Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedergewährung von Krankengeld. neue Blockfrist

 

Orientierungssatz

Der zunächst begründete Anspruch auf Krankengeld führt nicht zu einer Wiedergewährung dieser Leistung, wenn eine mitgliedschaftliche Zugehörigkeit zur Krankenversicherung nicht mehr besteht. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß es sich auch bei der im Falle der Wiedergewährung des Krankengeldes wegen derselben Krankheit vorausgesetzten Mitgliedschaft zu Beginn der neuen Bezugszeit um eine solche mit Krankengeldberechtigung handeln muß.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs 2 S 1 Fassung: 1961-07-12

 

Verfahrensgang

SG Duisburg (Entscheidung vom 11.07.1979; Aktenzeichen S 21 Kr 12/79)

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Wiedergewährung von Krankengeld in der zweiten Blockfrist.

Der Versicherte H W (W.), der Beigeladene zu 2), erhielt von der Beklagten, der A O - (AOK) E, bis zum Ende der Höchstbezugsdauer am 26. April 1977 Krankengeld. Die Wiedergewährung dieser Versicherungsleistung begehrte der Versicherte ab Beginn eines neuen Dreijahreszeitraumes im Sinne des § 183 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) am 29. Oktober 1978. Er war inzwischen als Rentenantragsteller Mitglied der AOK O, der Beigeladenen zu 1), geworden. Die Beklagte lehnte den Antrag des Versicherten unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Oktober 1977 - 3 RK 35/76 - (BSGE 45, 11 ff = SozR 2200 § 183 RVO Nr 11)ab, weil dessen jetzige Mitgliedschaft als Rentenbewerber keinen Anspruch auf Krankengeld begründe. Dagegen erhob die den Versicherten unterstützende Klägerin Widerspruch. Dieser Rechtsbehelf hatte jedoch keinen Erfolg.

Auf die Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte antragsgemäß, dem Versicherten ab 29. Oktober 1978 erneut Krankengeld zu gewähren: Diese Versicherungsleistung stehe dem Versicherten ab Beginn einer neuen Blockfrist zu. Zur Geltendmachung des Anspruchs sei die Klägerin gemäß § 1538 RVO aktiv legitimiert. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BSG. Dieser sei vielmehr zu entnehmen, daß die Wiedergewährung von Krankengeld nicht eine bei Beginn der neuen Blockfrist bestehende Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld voraussetze. Aus dem Gesichtspunkt der Einheit des Versicherungsfalles ergebe sich auch die Zuständigkeit der Beklagten.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Wenn das BSG in der bereits zitierten Entscheidung vom 5. Oktober 1977 und in weiteren Entscheidungen vom selben Tage - 3 RK 8/77 - und vom 15. Februar 1978 - 3 RK 57/77 - die Wiedergewährung des Krankengeldes von einer bestehenden Mitgliedschaft "als tragender Rechtsgrundlage des Anspruchs" abhängig mache, so könne damit nur eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld gemeint sein. Eine solche Mitgliedschaft habe hier nicht bestanden. Aus § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO ergebe sich, daß die Mitgliedschaft nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO - sowie analog die nach § 315a RVO (LSG NW vom 15. Juli 1965, Breithaupt 66, 10) - gerade keinen Anspruch auf Krankengeld vermittle, sondern ihn positiv ausschließe. Zudem sei der Versicherte bei Beginn der neuen Blockfrist als Rentenbewerber nicht mehr ihr Mitglied gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 11. Juli 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an. Der Beigeladene zu 2) hat sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Sprungrevision der Beklagten ist insofern begründet, als das Urteil des SG aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen werden muß. Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil reichen nicht aus, um den Rechtsstreit schon jetzt abschließend entscheiden zu können. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, die fehlenden Tatsachenfeststellungen selbst nachzuholen (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Das SG geht zwar zutreffend davon aus, daß der - von der Klägerin gemäß §§ 1538, 1545 RVO in zulässiger Weise weiter verfolgte - von dem beigeladenen Versicherten geltend gemachte Anspruch auf Wiedergewährung von Krankengeld ab Beginn der neuen Blockfrist von drei Jahren nicht - wie die Beklagte meint - schon deshalb ausgeschlossen ist, weil zu diesem Zeitpunkt der Beigeladene zu 2) als Rentenantragsteller lediglich ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen und inzwischen Mitglied einer anderen AOK, der Beigeladenen zu 1), geworden sei. Auch in einem solchen Falle kann ein Anspruch auf Wiedergewährung von Krankengeld bestehen. Das setzt allerdings voraus, daß die Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruht, die bereits den vorangegangenen Krankengeldanspruch begründet hatte. Im angefochtenen Urteil ist nicht festgestellt, daß der Beigeladene zu 2) beim Beginn der neuen Blockfrist arbeitsunfähig war und dieser Arbeitsunfähigkeit dieselbe Krankheit wie der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit zugrunde lag. Darüber hinaus enthält das Urteil keine Feststellungen darüber, ob und ggf mit welchem Ergebnis über den Rentenantrag des Klägers entschieden worden ist. Auch darauf kommt es an, denn die in § 165 Abs 1 Nr 3 RVO bezeichneten Versicherten (die als Rentner versicherten Personen) haben, soweit sich aus § 183 RVO nichts anderes ergibt, keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht dem Anspruch auf Krankengeld nicht entgegen, daß der Versicherte erst während eines Versicherungsverhältnisses ohne Krankengeldberechtigung arbeitsunfähig geworden ist, wenn nur der Versicherungsfall (die Erkrankung) während einer die Krankengeldberechtigung umfassenden Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung eingetreten ist (BSGE 31, 69, 70 mwN). Das gilt grundsätzlich auch für den Fall der Wiedergewährung von Krankengeld bei fortbestehender oder erneuter Arbeitsunfähigkeit. Maßgebendes Ereignis für die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Krankengeldberechtigung ist somit der einheitliche Versicherungsfall (BSGE 31, 125, 127 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG). Die sich daraus ergebende zeitliche Beschränkung des Krankengeldbezuges - für höchstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren (§ 183 Abs 2 RVO) - ist nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Senats (BSGE 31, 125, 128) keine endgültige, sondern nur eine auf eine Blockfrist von drei Jahren bezogene Begrenzung. Im übrigen gilt daher auch bei einer Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit der Grundsatz der zeitlich unbegrenzten Gewährung von Krankengeld.

