Leitsatz (amtlich)

1. Mit Beginn einer neuen Rahmenfrist iS des § 183 Abs 2 S 1 RVO kann ein Krankengeldanspruch auch dann wieder aufleben, wenn zu diesem Zeitpunkt für den maßgebenden Versicherungsfall nur noch ein nachgehender Versicherungsschutz iS des § 183 Abs 1 S 2 RVO besteht (Anschluß an BSG 1977-10-05 3 RK 35/75 = BSGE 45, 11, BSG 1979-11-28 3 RK 90/78 = BSGE 49, 163).

2. Der Anspruch auf Familienkrankenpflege ersetzt insoweit nicht die eigene Mitgliedschaft.

3. War vor dem Eintritt eines Versicherten in eine Krankenkasse ein Krankengeldanspruch gegen eine andere Krankenkasse begründet, so ist diese Versicherungsleistung nicht deshalb von der Übernahmeverpflichtung nach § 212 RVO ausgenommen, weil das Versicherungsverhältnis bei der neuen Krankenkasse kein Krankengeld mehr vorsieht (teilweise Aufgabe von BSG 1970-03-11 3 RK 36/69 = BSGE 31, 69, 71).

 

Normenkette

RVO § 183 Abs 2 S 1 Fassung: 1961-07-12, § 183 Abs 1 S 2 Fassung: 1961-07-12, § 205 Abs 1, § 212 S 1 Fassung: 1972-08-10

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 10.12.1979; Aktenzeichen S 8 Kr 121/79)

 

Tatbestand

Umstritten ist die Wiedergewährung von Krankengeld.

Der 1921 geborene Kläger war als Fuhrunternehmer freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Seit dem 17. November 1975 ist er wegen derselben Krankheit fortwährend arbeitsunfähig. Er bezog Krankengeld bis zum Ende der gesetzlichen Bezugszeit von 78 Wochen am 16. Mai 1977. Seine Mitgliedschaft bei der Beklagten endete am 30. September 1977. Anschließend war er als Rentenantragsteller gemäß § 257a Abs 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Mitglied der Barmer Ersatzkasse. Bei dieser Krankenkasse ist seine Frau, die sein Fuhrunternehmen übernommen hat, ab 1. Oktober 1977 versichert. Der Kläger wurde dort (nach den Feststellungen des Sozialgerichts -SG-) bis zum 31. Mai 1978 als Rentenantragsteller geführt. Sein Rentenantrag war aber bereits durch Widerspruchsbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 17. Februar 1978 endgültig abgelehnt worden. Seit 1. Juni 1978 ist er allein durch den Familienhilfeanspruch seiner Ehefrau bei der Barmer Ersatzkasse versichert. Von der Beklagten habe er angeblich im Mai 1978 die Auskunft erhalten, sein Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung werde sich auf den - nach Beginn einer neuen dreijährigen Blockfrist iS des § 183 Abs 2 Satz 1 RVO - wiederauflebenden Krankengeldanspruch ab Mitte November 1978 nicht auswirken. Die Beklagte lehnte jedoch dann den Antrag auf Wiedergewährung von Krankengeld ab, weil eine Mitgliedschaft nicht mehr bestanden habe. Der Widerspruch des Klägers wurde aus demselben Grunde zurückgewiesen.

