Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 10.12.1981; Aktenzeichen V ARBf 66/80)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. Dezember 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Anrechnung von Arbeitseinkommen auf Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung von Alg.

Der Kläger, der vom 1. Februar bis 26. Juni 1978 Alg in Höhe von 261,– DM wöchentlich bezogen hat, war seit dem 1. März 1978 für ein Stundenhonorar von 26,– DM brutto als Dozent beschäftigt. Ausgezahlt wurden ihm am

15. April

1.106,06 DM für 53,7 Unterrichtsstunden im März,

15. Mai

1.202,02 DM für 55,7 Unterrichtsstunden im April,

15. Juni

1.461,50 DM für 75,8 Unterrichtsstunden im Mai und

15. Juli

1.340,65 DM für 64,8 Unterrichtsstunden im Juni.

Durch Bescheid vom 15. Mai 1979 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung rückwirkend ab 1. März 1978 in Höhe von 2.376,08 DM auf, indem sie die Einkünfte für

März

mit 520,53 DM,

April

mit 568,51 DM,

Mai

mit 698,28 DM und

Juni

mit 588,76 DM

auf das Alg anrechnete; gleichzeitig forderte sie den Betrag von 2.376,08 DM zurück. Während des Widerspruchsverfahrens ermäßigte die Beklagte die Rückforderung auf 1.855,55 DM, da 520,53 DM schon angerechnet worden waren (Bescheid vom 16. Oktober 1979); im übrigen hatte der Widerspruch keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1979).

Das Sozialgericht (SG) hat die ergangenen Bescheide abgeändert und entschieden, daß die Alg-Bewilligung für die Zahlwochen vom 9. bis 15. Mai und vom 13. bis 19. Juni 1978 aufzuheben und der Kläger verpflichtet sei, 522,– DM an die Beklagte zurückzuzahlen (Urteil vom 4. November 1980). Auf die vom SG hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Alg zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen (Urteil vom 10. Dezember 1981).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, es könne offenbleiben, ob das Alg nach § 117 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geruht habe, da schon die Kürzung nach § 115 Abs. 1 AFG in dem von der Beklagten beanspruchten Umfange die Rücknahme des Leistungsbescheides rechtfertige. Nach § 115 Abs. 1 AFG werde Arbeitseinkommen angerechnet, das während des Bezuges von Alg erzielt sei. Der Wortlaut der Vorschrift lasse zu, auf den Erwerb der Forderung gegen den Arbeitgeber, auf den Erwerb einer Forderung gegen ein Geldinstitut oder die Auszahlung des Bargeldes abzustellen. Ebenfalls sei eine dem Sinne der Vorschrift allein gerecht werdende Auslegung möglich, bei der die Erzielung von Arbeitseinkommen und der Bezug des Alg nicht auf einen Zeitpunkt, sondern auf einen Zeitraum bezogen werde. Die Vorschrift regele nämlich die Konkurrenz zwischen wiederkehrenden Dauerleistungen, die sich aus dem zeitlichen Zusammentreffen ihrer Voraussetzungen ergebe. Sie trage einem teilweisen Wegfall der Arbeitslosigkeit Rechnung, entscheidend sei daher die gewinnbringende Tätigkeit, nicht der Gewinn selbst. Dies habe das AFG dadurch bekräftigt, daß es die in § 95 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vorgesehene Verlängerung der Dauer der Kürzung für den Fall, daß der Arbeitslose mehr verdiene als in der Bemessungszeit, nicht übernommen habe. Die Vorschrift stehe in einer Reihe mit ähnlichen Regelungen, deren Gegenstand die Konkurrenz wiederkehrender Leistungen sei. Da dem Kläger für die Zeit ab 1. März 1978 Arbeitseinkommen gewährt worden sei, habe der Kläger seitdem während des Bezuges von Alg Arbeitseinkommen erzielt. Bei der Berechnung des anzurechnenden Betrages sei vom Lohnzahlungszeitraum auszugehen, dh hier vom Monat; das sei nicht nur praktisch, sondern folge auch aus der Notwendigkeit, nur die effektiv gezahlten Entgelte zu berücksichtigen. Abzüglich des Freibetrages von 15,– DM pro Woche = 65,– DM im Monat werde gemäß § 115 Abs. 1 AFG die Hälfte angerechnet. Das ergebe die für März, April und Mai von der Beklagten angerechneten Beträge. Vom Arbeitseinkommen für Juni 1978 seien anrechenbar an sich 637,38 DM. Da der Kläger in diesem Monat nur für vier Wochen Alg bezogen habe, betrage der Anrechnungsbetrag 588,76 DM (= 637,38 DM: 4,33 × 4), wovon auch die Beklagte ausgegangen sei. In dem ursprünglichen Leistungsbescheid sei somit das Alg um 2.376,08 DM zu hoch angesetzt worden. Abzüglich der 520,53 DM für März seien 1.855,55 DM (= 2.376,08 – 520,53 DM) gemäß § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG zu erstatten. Der Kläger Böge sich über die Berechnung seines Alg keine Gedanken gemacht haben; es sei auch glaubhaft, daß er im Mai 1979 mit einer Rückforderung nicht mehr gerechnet habe. Das alles schließe grobe Fahrlässigkeit nicht aus. Der Kläger habe Anlaß gehabt, mit einer Kürzung des Alg zu rechnen; er habe gewußt, daß Arbeitsverdienst nicht ohne Einfluß auf die Höhe des Alg bleiben könne. Im Juni 1978 sei eine Kürzung wegen der März-Bezüge erfolgt. Die Bearbeitung der späteren Verdienstbescheinigungen habe zwar erheblich länger gedauert; das rechtfertige aber nicht die Zuversicht, die Beklagte werde nichts unternehmen. Insbesondere habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, die Beklagte werde seine nur die Monate Mai und Juni 1978 betreffende Erklärung vom 18. Juli 1978 ohne weiteres zur Grundlage ihrer Neuberechnung machen. Das Rückforderungsrecht sei durch die 11-monatige Untätigkeit der Beklagten nicht verwirkt. Der übergroße Arbeitsanfall bei der Beklagten sei allgemein bekannt; für den nicht durch Wunschdenken befangenen Betrachter hätten daher andere Gründe der Verzögerung näher gelegen als gerade die Erklärung, die April-, Mai- und Juni-Vergütungen seien im Gegensatz zu den Zahlungen im März ohne Einfluß auf die Höhe des Alg.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung der §§ 111, 115, 151 AFG und bringt hierzu insbesondere vor: Anrechenbar sei Arbeitseinkommen nur insoweit, als es während des Bezuges von Alg erzielt werde. Erzielt sei das Einkommen erst dann, wenn es dem Arbeitslosen zur Verfügung stehe. Daher könne das im Juni 1978 erarbeitete Arbeitseinkommen nicht angerechnet werden, weil es dem Kläger erst zur Verfügung gestellt worden sei, nachdem die Alg-Zahlung beendet gewesen sei. Das während des Bezugs erzielte Einkommen sei grundsätzlich nur mit dem Wochensatz zu verrechnen. Dies bedeute, daß nur eine Verrechnung in der Woche in Betracht komme, in der das Einkommen erzielt werde. Die Auffassung des LSG, derzufolge Einkommen über den Wochensatz hinaus anrechenbar sei, um Nebenverdienste über längere Zeit hin zu erfassen, entspreche der Regelung des § 95 Abs. 2 AVAVG, die das AFG gerade nicht übernommen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. „Erzielt” bedeute in § 115 AFG nichts anderes als in § 112 AFG. Dort wie auch in beitragsrechtlicher Hinsicht sei unstrittig, daß erzieltes Einkommen jeweils dem Zeitraum zugerechnet werde, in dem es erarbeitet worden sei. Der Zufluß sei nur maßgebend dafür, ob das Einkommen zu berücksichtigen sei oder nicht. Sei es zu berücksichtigen, seien auch für die Berechnung des Arbeitsentgelts die Fakten des Zeitraumes maßgebend, in dem das Einkommen erarbeitet worden sei.

