Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufswidrige Werbung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die mit Billigung eines Rechtsanwalts am Kopf eines von ihm verfaßten Presseartikels abgedruckte Bezeichnung als „Experte für Partnerschaftsfragen und Mietrecht” kann als berufswidrige Werbung i. S. von § 43 BRAO gewertet werden.

2. Rechtsanwälte müssen bei Presseartikeln, die nicht auf Werbung abzielen, sondern der Information dienen, nicht im Rahmen vertraglicher Bindungen durch geeignete Auflagen die Form und Aufmachung des Beitrags kontrollieren.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 S. 1; BRAO § 43; StBerG 1975 § 57

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 25.07.1988; Aktenzeichen AnwZ (B) 15/88)

BGH (Beschluss vom 25.07.1988; Aktenzeichen AnwSt (B) 6/88)

Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte München (Entscheidung vom 10.11.1987; Aktenzeichen BayEGH II - 19/86)

 

Tatbestand

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verhängung standesrechtlicher Maßnahmen wegen Verstoßes gegen das anwaltliche Werbeverbot.

I.

1. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt vereinbarte im Dezember 1985 mit dem Verlag „B. GmbH”, der ein kostenloses Anzeigenblatt vertreibt, die Veröffentlichung von ihm verfaßter Artikel über Fragen des Miet-, Ehe- und Partnerschaftsrechts. Er genehmigte seine Bezeichnung als „Experte für Partnerschaftsfragen und Mietrecht” jeweils am Kopf des Artikels.

Im Oktober 1986 gab der Beschwerdeführer in seinen Kanzleiräumen ein Interview, das in einem Magazin veröffentlicht wurde. Der Beschwerdeführer wurde als „Mietrechts-Spezialist” und „Rechtsanwalt” vorgestellt.

2. Wegen dieser Sachverhalte verhängte das Ehrengericht gegen den Beschwerdeführer jeweils einen Verweis und Geldbußen in Höhe von je 4.000 DM.

Der Ehrengerichtshof verwarf nach Verbindung beider Verfahren die Berufungen mit der Maßgabe, daß der Beschwerdeführer zu einem Verweis und einer Geldbuße von 8.000 DM verurteilt wurde. Das in den Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts niedergelegte und aus § 43 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)herleitbare Verbot der gezielten Werbung um Praxis umfasse das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten. Die Bezeichnung als „Experte für Partnerschaftsfragen und Mietrecht” in den Artikeln des Anzeigenblattes und als „Mietrechts-Spezialist” in dem Interview bedeute eine reklamehafte Herausstellung des Beschwerdeführers, die nicht auf dessen Leistungen oder staatlich anerkannten Prüfungen beruhe.

Der Bundesgerichtshof wies die vom Beschwerdeführer eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ohne Begründung zurück (§ 145 Abs. 5 Satz 2 BRAO).

3. Mit Beschluß vom selben Tage wies der Bundesgerichtshof eine weitere Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. Diese betraf ein berufsgerichtliches Verfahren, in dem der Beschwerdeführer vergeblich beantragt hatte, ihm die Bezeichnung „Fachanwalt für Miet- und Familienrecht” zu gestatten.

II.

1. Mit seiner gegen die Entscheidung des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte und die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 3 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Es verstoße gegen Art. 12 und Art. 5 GG, daß bereits die bloße Bezeichnung „Spezialist” oder „Experte”, ohne den gleichzeitigen Hinweis auf seinen Beruf, als standeswidrige Werbung behandelt wurde.

Der Gleichheitssatz werde dadurch verletzt, daß die Rechtsanwaltskammer einerseits Fachanwaltsbezeichnungen zulasse, andererseits aber die Bezeichnung als Experte oder Spezialist verbiete, obwohl zwischen den Bezeichnungen kein Unterschied bestehe. Darüber hinaus verstoße es gegen Art. 3 und Art. 12 GG, daß ihm nicht gestattet werde, sich als „Fachanwalt für Miet- und Familienrecht” zu bezeichnen.

Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 25. Juli 1988 (AnwSt 6/88) sei verfassungswidrig, weil er keine Begründung enthalte.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und der Deutsche Anwaltverein halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerde zwar ebenfalls für unbegründet, sie bezweifelt jedoch, daß die Duldung der Bezeichnung „Mietrechtsspezialist” im Zusammenhang mit einem Interview für sich allein ausgereicht hätte, um den Vorwurf eines Standesverstoßes zu rechtfertigen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig. Im übrigen ist sie zum Teil offensichtlich begründet (§ 93 c BVerfGG). Für die weitergehende Verfassungsbeschwerde fehlen Annahmegründe nach § 93 a Abs. 2 BVerfGG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 2. August 1993 (BGBl. I S. 1442), der nach Art. 8 des Gesetzes auch auf die bereits anhängigen Verfahren Anwendung findet. I.

Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Substantiierung unzulässig, soweit sie sich gegen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs richtet.

Den Beschluß in Sachen AnwZ (B) 15/88 greift der Beschwerdeführer mit der Behauptung an, dieser verletze materielles Recht. Er legt jedoch nicht dar, weshalb die Entscheidung, die seine sofortige Beschwerde als unzulässig verwirft, Grundrechte verletzen könnte.