Auf die Klage hat das SG dem Antrag des Klägers entsprochen und die Beklagte verurteilt, in der zweiten Blockfrist beginnend ab 17. November 1978 erneut Krankengeld zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles gelte gerade auch im Falle des sogenannten Wiederauflebens des Krankengeldanspruches. Für alle Ansprüche, die sich aus einem Versicherungsfall ergäben, genüge als Grundvoraussetzung, daß der Versicherungsfall der Krankheit während des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei. Da das Krankengeld eine begleitende Leistung zu der "Hauptleistung" im funktionalen Sinne, der Wiederherstellung der Gesundheit durch Krankenpflege, sei, könne es nur dann nicht gewährt werden, wenn kein Anspruch auf Krankenpflege bestehe. Ein Anspruch auf Krankenpflege werde im Regelfall durch eine eigene Mitgliedschaft vermittelt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe sich daher darauf beschränken können, für die weiteren Blockfristen nur "regelmäßig" eine Mitgliedschaft zur Solidargemeinschaft zu verlangen. Dieselbe Zweckordnung sei aber auch dann gewahrt, wenn der Krankenpflegeranspruch für den Arbeitsunfähigen nur aufgrund der Mitgliedschaft eines Familienangehörigen bestehe. Außerdem stehe der mitversicherte Familienangehörige in einer derart engen sachlichen Beziehung zur Solidargemeinschaft der Versicherten, daß es einem gleichheitswidrigen Wertungswiderspruch gleichkäme, wenn ihm das Wiederaufleben eines bereits entstandenen Anspruchs versagt würde, demgegenüber aber dem Nicht-mehr-Versicherten, sofern er auch nicht Mitversicherter sei, der Anspruch auf Regelleistungen zuerkannt werde, wenn nur die Krankheit während des Versicherungsverhältnisses eingetreten sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Sprungrevision. Sie rügt eine Verletzung des § 182 Abs 1 Nr 2 RVO: Nach dieser Vorschrift könne Krankengeld nur Versicherten gewährt werden. Entgegen der Rechtsauffassung des SG sei es nicht möglich, den Kläger aufgrund des Familienhilfeanspruchs aus der Mitgliedschaft seiner Ehefrau als "Versicherten" iS jener Vorschrift zu betrachten. Nach der Rechtsprechung des BSG setze die Wiedergewährung von Krankengeld die mitgliedschaftliche Zugehörigkeit des Versicherten zu einer Krankenkasse voraus. Unter Mitgliedschaft sei die Gesamtheit aller versicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger zu verstehen. Bei dem "mitversicherten" Familienangehörigen fehle es jedoch an den erforderlichen Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der Krankenkasse, denn Träger des Anspruchs im Rahmen der Familienkrankenhilfe sei der Versicherte, im vorliegenden Fall die Ehefrau des Klägers. Wenn das BSG darauf hinweise, Entstehung und Wiederentstehung des Krankengeldanspruchs setzten "regelmäßig" die Mitgliedschaft des Arbeitsunfähigen voraus, so geschehe das mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ohne das Bestehen einer Mitgliedschaft die Krankenkasse nur ausnahmsweise, nämlich im Falle speziell normierter nachgehender Ansprüche, Krankengeld zu leisten habe. Seien gesetzlich geregelte nachgehende Ansprüche vom Krankenversicherungsträger nicht zu erfüllen, so mache es keinen Unterschied, ob das ehemalige Mitglied einen Anspruch auf Familienkrankenhilfe aus der Mitgliedschaft eines Angehörigen habe oder ob es an einem Versicherungsschutz bei der gesetzlichen Krankenversicherung völlig fehle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom

10. Dezember 1979 aufzuheben und die Klage

abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Es beruht auf einer unrichtigen Anwendung materiellen Rechts. Die Tatsachenfeststellungen des SG, die der Senat seiner rechtlichen Prüfung zugrundezulegen hat (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) reichen nicht aus, um in der Sache selbst eine abschließende Entscheidung treffen zu können. Die Streitsache ist daher an das SG zurückzuverweisen.

Da der Kläger, wie das SG festgestellt hat, bei Beginn der neuen Rahmenfrist des § 183 Abs 2 Satz 1 RVO am 17. November 1978 wegen derselben Krankheit, die zum Krankengeldbezug in dem vorausgegangenen 3-Jahres-Zeitraum geführt hatte, arbeitsunfähig gewesen ist und die Arbeitsunfähigkeit seit ihrem Beginn am 17. November 1975 nicht von Zeiten der Arbeitsfähigkeit unterbrochen worden war, ist die Wiedergewährung des Krankengeldes allein von einem Fortbestehen der mitgliedschaftlichen Zugehörigkeit des Klägers zur Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung abhängig. Dabei muß es sich nicht mehr um eine Mitgliedschaft mit Krankengeldberechtigung gehandelt haben, denn der Krankengeldanspruch war dem Grunde nach bereits durch den während einer Mitgliedschaft mit Krankengeldberechtigung eingetretenen Versicherungsfall entstanden (zur Wiedergewährung von Krankengeld vgl BSGE 45, 11 ff = SozR 2200 § 183 RVO Nr 11; BSGE 49, 163 ff = SozR 2200 § 183 RVO Nr 30; Urteil des Senats vom selben Tage - 3 RK 12/80 -). Davon ist auch das SG noch zutreffend ausgegangen. Es hat jedoch aus der Rechtsprechung des Senats zu Unrecht weiter gefolgert, für die Wiedergewährung des Krankengelds mit Beginn der neuen Rahmenfrist reiche es aus, daß zu diesem Zeitpunkt für den Kläger ein Versicherungsschutz im Rahmen des Familienhilfeanspruchs seiner Ehefrau nach § 205 RVO bestanden habe.

