Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsbegründende Kausalität bei einer Altenpflegehelferin. Ausschluß der Berufung

 

Orientierungssatz

1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit nach Nr 3101 der Anlage 1 zur BKVO (hier: Tätigkeit in einem Altenpflegeheim) grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, daß der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (BSG vom 29.1.1974 - 8/7 RU 58/71). Bei diesem Nachweis kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, daß sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (BSG vom 28.9.1972 - 7 RU 34/72 = USK 72148).

2. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz (BSG vom 17.12.1965 - 5 RKn 112/62 = BSGE 24, 181), daß Pflegestationen von Altersheimen besonders hepatitisgefährdete Einrichtungen sind.

3. Die Berufung ist nicht nach § 145 Nr 2 SGG ausgeschlossen, wenn sie zum maßgebenden Zeitpunkt der Berufungseinlegung eine umfassende, zeitlich unbegrenzte Verurteilung dem Grunde nach zur Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen einer Berufskrankheit betrifft.

 

Normenkette

SGG § 145 Nr 2, § 143; RVO § 551 Abs 1; BKVO Anl 1 Nr 3101

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 08.10.1986; Aktenzeichen L 3 U 180/85)

SG Koblenz (Entscheidung vom 06.08.1985; Aktenzeichen S 10 U 108/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Entschädigung der Folgen einer Hepatitis B als Berufskrankheit (BK).

Die Klägerin war auf der I. Pflegestation eines Altenheims als Altenpflegehelferin beschäftigt. Es waren 17 Pfleglinge zu betreuen, von denen etwa 6 bis 8 bettlägerig waren. Diese mußten entsprechend den Aufgaben der Alten- und Krankenpflege vollständig versorgt werden. Nach den Angaben des Trägers des Altenheims wurden auf der I. Pflegestation während der Tätigkeit der Klägerin keine nachweislich an Hepatitis erkrankten Personen betreut.

Die Klägerin war ab 6. Mai 1982 wegen einer Hepatitis B arbeitsunfähig krank und bezog bis zum 7. Dezember 1983 Krankengeld. Nach einem fachinternistisch-gastroenterologischen Gutachten vom 25. Oktober 1983 litt die Klägerin ua an einer chronisch aktiven Hepatitis B als BK. Die Gutachter schätzten die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 60 vH und nahmen an, daß der Versicherungsfall im Februar 1982 eingetreten sei. Der staatliche Gewerbearzt empfahl die Anerkennung einer BK gemäß Nr 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO).

Der Beklagte lehnte die Gewährung einer Entschädigung mit der Begründung ab, es sei nicht nachgewiesen, daß die Klägerin während der Ansteckungszeit beruflichen Kontakt mit an Hepatitis erkrankten Personen gehabt habe (Bescheid vom 23. Februar 1984).

Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Februar 1984 verpflichtet, bei der Klägerin das Vorliegen einer BK anzuerkennen und sie nach den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen, insbesondere eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 vH für den Zeitraum vom 7. Dezember 1983 bis 30. Juni 1984 und nach einer MdE von 30 vH für den Zeitraum vom 1. Juli 1984 bis zum 28. Februar 1985 zu gewähren (Urteil vom 6. August 1985). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Beklagten insoweit als unzulässig verworfen, als er zur Gewährung von Verletztenrente für die Zeit vom 7. Dezember 1983 bis zum 28. Februar 1985 verurteilt worden ist, und das Rechtsmittel im übrigen als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 8. Oktober 1986). Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Gewährung von Verletztenrente vom 7. Dezember 1983 bis 28. Februar 1985 wende, sei die Berufung nach § 145 Nr 2 Alternative 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, da sie nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betreffe. Statthaft sei die Berufung, soweit der Beklagte zur Anerkennung einer BK verurteilt worden sei, denn diese Verpflichtung sei zeitlich uneingeschränkt und umfassend ausgesprochen worden und begründe deshalb einen den Beklagten beschwerenden zusätzlichen Streitgegenstand. Die Berufung sei jedoch insoweit unbegründet. Die Klägerin gehöre zu dem nach Nr 3101 der Anlage 1 zur BKVO geschützten Personenkreis und es sei wahrscheinlich, daß sie sich die Hepatitis B bei ihrer Tätigkeit in dem Altenpflegeheim zugezogen habe. Der für die Anerkennung als BK erforderliche Kausalzusammenhang sei bei Infektionskrankheiten bereits dann gegeben, wenn die Ansteckungsgefahr bei der beruflichen Tätigkeit die allgemeine Gefährdung im täglichen Leben weit übersteige. Auf eine erhöhte Hepatitisgefährdung der Klägerin sei daraus zu schließen, daß sie damit habe rechnen müssen, in dem Altenpflegeheim in größerem Umfang mit an Hepatitis erkrankten Menschen zusammenzukommen als in ihrem privaten Umfeld. Denn ältere, pflegebedürftige, zum Teil bettlägerige Menschen seien erhöht für Infektionskrankheiten anfällig. Wenn auch die Gefahr, in dem Altenpflegeheim mit unerkannt Erkrankten zusammenzukommen, nur geringfügig höher gewesen sein möge als in ihrem täglichen Leben, so sei doch die Tätigkeit der Klägerin besonders geeignet gewesen, dieses geringfügig erhöhte Risiko in einer Infektion zu realisieren. Da die Serumhepatitis durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen übertragen werde, habe sich die sehr hohe Gefahr, mit Infektionsmaterial in Berührung zu kommen, vielfältig verwirklichen müssen.

