

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