Der Senat hat zwar bei seinen Entscheidungen, die sich mit der für die Wiedergewährung des Krankengeld vorauszusetzenden Kassenmitgliedschaft des Arbeitsunfähigen befassen, ua darauf hingewiesen, daß ausnahmsweise auch ohne Fortdauer der Mitgliedschaft ein Krankengeldanspruch entstehen oder wiederaufleben kann und daß hierfür ein noch bestehender Anspruch auf Krankenpflege von Bedeutung ist. Er hat aber ausdrücklich hinzugefügt, daß es sich dabei nur um speziell normierte nachgehende Ansprüche handelt (BSGE 45, 11, 14, 15; 49, 163, 166). Sind die Voraussetzungen eines solchen nachgehenden Anspruchs erfüllt, so wird, soweit der nachgehende Versicherungsschutz reicht, das ausgeschiedene Mitglied leistungsrechtlich wie ein Mitglied behandelt.

Durch den dem Kläger aus der Versicherung seiner Ehefrau zuteil werdenden Versicherungsschutz werden mitgliedschaftliche Rechte des Klägers weder begründet noch aufrechterhalten. Mitglied der Krankenkasse ist allein die Ehefrau. Nur ihr stehen die Ansprüche aus der Versicherung zu. Daraus folgt, daß Leistungsansprüche des Klägers aus seiner eigenen beendeten Mitgliedschaft nicht aufgrund der Versicherung seiner Ehefrau fortbestehen können. Bei der Mitgliedschaft der Ehefrau handelt es sich um ein neues Versicherungsverhältnis, das für familienhilfeberechtigte Angehörige nur einen Versicherungsschutz im Rahmen des § 205 RVO sicherstellt. Dieser umfaßt keine Krankengeldleistungen (§ 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 RVO). Das entspricht den Bedürfnissen, die durch die Familienkrankenhilfe befriedigt werden sollen. Für den Ehegatten und die Kinder des Versicherten hat die gesetzliche Krankenversicherung nur einen Versicherungsschutz im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung des Versicherten zu gewähren. Diese Unterhaltsverpflichtung erstreckt sich auf eine eventuell notwendige Krankenbehandlung, nicht jedoch auf einen Lohnersatz. Das Krankengeld als Lohnersatzleistung ist daher nur zu gewähren, wenn der Versicherte selbst einen krankheitsbedingten Lohnausfall hat, und dadurch sein eigener Lebensunterhalt gefährdet und die Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen infrage gestellt ist. Der Anspruch auf Familienkrankenhilfe für den Kläger beruht somit auf den versicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen der Ehefrau des Klägers und ihrer Krankenkasse sowie auf den unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau (§ 205 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 RVO). Beide Rechtsverhältnisse sind für Krankengeldansprüche des Klägers aus seiner eigenen Versicherung ohne Bedeutung.

