Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.01.1985)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1985 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) für Urlaubsabgeltungen, die den Arbeitnehmern eines insolvent gewordenen Unternehmens für ein vor den Insolvenzereignis liegenden Zeitraum zustehen, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.

Nachdem die Firma S. in Z. in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, hatte sie mit ihren Arbeitnehmern vereinbart, daß deren Arbeitsverhältnisse am 14. Oktober 1982 enden und die Arbeitnehmer für die folgende Zeit bis zum 25. Oktober 1982 für den ihnen noch zustehenden Urlaub eine Urlaubsabgeltung erhalten sollten. Das Amtsgericht Z. hat mit Beschluß vom 3. November 1982 die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Die Beklagte hat zwar den betroffenen Arbeitnehmern auch für die Urlaubsabgeltung Konkursausfallgeld (Kaug) gewährt. Sie hat aber durch Bescheid vom 24. März 1983 den Antrag der Klägerin auf Entrichtung der auf die Urlaubsabgeltung entfallenden gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge mit der Begründung abgelehnt, hierbei handele es sich um von der Kaug-Versicherung nicht gedeckte Beiträge für die Zeit nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 25. April 1984 die Beklagte zur Beitragsentrichtung verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, für die Dauer des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung habe das Beschäftigungsverhältnis versicherungsrechtlich als fortbestehend gegolten. Dementsprechend sei die Urlaubsabgeltung versicherungsrechtlich auch Arbeitsentgelt während des maßgeblichen Kaug-Zeitraumes gewesen, für das die Beklagte auch die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 141n des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu entrichten habe.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Revision vor, das Ende des Kaug-Zeitraumes werde durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmt; das Arbeitsverhältnis werde auch nicht fiktiv um die Tage des im Zeitpunkt vor Beendigung noch nicht verbrauchten Urlaubs verlängert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1985 sowie das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 25. April 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne Bündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet, die Vorinstanzen haben zu Recht die Beitragspflicht der Beklagten gemäß § 141n AFG für die Zeit der Urlaubsabgeltung bejaht.

Das LSG hat zutreffend den Anspruch auf die Urlaubsabgeltung dem Anspruch auf Arbeitsentgelt und die Urlaubsabgeltungszeit vom 15. bis 25. Oktober 1982 dem Arbeitsverhältnis iS des § 141n Abs. 1 Satz 1 AFG zugerechnet.

Die Arbeitsverhältnisse im arbeitsrechtlichen Sinne waren zwar – entsprechend der getroffenen Vereinbarung – bereits am 14. Oktober 1982 beendet. Da der Anspruch auf Urlaubsabgeltung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, verlängert sich im arbeitsrechtlichen Sinne das Arbeitsverhältnis nicht um den Zeitraum, für den eine Urlaubsabgeltung gezahlt wird oder beansprucht werden kann (vgl. BSGE 56, 208 = SozR 2200 § 189 Nr. 4; ebenso BAG, AP Nr. 6 zu § 7 BUrlG; Dersch/Neumann, BUrlG, 6. Aufl, RdNr. 112 zu § 7). Gleichwohl ist die Urlaubsabgeltung für die hier streitige Zeit dem Arbeitsverhältnis iS des § 141n Abs. 1 Satz 1 AFG zuzurechnen.

In der Vorschrift des § 141n AFG ist – ebenso wie in § 141b AFG – eine Inhaltsbestimmung des Begriffes „Arbeitsverhältnis” nicht enthalten. Ebensowenig ist gesetzlich umschrieben, welche Ansprüche zum „Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses” gehören und insbesondere, ob die Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist. Der Anspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG ist kein Schadensersatzanspruch iS des § 628 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), so daß die Frage, ob derartige Schadensersatzansprüche Arbeitsentgelt sein können (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 141b Nr. 31; vgl. ferner SozR 4100 § 141b Nr. 35), hier nicht einschlägig ist. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat, worauf die Revision zutreffend hinweist, in dem Urteil vom 30. November 1977 – 12 RAr 99/76 – (BSGE 45, 191 = SozR 4100 § 141b Nr. 5) zu § 141b AFG entschieden, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG bestehe iS von § 141b Abs. 2 AFG regelmäßig für die letzten, der Urlaubsdauer entsprechenden Tage des Arbeitsverhältnisses. Dieser Abgrenzung, die im Schrifttum auch auf Kritik gestoßen ist (Stahlhacke/Bachmann/Bleistein, Gemeinschaftskommentar zum Bundesurlaubsgesetz, 4. Aufl, RdNr. 174 zu § 7), folgt der erkennende Senat für § 141n AFG schon im Hinblick auf die umfassende Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen, insbesondere der mitgliedschafts- und beitragsrechtlichen Einordnung der Urlaubsabgeltung durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1497) nicht. Die zeitliche Einordnung kann – jedenfalls für die Dauer der Regelung durch das AFKG – auch für den Bereich des § 141n AFG nur dahin gehen, daß sich der Urlaubsabgeltungszeitraum unmittelbar an das Ende des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne anschließt. Zwar wird unter Arbeitverhältnis iS des § 141n AFG im allgemeinen das arbeitsrechtliche Arbeitsverhältnis zu verstehen sein. Ausnahmen müssen aber dort gemacht werden, wo sonst die Zielrichtung des § 141n AFG verfehlt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beiträge zwar nicht zeitlich auf ein arbeitsrechtliches Arbeitsverhältnis, wohl aber auf ein – fingiertes – Beschäftigungsverhältnis entfallen.