Das gleiche müsse für § 115 AFG gelten. Die zu berücksichtigenden Freibeträge und der Zeitraum des Nebeneinkommens könnten sich nur nach dem Zeitraum richten, in dem das Nebeneinkommen erarbeitet worden sei. Im übrigen widerspreche es dem Sinn der Anrechnung, ein hohes Nebeneinkommen unberücksichtigt zu lassen, weil es dem Arbeitslosen erst nach Beendigung der Arbeitslosigkeit zufließe, was insbesondere bei Selbständigen deutlich werde; andernfalls könne ein Arbeitsloser, der während seiner Arbeitslosigkeit an einem Fernsehstück arbeite, das Honorar hierfür aber erst nach seiner Arbeitslosigkeit erhalte, sein Alg ungeschmälert behalten.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, daß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen wird.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die mit der Klage angefochtenen Bescheide vom 15. Mai bzw 16. Oktober 1979 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. November 1979, soweit die Beklagte die Alg-Bewilligung um mehr als 522,– DM aufgehoben und neben diesem Betrag weitere 1.333,55 DM zurückgefordert hat. Das SG hat, auch wenn im Urteilstenor eine (teilweise) Klagabweisung förmlich nicht ausgesprochen worden ist, der Sache nach die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte 522,– DM angerechnet hat und diesen Betrag zurückfordert; denn nach dem Urteilstenor ist die Alg-Bewilligung für zwei Wochen, dh in Höhe von 522,– DM aufzuheben und der Kläger verpflichtet, diesen Betrag zurückzuzahlen. Der Kläger hat hiergegen keine Berufung eingelegt, so daß das Urteil des SG insoweit rechtskräftig geworden ist (§ 141 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Rechtsgrundlage der teilweisen Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 151 Abs. 1 AFG (in der Fassung vom 25. Juni 1969, BGBl I 582). Diese Vorschrift ist zwar durch Art. II § 2 Nr. 1 Buchst a des Sozialgesetzbuches –Verwaltungsverfahren– (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) gestrichen worden. Indes ist das SGB X erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X). Die Rechtmäßigkeit einer vor dem 1. Januar 1981 erfolgten Aufhebung einer Bewilligung im Arbeitsförderungsrecht, wie sie hier vorliegt, ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, weiterhin nach § 151 Abs. 1 AFG aF zu beurteilen (vgl. Urteil vom 11. November 1982 – 7 RAr 16/82 – und Urteil vom 16. Februar 1983 – 7 RAr 105/81 –). Danach sind Entscheidungen, durch die Leistungen bewilligt worden sind, insoweit aufzuheben, als die Voraussetzungen für die Leistungen nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Ob dies hinsichtlich der Bewilligung von Alg in Höhe von 2.376,08 DM der Fall gewesen ist, kann nicht abschließend entschieden werden.