Soweit das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats die Wiedergewährung des Krankengelds damit begründet, für den Kläger habe bei Beginn der zweiten Rahmenfrist noch ein Anspruch auf Krankenpflege (im Rahmen der Familienkrankenhilfe) bestanden, beachtet es nicht, daß der Senat entscheidend auf die (eigene) Kassenmitgliedschaft des Arbeitsunfähigen abgestellt hat. Der Senat hat dargelegt, daß dann, wenn ein Versicherter aus der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheidet, in aller Regel seine Ansprüche an diese enden und lediglich aus Gründen sozialer Härteminderung nachgehende Leistungsansprüche für eine gewisse Übergangszeit erhalten bleiben (BSGE 45, 11, 17). Auch für die Wiedergewährung von Krankengeld hat er eine solche bestehende oder noch fortwirkende mitgliedschaftliche Zugehörigkeit des Arbeitsunfähigen zur gesetzlichen Krankenversicherung ua deshalb gefordert, weil das Krankengeld eine ergänzende Leistung ist (vgl § 12 Nr 1 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes -RehaAnglG-) und ein Anspruch darauf nicht neu oder wieder entstehen kann, wenn die spezifischen Leistungen zur Krankheitsbekämpfung, die Krankenpflege und die Krankenhauspflege, nicht mehr zu gewähren sind (BSGE 45, 11, 11, 17; 49, 163, 169). Hat der Arbeitsunfähige keinen Anspruch auf Krankenpflege mehr, so kann auch ein Anspruch auf Krankengeld nicht wieder aufleben. Gemeint ist also, daß eine Mitgliedschaft des Arbeitsunfähigen einen Krankengeldanspruch nur noch vermitteln kann, solange aus dieser Mitgliedschaft ein Anspruch auf Krankenpflege, eventuell auch nur ein nachgehender Anspruch auf Krankenpflege, besteht (BSGE 45, 11, 15). Voraussetzung ist aber stets, daß es sich um Ansprüche aus der eigenen Versicherung des Arbeitsunfähigen handelt.

Damit ist jedoch ein Wiederaufleben des Krankengeldanspruchs des Klägers mit Beginn der neuen Rahmenfrist am 17. November 1978 noch nicht ausgeschlossen. Das SG hat festgestellt, daß der Kläger bei der Krankenkasse seiner Ehefrau, der Barmer Ersatzkasse, "bis zum 1978-05-31 als Rentenantragsteller nach § 257a Abs 1 Satz 3 RVO geführt" worden ist. Sollte damit gesagt werden, daß die Mitgliedschaft des Klägers erst an diesem Tage geendet hat, dann wäre der Beginn der neuen Rahmenfrist noch in die nachgehende Frist des § 183 Abs 1 Satz 2 RVO gefallen. Der nachgehende Anspruch betrifft zwar nur die Krankenpflege. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entsteht aber auch ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherungsfall der Krankheit während der Mitgliedschaft die Arbeitsunfähigkeit aber erst während der nachgehenden Frist eingetreten ist (BSGE 45, 11, 15). Gleiches hat zu gelten, wenn das Wiederaufleben eines Krankengeldanspruchs in eine nachgehende Frist fällt. Es ist allerdings fraglich, ob die Kassenmitgliedschaft des Klägers (als Rentenantragsteller) tatsächlich erst am 31. Mai 1978 geendet hat. Der Rentenantrag des Klägers wurde bereits durch den Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1978 endgültig abgelehnt. In den Verwaltungsakten, auf die das SG Bezug nimmt, wird einmal auch der 31. März 1978 als letzter Tag der KVdR-Mitgliedschaft angegeben (Blatt 10). Es bedarf daher der Klärung, wann die aufgrund des Rentenantrages begründete Krankenversicherung des Klägers tatsächlich geendet hat und ob sich daran noch eine weitere Kassenmitgliedschaft angeschlossen hat.

Steht dem Kläger mit Beginn der neuen Rahmenfrist wieder Krankengeld zu, so ist weiter zu klären, welche Krankenkasse leistungspflichtig ist. Nach den Angaben im angefochtenen Urteil soll der Kläger zuletzt als Rentenantragsteller versicherungspflichtiges Mitglied der Barmer Ersatzkasse gewesen sein. Als zuständiger Versicherungsträger kommt deshalb diese Krankenkasse statt der Beklagten in Betracht. Das ergibt sich bereits aus den allgemeinen gesetzlichen Regelungen, die die Entstehung der Leistungsansprüche und den Beginn und das Ende der Mitgliedschaft betreffen. Für die Versicherungspflichtigen entsteht der Anspruch auf die Regelleistungen mit ihrer Mitgliedschaft (§ 206 RVO). Dieser Anspruch erstreckt sich auch auf Versicherungsfälle, die sich vor Beginn der Mitgliedschaft ereignet haben (BSGE 31, 69, 71 = SozR Nr 7 zu § 212 RVO). Für Versicherungsberechtigte, die der Krankenkasse freiwillig beigetreten sind, kann sich aus §§ 207, 310 RVO und aus satzungsrechtlichen Bestimmungen Abweichendes ergeben. Die Mitgliedschaft erlischt, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Kasse wird (§ 312 RVO). Die Leistungspflicht der neuen Kasse aus der bestehenden Mitgliedschaft geht grundsätzlich einer eventuellen Leistungspflicht der alten Kasse aus der beendeten Mitgliedschaft, zB bei nachgehenden Ansprüchen des Versicherten vor (vgl BSGE 28, 202, 203, 204 = SozR Nr 6 zu § 212 RVO; BSGE 48, 235, 237 = SozR 2200 § 306 RVO Nr 5). Daß diese aus den allgemeinen Regelungen sich ergebende Konsequenz auch im Falle eines laufenden Leistungsbezuges gilt, wird durch § 212 RVO ausdrücklich klargestellt.