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nr 3101 der Anlage 1 zur BKVO. Die Berufstätigkeit der Klägerin als Pflegehelferin sei nicht mit besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahren, an Hepatitis zu erkranken, verbunden gewesen. Ein Altenpflegeheim gehöre nicht zu den hepatitisgefährdeten Einrichtungen, in welchen wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr eine berufliche Verursachung der Erkrankung ohne weiteren Nachweis angenommen werden könne. Eine berufliche Verursachung der Hepatitis erfordere deshalb den Nachweis, daß die Klägerin während der Inkubationszeit unmittelbaren Kontakt insbesondere mit Blut und Ausscheidungen von namentlich benannten Patienten gehabt habe, die nachweislich an Hepatitis erkrankt gewesen seien. Da ein solcher Nachweis nicht habe erbracht werden können, sei es nicht wahrscheinlich, daß sich die Klägerin die Hepatitis B bei ihrer beruflichen Tätigkeit zugezogen habe.

Der Beklagte beantragt,

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Oktober 1986 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Nach ihrer Auffassung rechtfertigen es die vom LSG getroffenen Feststellungen, die Pflegestation des Altenheims den besonders hepatitisgefährdeten Einrichtungen gleichzustellen. Angesichts der Art der von ihr verrichteten beruflichen Tätigkeit habe das LSG die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich bei ihrer Arbeit infiziert habe, zu Recht bejaht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung steht der Klägerin nicht zu, weil die bei ihr festgestellte Hepatitis B nicht die Voraussetzungen einer BK erfüllt.

Das LSG hätte die Berufung des Beklagten auch nicht teilweise als unzulässig verwerfen dürfen, sondern ihr in vollem Umfang stattgeben müssen.

Die Berufung betrifft keinen selbständigen Anspruch auf Rente für bereits abgelaufene Zeiträume, dessentwegen sie insoweit nach § 145 Nr 2 SGG unzulässig gewesen wäre (s BSG SozR 1500 § 146 Nr 14 mwN). Vielmehr folgt ihre Zulässigkeit aus § 143 SGG. Die Berufung betrifft zum maßgebenden Zeitpunkt der Berufungseinlegung eine umfassende, zeitlich unbegrenzte Verurteilung dem Grunde nach zur Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen einer BK. Die unbegrenzte Verurteilung entspricht der auch in dem medizinischen Sachverständigengutachten ausgewiesenen Ungewißheit über die Dauer der Hepatitisfolgen in entschädigungspflichtigem Umfang (s BSG SozR 1500 § 145 Nr 7). Demgegenüber betrifft die mit dem Wort "insbesondere" eingeleitete Verurteilung der Höhe nach zur bestimmten Rentenleistung für die Zeit vom 7. Dezember 1983 bis zum 28. Februar 1985 nicht einen selbständigen Rentenanspruch, sondern nur denjenigen Teil des Rentenanspruchs, der dem SG gerade auch der Höhe nach entscheidungsreif erschien. Er ist nur ein unselbständiger Teil des gesamten Entschädigungsanspruchs, der entsprechend dem Klagebegehren auch Rente für zukünftige Zeiten je nach Krankheitsentwicklung umfassen soll. Dementsprechend hat das SG die Klage insoweit gerade nicht abgewiesen. Wegen seiner Unselbständigkeit steht dieser Anspruchsteil von vornherein in einem präjudiziellen Abhängigkeitsverhältnis zu dem Hauptanspruch. Das bestätigt die Zulässigkeit der Berufung insgesamt (s SozR 1500 § 146 Nr 19).

Schließlich bezeichnet daneben das Begehren und die Verurteilung, eine BK anzuerkennen, keinen eigenständigen Klageanspruch. Eine Feststellung dieser Art, die an sich iS von § 55 Abs 1 Nr 3 SGG zulässig sein könnte (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl Band II S 240m IV), wird von dem Leistungsanspruch nach den gesetzlichen Voraussetzungen mitumfaßt, ohne daß ihr eine selbständige Bedeutung zukommt.

