Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachenrechtliches Moratorium

 

Beteiligte

Rechtsanwälte Jörg-Konrad Becker und Koll.

 

Verfahrensgang

BGH (Zwischenurteil vom 24.09.1998; Aktenzeichen V ZR 366/97)

KG Berlin (Urteil vom 02.10.1997; Aktenzeichen 8 U 1490/96)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1, 3 und 4 EGBGB in der Fassung des Sachenrechtsänderungsgesetzes (SachenRÄndG) vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2457; im Folgenden: EGBGB 1994).

I.

Durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB 1994 ist das in Satz 1 der Regelung eingeräumte Recht zum Besitz (so genanntes sachenrechtliches Moratorium; vgl. dazu BVerfGE 98, 17 ≪22 f.≫) für die Fälle des § 3 Abs. 3 und der §§ 4 und 121 des als Art. 1 SachenRÄndG ergangenen Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) bis zum Abschluss der Sachenrechtsbereinigung verlängert worden. Nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 und 5 EGBGB 1994 konnte in den Fällen, in denen die Nutzung eines dem Moratorium unterliegenden Grundstücks bis dahin unentgeltlich erfolgte, der Grundstückseigentümer – vorbehaltlich abweichender vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen – ab dem 1. Januar 1995 vom Nutzer ein Entgelt bis zur Höhe des nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu zahlenden Erbbauzinses verlangen, wenn er ein notarielles Vermittlungsverfahren nach den §§ 87 bis 102 SachenRBerG beantragt oder sich in einem solchen Verfahren auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hatte (vgl. BVerfGE 98, 17 ≪24≫).

II.

1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines im Ostteil Berlins gelegenen Grundstücks, das mit einer Lagerhalle und einem Schuppen bebaut ist und mindestens seit 1993 von der Beklagten des Ausgangsverfahrens genutzt wird. Die Beschwerdeführerin verlangte in diesem Verfahren die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe des Grundstücks und zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit von Januar 1993 bis Januar 1995. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Kammergericht die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen:

Die Beschwerdeführerin könne nicht die Herausgabe ihres Grundstücks verlangen, weil der Beklagten nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a, Satz 3 EGBGB in Verbindung mit § 4 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe b SachenRBerG ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB zustehe. Die Beklagte sei Gesamtrechtsnachfolgerin eines früheren volkseigenen Betriebs, der mit staatlicher Billigung das Grundstück mit der Lagerhalle bebaut habe, und habe die Halle im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Sachenrechtsmoratoriums selbst genutzt.

Die Beschwerdeführerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Das ergebe sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 aus Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB 1994. Für die Zeit ab 1. Januar 1995 bestehe kein Anspruch, weil die Voraussetzungen von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB 1994 nicht gegeben seien. Soweit die Beschwerdeführerin vortrage, das Sachenrechtsbereinigungsgesetz verstoße gegen Art. 14 GG, und zwar insbesondere insofern, als ihr nicht einmal ein Anspruch auf Nutzungsentgelt zustehe, sei dem nicht zuzustimmen.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beschwerdeführerin angenommen, soweit ihr Nutzungsentgelt für die Zeit von Januar 1993 bis einschließlich Dezember 1994 versagt worden ist; im Übrigen hat er sie nicht angenommen, weil insoweit die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg habe. Im Umfang der Annahme hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Kammergerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofs, soweit die Revision nicht angenommen wurde. Sie rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG.

Die Beklagte könne sich zumindest für die Zeit ab In-Kraft-Treten des Sachenrechtsänderungsgesetzes nicht mehr auf Art. 233 § 2 a EGBGB oder die Bestimmungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes berufen. Mit diesem Gesetz habe der Gesetzgeber seine Regelungsbefugnis überschritten. Der Grundstückseigentümer könne nicht mehr frei über das Eigentum verfügen, wenn er verpflichtet sei, auf Verlangen des Nutzers sein Grundstück zu verkaufen oder an diesem ein Erbbaurecht zu bestellen.