Bei einem bereits vor dem Kassenwechsel begründeten Krankengeldanspruch ist die Übernahme der weiteren Krankengeldleistung durch die neue Krankenkasse nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherte bei dieser nur noch ohne Krankengeldberechtigung versichert ist. Der Senat hat zwar früher entschieden, § 212 RVO sei auf Ansprüche aus alten Versicherungsfällen nicht anwendbar, wenn das neue Versicherungsverhältnis keine gleichartigen Leistungen vorsehe (BSGE 31, 69, 71 = SozR Nr 7 zu § 212 RVO; BSGE 32, 18, 20). An dieser Rechtsprechung wird jedoch nicht festgehalten.

Die in § 212 RVO angeordnete Übernahme der Leistungen durch den neuen Krankenversicherungsträger "nach seiner Satzung" muß nicht bedeuten, daß die Leistungen, die der Versicherte zur Zeit des Kassenwechsels bezieht, stets nur insoweit zu übernehmen sind, als sie das neue Versicherungsverhältnis vorsieht. Der Wortlaut der Vorschrift erlaubt vielmehr ebenso die Auslegung, daß eine vollständige Übernahme der Leistungen stattzufinden hat, aber für diese Leistungen im einzelnen das Recht der neuen Krankenkasse maßgebend ist. Für eine Auslegung in diesem Sinne spricht zunächst, daß § 212 RVO für die Zeit ab Kassenwechsel nicht eine Aufteilung der Leistungspflicht zwischen der alten und der neuen Kasse regelt, sondern die (uneingeschränkte) Übernahme eines laufenden Leistungsbezuges durch die neue Kasse bestimmt. Die Übernahme beschränkt sich nicht auf Leistungen, "soweit" sie nach der neuen Satzung zustehen, sondern erstreckt sich ohne Einschränkungen auf "die weiteren Leistungen", die jedoch - nach Art, Höhe und Umfang - gemäß dem für die neue Kasse geltenden Recht zu gewähren sind.

Gegen eine Aufteilung der Leistungen aus der Krankenversicherung auf verschiedene Kassen sprechen aber vor allem sozialrechtliche Gesichtspunkte, denen gegenüber versicherungsrechtliche Erwägungen, die auf die Beziehungen zwischen dem Versicherten und der einzelnen Krankenkasse abstellen, den Vorzug verdienen. Die Leistungen aus der Krankenversicherung werden gewährt, um die Gesundheit zu sichern (§ 181 RVO) oder Krankheiten zu erkennen und zu behandeln oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 182 Abs 1 und § 184 Abs 1 RVO). Es handelt sich also vor allem um Leistungen der Krankheitsbekämpfung. Diese Aufgabenstellung macht deutlich, daß es nicht sinnvoll sein kann, die Leistungen der Krankenversicherung auf verschiedene Leistungsträger aufzuteilen. Der im Rehabilitationsrecht geltende Grundsatz, daß die für eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlichen Leistungen nach Möglichkeit nur von einem Rehabilitationsträger zu erbringen sind (§ 5 Abs 2 Satz 1 RehaAnglG), muß erst recht für die Krankenversicherung gelten. Während die Rehabilitation sehr verschiedene Maßnahmen umfassen kann (medizinische und berufliche Rehabilitation), die von einem Leistungsträger allein oft nicht erbracht werden können, konzentriert sich die Krankenversicherung auf die Behandlung von Krankheiten, die nur als eine einheitliche Maßnahme durchgeführt werden kann.