Bezüglich des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses (AnwSt 6/88) rügt der Beschwerdeführer lediglich die fehlende Begründung. Dem Grundgesetz läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß jede gerichtliche Entscheidung – insbesondere eine den Rechtsweg abschließende Entscheidung – mit einer Begründung zu versehen ist (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫).

II.

Die angegriffene Entscheidung des Ehrengerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie die Duldung der Bezeichnung als „Mietrechtsspezialist” in einem Magazin als berufswidrige Werbung wertet.

Die Erteilung eines Verweises und die Auferlegung einer Geldbuße greifen in die Freiheit der Berufsausübung ein. Sie beschränken den Beschwerdeführer in seiner beruflichen Außendarstellung und unterwerfen ihn bei Presseveröffentlichungen besonderen Berufspflichten. Für diesen Eingriff fehlt hier die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage.

Die angegriffene Entscheidung stützt die standesrechtlichen Maßnahmen auf die Generalklausel des § 43 BRAO in Verbindung mit § 2 der Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts. Aus § 43 BRAO in Verbindung mit dem gesetzlichen Berufsbild des Rechtsanwalts läßt sich jedoch über das bereits aus § 3 UWG zu entnehmende Verbot der irreführenden Werbung hinaus nur das Verbot solcher Werbung herleiten, die nach Form und Inhalt das gesetzlich normierte Berufsbild des Rechtsanwalts verfälscht. Als solche Werbung sind aufdringliche Werbemethoden anzusehen, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind, wie das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten (gezielte Werbung um Praxis) oder das sensationelle bzw. reklamehafte Sich-Herausstellen (vgl. BVerfGE 76, 196 ≪205 f.≫).

Eine Pflicht, werbende Presseartikel zu unterbinden, könnte aus § 43 BRAO allenfalls insoweit abgeleitet werden, als eine Umgehung des berufsrechtlichen Werbeverbots vorliegt. Sie kann also nicht weiter gehen als das Verbot der Irreführung und der reklamehaften Selbstdarstellung. Nur soweit gezielte Werbung zu erwarten ist, können geeignete Vorkehrungen des Rechtsanwalts – gestützt auf das Werbeverbot – verlangt werden. Dies hat der Ehrengerichtshof verkannt. Er hat es als Pflicht des Beschwerdeführers angesehen, auch bei der Veröffentlichung eines Interviews, dessen Inhalt ausschließlich der Information über gewerbliches Mietrecht diente, durch geeignete Auflagen im Rahmen vertraglicher Bindung die Form und Aufmachung des Beitrags zu kontrollieren. Eine solche Pflicht läßt sich aus dem verfassungsrechtlich zulässigen Werbeverbot nicht herleiten. Für Artikel, die nicht auf Werbung zielen, sondern der Information dienen, kann der Vorbehalt einer Genehmigung mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage nicht verlangt werden. Die Gefahr einer Umgehung des Werbeverbots ist hier auch so gering, daß die Freiheit der Berufsausübung unverhältnismäßig eingeschränkt würde, wenn ein Rechtsanwalt verpflichtet würde, dafür zuverlässig Vorsorge zu treffen.

III.

Soweit der Ehrengerichtshof hingegen die mit Billigung des Beschwerdeführers erfolgte Bezeichnung in dem Anzeigenblatt als „Experte für Partnerschaftsfragen und Mietrecht”, als berufswidrige Werbung nach § 43 BRAO bewertet, kommt dem keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist nicht angezeigt.

Die von dem Beschwerdeführer gebilligte Bezeichnung als „Experte für Partnerschaftsfragen und Mietrecht” ist Ausdruck einer vagen, mangels überprüfbarer Kriterien keiner Kontrolle zugänglichen, subjektiven Bewertung. Ob sie reklamehaft wirkt, hängt von den Begleitumständen ab, die die Fachgerichte zu würdigen haben. Hier konnte ihr Zweck darin gesehen werden, die Person des Beschwerdeführers gegenüber anderen Rechtsanwälten herauszustellen. Es fehlte jede nachprüfbare Information über die Leistung des Beschwerdeführers. Die nicht auf überprüfbaren Kriterien beruhende und damit unkontrollierbare Anpreisung konnte als reklamehafte Herausstellung gewertet werden, ohne daß eine Verkennung von Grundrechten ersichtlich wäre.

IV.

Da der Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte die angenommenen Verstöße des Beschwerdeführers zusammenfassend gewürdigt und mit einer Sanktion belegt hat, mußte seine Entscheidung insgesamt aufgehoben werden. Denn die gegen Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 GG verstoßende Auslegung des anwaltlichen Werbeverbots bezüglich der geduldeten Veröffentlichung des Interviews hat sich auf die Bemessung der Höhe der Geldbuße ausgewirkt, ohne daß der entsprechende Teil vom Bundesverfassungsgericht errechnet werden könnte.

Das Verfahren ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an den Ehrengerichtshof zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Da der Beschwerdeführer in der Sache nur einen Teilerfolg erzielt hat, ist es angemessen, daß die ihm erwachsenen Kosten nur zu einem Teil erstattet werden.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

NJW 1994, 123

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