Öffentliche Belange erforderten die den Nutzern fremder Grundstücke eingeräumten Ansprüche nicht. Insbesondere bei gewerblicher Nutzung sei der Nutzer nicht auf die Nutzung fremden Grund und Bodens angewiesen, weil die privatwirtschaftliche Tätigkeit auch an einem anderen Ort vorgenommen werden könne. Baulichen Investitionen des Nutzers und seinem Vertrauen in den Fortbestand seiner Nutzungsmöglichkeit hätte durch schuldrechtliche Regelungen, die es dem Nutzer erlaubten, das bebaute Grundstück zu angemessenen Nutzungsentgelten, möglicherweise für die restliche Nutzungsdauer des Gebäudes oder der baulichen Anlage, weiter zu nutzen, in einer das Grundstückseigentum weniger beeinträchtigenden Weise Rechnung getragen werden können. § 31 SachenRBerG sehe dies für einen Ausnahmefall ohnehin vor. Die Beschränkung dieser Vorschrift auf den dort geregelten Fall verstoße auch gegen das Willkürverbot. Denkbar wäre auch, dem Grundstückseigentümer über die Fälle des § 81 SachenRBerG hinaus das Recht einzuräumen oder bei entsprechendem Verlangen des Nutzers die Verpflichtung aufzuerlegen, das von diesem errichtete Bauwerk anzukaufen. Die den Nutzern eingeräumten Ansprüche entsprächen nicht lediglich Beschränkungen, denen das Grundeigentum beim Beitritt bereits unterlegen habe. Die Nutzer hätten nach den in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Vorschriften nicht damit rechnen können, das Eigentum an den von ihnen genutzten Grundstücken zu erwerben, insbesondere wenn Gebäudeeigentum nicht habe entstehen können.

Im Übrigen spreche gegen die Verfassungsmäßigkeit des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, dass die Eigentumsbeschränkung, die mit dem darin begründeten Besitzrecht verbunden sei, weder im Einigungsvertrag noch in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 889, 1237) vorgesehen gewesen sei.

Auch soweit der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit ab 1995 versagt werde, sei sie in ihrem Eigentumsrecht verletzt. Die Neufassung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 bis 8 EGBGB durch das Grundstücksrechtsänderungsgesetz (GrundRÄndG) vom 2. November 2000 (BGBl I S. 1481) habe keine Auswirkungen auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren. Für die Zeit ab 1. Januar 1995 werde der Nutzungsentgeltanspruch des Grundstückseigentümers weiter von den schon in Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB 1994 normierten Voraussetzungen abhängig gemacht.

3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, das Sächsische Staatsministerium der Justiz für die Sächsische Landesregierung und der Präsident des Bundesgerichtshofs Stellung genommen.

 

Entscheidungsgründe

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich dagegen wendet, dass die Zivilgerichte im Ausgangsverfahren den von der Beschwerdeführerin für Januar 1995 geltend gemachten Nutzungsentgeltanspruch abgelehnt haben, fehlt ihr die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die Rechtslage, die für diese Entscheidung maßgebend war, inzwischen geändert worden ist. Durch Art. 4 Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa und bb GrundRÄndG ist Satz 4 des Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB 1994 durch die Neuregelung in den Sätzen 4 bis 8 ersetzt worden. Ziel dieser Neuregelung ist es vor allem, den Nutzungsentgeltanspruch des Grundstückseigentümers auf den Zeitpunkt zu erstrecken, in dem der Grundstückseigentümer im Hinblick auf § 16 Abs. 2 und 3 SachenRBerG einen Anspruch nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB 1994 aus Rechtsgründen regelmäßig noch nicht geltend machen konnte (vgl. BTDrucks 14/3508, S. 9 f.). Verfassungsrechtliche Rechtsfragen, die sich auf diese durch die nunmehr geltende Regelung ersetzte Vorschrift beziehen, betreffen ausgelaufenes Recht und haben deshalb keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung mehr. Anderes kann sich nicht etwa daraus ergeben, dass noch eine Vielzahl von Fällen nach der alten Rechtslage zu beurteilen wäre. Denn für das Vorliegen eines solchen Sachverhalts ist nichts ersichtlich und auch von der Beschwerdeführerin nichts geltend gemacht worden.