Auszugehen ist in Übereinstimmung mit dem 8. Senat des BSG (BSGE 56, 208) und dem 12. Senat (aaO) davon, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch versicherungsrechtlich keine Einmalzahlung, sondern eine Leistung für einen bestimmten Zeitraum ist. Ziel der Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist es, dem Arbeitnehmer auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit zu erhalten, mit der Urlaubs-Abgeltungszahlung eine dem abgegoltenen Urlaub entsprechende Freizeit zu nutzen (Stahlhacke/Bachmann/Bleistein aaO, RdNr. 140 zu § 7 mwN; vgl. auch 8. Senat des BSG aaO). Der Urlaubsabgeltungszeitraum ist damit arbeitsrechtlich vom Urlaub selbst nicht wesensverschieden (BAG AP Nr. 5 zu § 3 BUrlG – Rechtsmißbrauch –). Die Urlaubsabgeltung ist ein Surrogat des Urlaubs. Weil aber ein im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehender Anspruch auf Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr durch Gewährung von bezahlter Freizeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erfüllt werden kann, hat der Arbeitnehmer nur noch die Möglichkeit, den abgegoltenen Urlaub durch entsprechende Freizeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nutzen.

Eine mit dieser Rechtsfolge übereinstimmende Regelung hat der Gesetzgeber für Bereiche des Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsrechts mit dem AFKG getroffen, für die er den Urlaubsabgeltungszeitraum auch versicherungsrechtlich an das im arbeitsrechtlichen Sinne beendete Arbeitsverhältnis angeschlossen hat (vgl. § 311 Satz 3 RVO, § 381 Abs. 6 RVO, § 1227 Abs. 2 RVO = § 2 Abs. 3 AVG, § 117 Abs. 1a Satz 2 AFG, § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG, jeweils idF des AFKG). Hierbei ist der Umstand unerheblich, daß die Berücksichtigung der Urlaubsabgeltungszeit entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Rechtsgebiete entweder durch die Fiktion des Fortbestandes des Beschäftigungsverhältnisses, durch die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft oder durch den zeitlich deckungsgleichen Leistungsausschluß erfolgt.

Dieser Regelung hat das LSG zu Recht dadurch Rechnung getragen, daß es bei der Inhaltsbestimmung des Arbeitsverhältnisses iS des § 141n AFG nicht auf das Ende des Arbeitsverhältnisses im arbeitsrechtlichen Sinne abgehoben hat.

Im Hinblick auf die erfolgte Änderung der versicherungsrechtlichen Behandlung durch das AFKG kann deshalb auch für die Vorschrift des § 141n AFG dahingestellt bleiben, ob der Abgrenzung des 12. Senats (aaO) zu § 141b AFG und dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zu § 59 Abs. 1 Nrn 2 und 3a der Konkursordnung (KO) zu folgen ist (BAG AP Nr. 10 zu § 59 KO). § 141n AFG hat – wie alle Vorschriften des Gesetzes über Konkursausfallgeld vom 17. Juli 1974 (BGBl I, 1481) – den Zweck, den bisher unzureichenden Schutz der Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalles im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers durch die Begründung des Anspruchs auf Kaug einschließlich der Zahlung von Versicherungsbeiträgen durch die Bundesanstalt für Arbeit zu verbessern (Teil A der Begründung zum Entwurf des Gesetzes über das Kaug, BR-Drucks 9/74, S 10). An dieser Zielsetzung hat das AFKG nichts geändert (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Februar 1984 – 10 RAr 20/82 – SozR 4100 § 141b Nr. 31). Mit der Einfügung der Vorschriften § 311 Satz 3 RVO, § 381 Abs. 6 RVO, § 1227 Abs. 2 RVO = § 2 Abs. 3 AVG, § 117 Abs. 1a Satz 2 AFG und § 168 Abs. 1 Satz 2 AFG hat der Gesetzgeber aber die Urlaubsabgeltungszeiten als sich an das Arbeitsverhältnis anschließende versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten behandelt. Die Systematik dieser Regelungen erfordert – unbeschadet des weniger klaren Wortlauts der Vorschrift – auch den Begriff des Arbeitsverhältnisses iS des § 141n AFG entsprechend abzugrenzen und die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit dem Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Die sich aus der Anschließung des Urlaubsabgeltungszeitraums an das Arbeitsverhältnis ergebende versicherungsrechtliche Rechtswirkung erstreckt sich nicht nur auf die für die Urlaubsabgeltung entstandenen Beiträge, sondern auch auf deren zeitliche Einordnung nach § 141n AFG. Wollte man – wie die Beklagte – die Urlaubsabgeltung zwar für alle Ansprüche auf Kaug, nicht aber für die nach § 141n AFG durch das Arbeitsamt zu entrichtenden Beiträge zeitlich dem Arbeitsverhältnis zurechnen, würde – was durch § 141n Abs. 1 AFG gerade vermieden werden soll – die nicht gezahlte Urlaubsabgeltung im Insolvenzfall mit unterschiedlicher Rechtswirkung in das dem Arbeitnehmer zustehende Kaug und in einen – nicht durch die Kaug-Versicherung gedeckten – Beitragsteil zerfallen, obwohl die Beiträge auch für die Urlaubsabgeltung aufzubringen sind. Dies hätte – zumindest in den Fällen der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse – zur Folge, daß im Insolvenzfall die Versicherungsbeiträge für den Urlaubsabgeltungszeitraum trotz fortbestehender Beitragspflicht nicht entrichtet würden. Gerade dies sollte durch § 141n AFG verhindert werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

ZIP 1986, 1580

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