Die unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), reichen aus, um trotz der verfahrensfehlerhaften Verwerfung eines Teils der Berufung als unzulässig in der Sache zu entscheiden und die Klage abzuweisen (s BSGE 25, 251, 254; BSG SozR 1500 § 170 Nr 4 und § 146 Nr 16 sowie 2200 § 1248 Nr 39).

Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall eine BK. BKen sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das Recht der BKen beruht auf dem in der Unfallversicherung allgemein geltenden Verursachungsprinzip. Der Versicherte wird wie beim Unfall vom Versicherungsschutz nur umfaßt, wenn er die in einer BKVO bezeichnete Krankheit bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO aufgeführten Tätigkeiten erleidet, die Krankheit also eine BK ist. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist daher, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und einer dieser Tätigkeiten gegeben ist (haftungsbegründende Kausalität, s BSG Urteil vom 29. Oktober 1980 - 2 RU 99/79 -).

Zutreffend sind das SG und das LSG davon ausgegangen, daß die Frage, ob die im Februar 1982 manifest gewordene Hepatitiserkrankung eine BK war, nach § 551 RVO iVm der BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721) idF der Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) zu beurteilen ist, weil sie in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Fassung der BKVO fällt. Zu den in der Anlage 1 zur BKVO bezeichneten Krankheiten gehören nach Nr 3101 "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Die Klägerin gehört zwar zu dem hiernach grundsätzlich geschützten Personenkreis (Tätigkeit sowohl im Gesundheitsdienst als auch in der Wohlfahrtspflege), aber es fehlt an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dieser unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit und ihrer Hepatitiserkrankung.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit nach Nr 3101 der Anlage 1 zur BKVO grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, daß der Versicherte bei der Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (BSGE 6, 186, 188; SozR Nr 1 zu 6. BKVO Anl 37; Urteil vom 15. Dezember 1966 - 2 RU 215/63 -; Urteil vom 28. September 1972 - 7 RU 34/72 - USK 72148; Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 58/71 - ZfS 1974, 118; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 491n). Bei diesem Nachweis kann dann in der Regel auch davon ausgegangen werden, daß sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen hat (BSGE aaO; USK 72148). Die Feststellung der bei der Klägerin seit 1982 vorliegenden Hepatitis B als BK setzt somit voraus, daß ihre Tätigkeit als Altenpflegehelferin auf der Pflegestation des Altenheims mit besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Gefahren verbunden war, an Hepatitis zu erkranken (BSG Urteil vom 27. Februar 1985 - 2 RU 40/84 - USK 8537). Die Annahme, daß die Klägerin bei dieser Tätigkeit einer Hepatitisexposition besonders ausgeliefert war, erfordert unter Berücksichtigung des Beginns ihrer Erkrankung im Februar 1982 den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit an Hepatitis erkrankten Personen. Dabei braucht keine bestimmte Infektionsquelle nachgewiesen zu werden (BSG aaO; vgl auch USK 72148 und Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 58/71 - aaO).

Aus den unangegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen des LSG folgt, daß die Klägerin bei der beruflichen Tätigkeit auf der Pflegestation des Altenheims während der Inkubationszeit keinen Kontakt mit nachweislich an Hepatitis B erkrankten Personen gehabt hat. In dem Urteilstatbestand ist ausgeführt worden, es habe sich nicht bestätigen lassen, daß die einzige, insoweit verdächtige, von der Klägerin gepflegte und am 24. Dezember 1981 verstorbene Heimbewohnerin an einer Hepatitis erkrankt gewesen sei. Für das Fehlen eines beruflichen Kontakts der Klägerin mit Hepatitiskranken spricht auch die von dem Träger des Altenheims erteilte Auskunft, daß auf der Pflegestation während der Tätigkeit der Klägerin seit Oktober 1976 keine nachweislich an Hepatitis erkrankten Personen betreut worden seien. Ohne den Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts mit mindestens einer an Hepatitis erkrankten Person während der Ansteckungszeit darf eine besondere, über das normale Maß hinausgehende Hepatitisgefährdung nur dann als gegeben angesehen werden, wenn davon ausgegangen werden kann, daß jedenfalls regelmäßig ein gewisser Prozentsatz der Patienten unerkannt an Hepatitis erkrankt ist (BSG USK 8537; Urteile vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 30/82 und 2 RU 32/82 - USK 82226). Auch das hat sich im vorliegenden Fall nicht feststellen lassen.

Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz (s BSGE 24, 181, 184), daß Pflegestationen von Altersheimen besonders hepatitisgefährdete Einrichtungen sind. Nach Auffassung von Wildhirt (Medizinische Probleme und Begutachtungsfragen bei der Hepatitis als BK, MedSach 1980, 85, 86) ist das Pflegepersonal in Altersheimen, Alterskrankenhäusern und psychiatrischen Anstalten keineswegs besonders gefährdet. Nach den Erhebungen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sei die Morbidität bei dieser Personengruppe mit 2,0 Erkrankungen auf 10.000 Beschäftigte sogar niedriger als in der normalen Wohnbevölkerung.

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht davon ausgegangen werden, daß jedenfalls ein gewisser Prozentsatz der von der Klägerin auf der Pflegestation des Altenheims betreuten Patienten während der Inkubationszeit unerkannt an Hepatitis B erkrankt war. Das LSG schließt auf eine erhöhte Hepatitisgefährdung der Klägerin aus zwei Umständen: zum einen aus der erhöhten Anfälligkeit älterer Patienten auf Pflegestationen für "Infektionskrankheiten" und andererseits aus der Art der von der Klägerin auf der Pflegestation verrichteten Tätigkeiten, die besonders geeignet gewesen seien, dieses "geringfügig erhöhte Risiko" in einer Infektion zu realisieren. Eine Infektionsgefahr dieser Qualität reicht indes für die Feststellung einer BK nicht aus (s Brackmann aaO S 491n I/II).

Eine im Verhältnis zum privaten Umfeld der Klägerin derart geringfügig erhöhte Gefahr, zufällig bei ihrer beruflichen Tätigkeit mit unerkannt Erkrankten zusammenzukommen, kann den grundsätzlich erforderlichen Nachweis eines beruflichen Kontakts mit an Hepatitis B erkrankten Personen nicht ersetzen. Sie ist nicht vergleichbar mit der besonderen Hepatitisexposition, wie sie zB in einer Klinik für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten besteht (s BSG Urteile vom 15. Dezember 1982 aaO). Läßt es sich aber - wie im vorliegenden Fall - nicht nachweisen, daß regelmäßig ein gewisser Prozentsatz der Patienten unerkannt an Hepatitis leiden, dann gilt nach wie vor die hier nicht erfüllte Voraussetzung für die anspruchsbegründende Kausalität, daß für den Erkrankten bei der versicherten Tätigkeit tatsächlich eine erhöhte Ansteckungsgefahr bestand, weil er in einer Einrichtung gearbeitet hat, in welcher an der gleichen Krankheit leidende Personen zu pflegen oder zu betreuen waren (s BSG Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 58/71 - aaO).

Soweit die Klägerin bei ihrer versicherten Tätigkeit Kontakt mit Material hatte, durch das auch ein Hepatitis-B-Virus, wenn er vorhanden gewesen wäre, hätte übertragen werden können, ist damit für sich allein noch keine besondere Hepatitisexposition begründet. Die Art der von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten hätte für die rechtliche Beurteilung nur dann Bedeutung erlangen können, wenn das LSG beruflichen Kontakt mit zumindestens einem nachweislich an Hepatitis B Erkrankten festgestellt hätte oder wenn aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen davon auszugehen wäre, daß jedenfalls ein gewisser Prozentsatz der von der Klägerin auf der Pflegestation des Altenheims betreuten Patienten zur fraglichen Inkubationszeit unerkannt an Hepatitis B erkrankt war. Mangels dessen fehlt es auch unter Berücksichtigung aller Tätigkeitsumstände an dem erforderlichen Nachweis, daß die Berufstätigkeit der Klägerin mit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr verbunden war.

Nach den Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, daß es nicht aufklärbar ist, ob sich die Klägerin die Hepatitis B bei der versicherten Tätigkeit oder - angesichts der weltweiten Verbreitung der Virushepatitis (vgl Wildhirt aaO) - unabhängig von dieser zugezogen hat. Die Folgen dieser objektiven Beweislosigkeit hat die Klägerin zu tragen, da sie den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs herleitet (BSG SozR Nr 1 zu 6. BKVO Anl 37; BSG Urteil vom 15. Dezember 1966 - 2 RU 215/63 -). Die haftungsbegründende Kausalität gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen (BSGE 30, 121, 123; Brackmann aaO S 244m II; Krasney, BG 1967, 312), für die der Anspruchsteller die objektive Beweislast nach dem allgemeinen Grundsatz trägt, daß die Folgen der Nichtfeststellbarkeit einer Tatsache demjenigen Beteiligten zur Last fallen, der aus der Tatsache ein Recht herleiten will (BSG SozR 2200 § 551 Nr 1; Brackmann aaO; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung 3. Aufl § 548 Anm 19 mwN).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647149

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