Vor diesem Hintergrund ist eine Annahme der Verfassungsbeschwerde wegen des von der Beschwerdeführerin für Januar 1995 verlangten Nutzungsentgelts auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten angezeigt. Denn der Beschwerdeführerin entsteht durch die Versagung der Entscheidung zur Sache kein schwerer Nachteil. Ihr bleibt es unbenommen, auf der Grundlage der durch das Grundstücksrechtsänderungsgesetz geschaffenen neuen Rechtslage ihren Nutzungsentgeltanspruch für Januar 1995, gegebenenfalls auch in dem beim Kammergericht noch anhängigen Rechtsstreit, neu geltend zu machen. Hat sie damit Erfolg, entfällt insoweit jede Beschwer. Bleibt sie mit einem solchen Begehren dagegen erfolglos, hat sie, wenn sie die dafür gegebene Begründung für grundrechtswidrig hält, die Möglichkeit, deswegen erneut Verfassungsbeschwerde zu erheben. Auch in diesem Fall erleidet die Beschwerdeführerin demnach keinen endgültigen Rechtsverlust.

2. Auch soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Verneinung eines Herausgabeanspruchs der Beschwerdeführerin richtet, fehlt der Verfassungsbeschwerde die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die für ihre Beurteilung insoweit maßgeblichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. vor allem BVerfGE 98, 17; 101, 54). Danach ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich des geltend gemachten Herausgabeanspruchs unbegründet.

a) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen insoweit nicht gegen Art. 14 GG.

aa) Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB, auf den das Kammergericht das Besitzrecht der Beklagten gestützt hat, ist mit der Eigentumsgarantie vereinbar.

aaa) Für Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der Fassung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes hat dies das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 8. April 1998 (BVerfGE 98, 17 ≪37 ff.≫) entschieden. Das Sachenrechtsmoratorium dieser Regelung stelle eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums an den betroffenen Grundstücken dar. Die damit verbundenen Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse seien durch die Zielsetzung des Gesetzes gerechtfertigt, aus der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik überkommene, sei es rechtlich begründete, sei es tatsächlich entstandene Nutzungsverhältnisse vorläufig, bis zur endgültigen gesetzlichen Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Grundstückseigentümer und Nutzer, zu sichern und damit auch Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten zu garantieren.

bbb) Nichts anderes gilt für die hier in Rede stehende Verlängerung des Moratoriums durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB 1994.

(1) Das Ziel dieser Regelung, nach der in den Fällen des § 3 Abs. 3 und der §§ 4 und 121 SachenRBerG das Besitzrecht des Grundstücksnutzers nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB bis zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse zwischen ihm und dem Grundstückseigentümer fortbesteht, ist mit demjenigen des Sachenrechtsmoratoriums identisch (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 184). Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB führt auch, wenn die jetzt mit dem Grundstücksrechtsänderungsgesetz geschaffene Nutzungsentgeltregelung mit berücksichtigt wird, zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Grundstückseigentümer und der Nutzer (vgl. im Übrigen schon BVerfGE 98, 17 ≪38 ff.≫). Bei der Verlängerung des Moratoriums durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB handelt es sich deshalb ebenfalls um eine Regelung, durch die im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Grundstückseigentums in zulässiger Weise bestimmt werden.