Das gilt auch im Verhältnis von Krankenpflege zum Krankengeld. Das Krankengeld als eine ergänzende Leistung ist weitgehend von den speziellen Leistungen der Krankheitsbekämpfung abhängig. Diese Abhängigkeit besteht nicht nur bei der Begründung des Krankengeldanspruches (Einheit des Versicherungsfalles der Krankheit), sie zeigt sich auch im Zweck der laufenden Krankengeldgewährung, der darin besteht, den Versicherten während der Krankheit bei Arbeitsunfähigkeit wirtschaftlich abzusichern. Mit der Behandlung der Krankheit wird auch das Ziel verfolgt, den für den Krankengeldbezug maßgebenden Krankheitszustand, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. Die zur Krankengeldgewährung verpflichtete Kasse kann daher den Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen zwingen, sich den gebotenen Behandlungsmaßnahmen zu unterziehen, und im Falle der Weigerung die Krankengeldzahlung einstellen (§§ 62, 63, 66 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil -; § 183 Abs 7 RVO).

Einen bereits begründeten Krankengeldanspruch aus der Übernahmeverpflichtung des § 212 RVO herauszunehmen, ist auch nicht deshalb zwingend geboten, weil - wie im vorliegenden Fall - die bei der neuen Krankenkasse fortgesetzte Versicherung nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld ausgestattet ist. Die Weiter- und Wiedergewährung des Krankengeldes ist, wenn der Versicherungsfall während einer Mitgliedschaft mit Krankengeldberechtigung eingetreten ist, nicht mehr wie bereits ausgeführt, vom Fortbestehen einer solchen Mitgliedschaft abhängig. Da somit auch die alte Krankenkasse die Weiter- oder Wiedergewährung des Krankengelds nicht mit der Begründung verweigern darf, daß nur noch eine Mitgliedschaft ohne Krankengeldberechtigung vorliegt, muß dieser Umstand auch nicht einer auf die neue Krankenkasse übergegangenen Verpflichtung entgegenstehen. Schließlich fällt nicht entscheidend ins Gewicht, daß die neue Krankenkasse aus dem Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Beiträge erhält. Da § 212 RVO für alle Krankenversicherungsträger gilt, kann davon ausgegangen werden, daß sich die aus dieser Bestimmung für die Krankenkassen ergebenden Vorteile und Nachteile im großen und ganzen ausgleichen. Eine andere Frage ist es, wie freiwillig Versicherte zu behandeln sind, die die Möglichkeit haben, eine mit Krankengeldberechtigung ausgestattete Versicherung fortzusetzen, die aber trotzdem nur noch eine Mitgliedschaft ohne Krankengeldberechtigung wählen und damit zum Ausdruck bringen, daß ihnen zukünftig ein solch eingeschränkter Versicherungsschutz ausreicht.

Im vorliegenden Fall macht der Kläger schließlich noch geltend, er habe von der Beklagten die Auskunft erhalten, sein Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung werde sich auf den nach Beginn der neuen Rahmenfrist wiederauflebenden Krankengeldanspruch nicht auswirken. Dieses Vorbringen kann entscheidungserheblich sein. Die Erteilung einer unrichtigen Auskunft kann die Beklagte zur Herstellung des Zustandes verpflichten, der bei Erteilung einer richtigen Auskunft voraussichtlich bestanden hätte (zum Herstellungsanspruch vgl BSGE 49, 76 ff = SozR 2200 § 1418 RVO Nr 6; SozR 2200 § 182 RVO Nr 57 mwN; vgl auch Funk, DAngVers 1981, 26). Ergibt sich, daß der Kläger bei Erteilung einer richtigen Auskunft die Mitgliedschaft in zulässiger Weise fortgesetzt hätte, so müßte er wie ein Mitglied behandelt werden.

Da der Senat die noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht selbst nachholen darf, muß er von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch machen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Wenn die letzte Krankenkasse des Klägers nicht die Beklagte, sondern die Barmer Ersatzkasse gewesen ist, wird das SG vor seiner neuen Entscheidung diese dann als leistungspflichtig in Betracht kommende Krankenkasse beizuladen haben (§ 75 Abs 2 SGG).

Dem SG bleibt auch die Entscheidung über die Kosten vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 281

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