Darüber hinaus setzt aber die Wiedergewährung von Krankengeld bei Beginn einer neuen Blockfrist grundsätzlich voraus, daß der Versicherte auch zu diesem Zeitpunkt der gesetzlichen Krankenversicherung mitgliedschaftlich verbunden ist. Das hat der Senat in seinem Urteil vom 5.Oktober 1977 - 3 RK 35/77 - (BSGE 45, 11, 13) klargestellt. Er hat dabei eingehend dargelegt, daß ohne Bestehen einer Mitgliedschaft die Krankenkasse nur ausnahmsweise - nämlich im Falle speziell normierter nachgehender Ansprüche - Krankengeld zu leisten hat. Diesen Grundsatz hat der Senat in seinem Urteil vom 28. November 1979 - 3 RK 90/78 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) ausdrücklich bestätigt, jedoch der auch im vorliegenden Fall von der Beklagten vertretenen Auffassung der an jenem Verfahren beteiligten Krankenkasse widersprochen, daß es sich bei dieser Mitgliedschaft ebenfalls um eine solche mit Krankengeldberechtigung handeln müsse. Soweit sich die Beklagte zur Stützung ihrer Auffassung auf das Urteil des Senats vom 5. Oktober 1977 (aaO) beruft, verkennt sie die dort gemachten Ausführungen. Der Senat ist in dieser Entscheidung bei der Erörterung des Prinzips der Einheit des Versicherungsfalles auch auf den rentenähnlichen Charakter von Intervallzahlungen eingegangen und zum Ergebnis gekommen, daß derartige Barleistungen an Nichtmitglieder der Kasse schon deshalb nicht zu gewähren sind, weil diesen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 183 Abs 1 Satz 2, § 184 Abs 1 Satz 2 RVO) auch die spezifischen Leistungen zur Krankheitsbekämpfung - Krankenpflege sowie Krankenhauspflege - nicht zustehen (vgl BSGE 45, 11, 16, 17). Diese Ausführungen behalten auch für den vorliegenden Sachverhalt ihre volle Bedeutung. Wollte man die Dauerleistung Krankengeld vom Bestehen der Mitgliedschaft lösen und lediglich auf den Eintritt des Versicherungsfalles abstellen, dürfte allerdings der rentenähnliche Charakter dominieren. Die Renten der Rentenversicherung unterscheiden sich vom Krankengeld grundsätzlich dadurch, daß sie begründet sind, wenn ihre Voraussetzungen bei Eintritt des Versicherungsfalles vorliegen, o h n e  daß der Rentner noch weitere Versicherungsbeziehungen zum Rentenversicherungsträger unterhalten müßte. Beim Krankengeld hingegen ist der Eintritt des Versicherungsfalls zwar das für die Leistung maßgebende Ereignis und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Versicherung mit Krankengeldberechtigung das den Krankengeldanspruch begründende Rechtsverhältnis, Rechtsgrund der  l a u f e n d e n Leistungsgewährung ist aber die mitgliedschaftliche Zugehörigkeit des Versicherten zur Solidargemeinschaft. Ebenso wie ein einmal begründeter Anspruch auf Krankenpflege und Krankenhauspflege nach Ablauf einer gewissen Zeit entfällt, wenn das Kassenmitglied aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheidet, führt der zunächst begründete Anspruch auf Krankengeld nicht zu einer Wiedergewährung dieser Leistung, wenn eine mitgliedschaftliche Zugehörigkeit zur Krankenversicherung nicht mehr besteht. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß es sich auch bei der im Falle der Wiedergewährung des Krankengelds wegen derselben Krankheit vorausgesetzten Mitgliedschaft zu Beginn der neuen Bezugszeit um eine solche mit Krankengeldberechtigung handeln muß.

Ein Krankengeldanspruch gegen die Beklagte ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherte, der Beigeladene zu 2), inzwischen Mitglied einer anderen Krankenkasse, der Beigeladenen zu 1), geworden ist. Für den Übertritt von einer Krankenkasse zur anderen bestimmt § 212 RVO, daß die neue Kasse die weiteren Leistungen nach ihrer Satzung übernimmt. Ein Kassenwechsel bringt somit den Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Wegfall (vgl BSGE 31, 69 ff mwN).

Dem geltend gemachten Krankengeldanspruch könnte aber § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 2 RVO entgegenstehen. Sollte dem Rentenantrag des Beigeladenen zu 2) entsprochen worden sein, so käme nach § 183 Abs 3 RVO ein Wegfall oder nach § 183 Abs 5 RVO eine Kürzung des Krankengeldanspruchs in Betracht.

Die Kostenentscheidung bleibt dem die Streitsache abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654204

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