(2) Diese Beurteilung kann nicht damit in Zweifel gezogen werden, dass geltend gemacht wird, die Instrumentarien der Sachenrechtsbereinigung seien ihrerseits nicht verfassungsgemäß. Denn das dem Nutzer in § 15 Abs. 1 SachenRBerG eingeräumte Recht, entweder die Bestellung eines Erbbaurechts am Grundstück oder dessen Ankauf grundsätzlich zur Hälfte des für die entsprechende Nutzung üblichen Zinses oder des Bodenwerts (vgl. § 43 Abs. 1, § 68 Abs. 1 SachenRBerG) verlangen zu können, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es steht insbesondere mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang. Dazu kann auf den als Anlage beigefügten Nichtannahmebeschluss der Kammer vom 22. Februar 2001 – 1 BvR 198/98 – verwiesen werden. Dieser bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf das Ankaufsrecht des Nutzers. Die dazu gemachten Ausführungen gelten aber gleichermaßen für das Recht des Nutzers auf Bestellung eines Erbbaurechts an dem von ihm genutzten Grundstück. Damit wird dasselbe legitime Regelungsziel wie mit dem Ankaufsrecht verfolgt. Aus den zu diesem Recht angestellten Erwägungen führt auch das Recht des Nutzers auf Erbbaurechtsbestellung zu einem angemessenen, die Belange des Grundstückseigentümers hinreichend berücksichtigenden Interessenausgleich. Dies gilt umso mehr, als ein Erbbaurecht den Bestand des Grundeigentums unangetastet lässt und seine Bestellung daher in der Regel für den Grundstückseigentümer weniger belastend sein dürfte als der Ankauf des Grundstücks durch den Nutzer.

Das Beschwerdevorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis. In dem Kammerbeschluss vom 22. Februar 2001 ist bereits dargelegt worden, dass die Nutzer aufgrund der Rechtslage und Rechtswirklichkeit in der Deutschen Demokratischen Republik darauf vertrauen durften, die von ihnen errichteten Gebäude und baulichen Anlagen unbefristet nutzen zu können, und bei einem Ankauf des Gebäudes oder der Anlage im Falle einer gewerblichen Nutzung ihre Betriebsstätte verlieren würden. Der Gesetzgeber durfte bei dem im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorzunehmenden Interessenausgleich davon ausgehen, dass dem Nutzer ein solcher seine berufliche Existenz betreffender Verlust weniger zumutbar ist als für den Grundstückseigentümer die Belastung seines Grundstücks durch Erbbaurechtsbestellung oder der Rechtsverlust durch dessen Ankauf.

Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen auch nicht verpflichtet, die baulichen Investitionen der Nutzer nur schuldrechtlich abzusichern. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Regelung des § 31 SachenRBerG betrifft einen Ausnahmefall. Danach kann der Grundstückseigentümer den Abschluss eines Erbbaurechts- oder Grundstückskaufvertrags unter anderem dann verweigern, wenn das vom Nutzer errichtete Gebäude oder die bauliche Anlage gewerblich genutzt wird, dem Nutzer ein Nutzungsrecht nicht bestellt wurde und die Restnutzungsdauer des Gebäudes oder der baulichen Anlage in dem Zeitpunkt, in dem der Nutzer seine Ansprüche geltend macht, weniger als 25 Jahre beträgt. In diesem Fall wäre ein Erbbaurecht mit kurzer Laufzeit nicht mehr vernünftig beleihbar (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 ErbbauVO) und die Gewährung eines Ankaufsrechts nicht gerechtfertigt, weil der auf den Nutzer entfallende Bodenwertanteil sehr gering ist (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 75, 130). Deshalb kann der Nutzer vom Grundstückseigentümer lediglich den Abschluss eines Mietvertrags über die für die Gebäudenutzung erforderliche Fläche verlangen, dessen Laufzeit nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes zu bemessen ist (vgl. § 31 Abs. 2 SachenRBerG). Mit einer solchen Lösung für alle vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz erfassten Fälle wäre die im öffentlichen Interesse liegende Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Sachenrechts nicht erreichbar gewesen. Sie hätte auch dazu geführt, dass entgegen der legitimen gesetzgeberischen Absicht auf den bebauten Grundstücken für längere Zeit verkehrsfähige und beleihbare Rechte nicht entstanden wären (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 2).

Dass in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 Ansprüche, wie sie dem Nutzer in § 15 Abs. 1 und den §§ 32 ff. und 61 ff. SachenRBerG eingeräumt worden sind, nicht vorgesehen waren, führt schon deshalb nicht zur Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften, weil die genannte Erklärung die Wiedergutmachung von rechtsstaatswidrigen Vermögensverlusten in der Deutschen Demokratischen Republik (vgl. BVerfGE 95, 48 ≪58≫), das Sachenrechtsbereinigungsgesetz dagegen die endgültige Angleichung der in der Deutschen Demokratischen Republik entstandenen Nutzungsverhältnisse an das Immobiliarsachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs betrifft (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 59 f.; BVerfGE 98, 17 ≪23≫). Mit der Aufrechterhaltung des selbständigen Gebäudeeigentums und der in der Deutschen Demokratischen Republik begründeten Nutzungsrechte durch das Gesetz vom 23. September 1990 (BGBl II S. 885) zum Einigungsvertrag (vgl. dessen Anlage I Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 1; Art. 231 § 5, Art. 233 § 3 EGBGB; s. dazu auch BVerfGE 98, 17 ≪21≫) war diese Angleichung bereits eingeleitet und durch das verfassungsgemäße Sachenrechtsmoratorium des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Durchführung der Sachenrechtsbereinigung weiter offen gehalten worden. Die Eigentümer von Grundstücken, die in der Deutschen Demokratischen Republik durch Dritte bebaut worden sind, mussten also bereits seit der Wiedervereinigung mit einer Rechtsangleichung rechnen. Dass diese nur in Schritten erreichbar war, ist bei der Beurteilung ihrer Verfassungsmäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 101, 54 ≪76≫, sowie den Kammerbeschluss vom 22. Februar 2001). Es führt daher nicht zur Verfassungswidrigkeit der dem Nutzer im Sachenrechtsbereinigungsgesetz eingeräumten Ansprüche, dass diese im Zeitpunkt der Wiedervereinigung noch nicht absehbar waren.

bb) Dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB sowie von § 4 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe b SachenRBerG Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. zum Maßstab BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 79, 292 ≪303≫) verkannt haben könnten, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin hat dazu auch nichts vorgetragen.

b) Die angegriffenen Entscheidungen sind, soweit sie einen Herausgabeanspruch der Beschwerdeführerin verneint haben, auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

aa) Der Gesetzgeber hat mit Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB 1994 ebenso wenig wie mit dem Sachenrechtsmoratorium und dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot verstoßen. Es kann nach den Ausführungen im Kammerbeschluss vom 22. Februar 2001 und den vorstehenden Darlegungen zu Art. 14 GG (vgl. oben unter III 2 a aa bbb ≪2≫) nicht als sachfremd (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫) angesehen werden, dass der Gesetzgeber nur in den Fällen des § 31 SachenRBerG den Anspruch des Nutzers auf Abschluss eines Mietvertrags beschränkt und dem Grundstückseigentümer lediglich in den Fällen des § 81 Abs. 1 SachenRBerG das Recht eingeräumt hat, das vom Nutzer errichtete Gebäude oder die bauliche Anlage anzukaufen oder die aus der baulichen Investition begründeten Rechte abzulösen.

bb) Es ist schließlich nicht erkennbar, dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 und 3 EGBGB sowie von § 4 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe b SachenRBerG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen haben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Jaeger, Hömig, Bryde

 

Fundstellen

Haufe-Index 567603

VIZ 2001, 337

WM 2001, 990

WuB 2001, 857

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