Das LSG hat – in Übereinstimmung mit der Beklagten – angenommen, die Leistungsvoraussetzungen seien weggefallen, weil nach § 115 Abs. 1 AFG (hier anwendbar in der zuletzt durch Art. I Nr. 8 des Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557, geänderten Fassung) die Dozentenvergütungen in Höhe von 2.376,08 DM auf das Alg anzurechnen seien. Das ist unrichtig. Eine Anrechnung kann im vorliegenden Falle höchstens zu einer Aufhebung der Alg-Bewilligung in Höhe von 783,– DM führen, sofern überhaupt der § 115 AFG im vorliegenden Falle eingreift.

Nach § 115 Abs. 1 AFG wird Einkommen, das der Arbeitslose während des Bezuges von Alg aus einer unselbständigen oder selbständigen Tätigkeit erzielt, auf das Alg, das sich nach der aufgrund des § 111 Abs. 2 AFG erlassenen Rechtsverordnung ergibt, zur Hälfte angerechnet, soweit das Einkommen nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten 15,– DM wöchentlich übersteigt. Zutreffend rügt die Revision, daß die Vergütung für Juni 1978 zur Anrechnung herangezogen worden ist, obwohl sie der Kläger nicht während des Bezuges von Alg, sondern erst danach erzielt hat.

Erzielt ist Einkommen, wenn es dem Arbeitslosen zugeflossen ist, so daß er darüber verfügen kann. Dies hat der Senat schon zu der vergleichbaren Anrechnungsvorschrift des § 44 Abs. 4 AFG entschieden (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 10; vgl. aaO Nr. 6). Für § 115 Abs. 1 AFG gilt nichts anderes. Die Vorschrift rechnet Einkommen, das der Arbeitslose aus während des Bezugs von Alg ausgeübten unselbständigen oder selbständigen Tätigkeiten erzielt, zu einem Teil auf das Alg an, weil der Arbeitslose anstelle des angerechneten Algs seinen Unterhalt und den seiner Familie aus dem (erzielten) Erwerbseinkommen decken kann. Solange der Arbeitslose über dieses Erwerbseinkommen nicht verfügt, bleibt Lohn infolge der Arbeitslosigkeit ausgefallen und der Arbeitslose auf das Alg angewiesen; bis dahin kann, wie auch die Beklagte grundsätzlich nicht in Abrede stellt, eine Anrechnung (zB der während des Bezugs von Alg erarbeiteten Ansprüche auf Lohn) auf das Alg nicht vorgenommen werden (vgl. Abschnitt I Nr. 3 Abs. 1 des Runderlasses 291/72, Dienstblatt BA 1972, 839; anders allerdings aaO Abs. 6 für ständiges in der Höhe gleichbleibendes Einkommen, vgl. dazu Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 115 RdNr. 13. August 1972 und Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 115 Anm. 4. Juni 1982).

Zur Anrechnung berechtigt nicht jedes zufließende Erwerbseinkommen. Es muß vielmehr nach § 115 Abs. 1 AFG „während des Bezuges von Alg” erzielt, dh nicht nur während des Bezuges von Alg erarbeitet, sondern während dieser Zeit auch zugeflossen sein. Das folgt zum einen aus den Worten „während des Bezuges von Arbeitslosengeld” erzielt sowie aus dem Begriff Anrechnung, zum andern aus dem Zweck der Vorschrift.

Der Zweck der Vorschrift besteht nicht darin, das für die Zeit gewährte Alg, in der Einkommen erarbeitet worden ist, um das Einkommen in dem in § 115 AFG vorgesehenen Umfange nachträglich zu entziehen. Vielmehr soll der Arbeitslose lediglich darauf verwiesen werden, seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise anstelle des ihm an sich zustehenden Alg aus dem erzielten Einkommen zu befriedigen, das er während der Zeit, für die ihm Alg gewährt worden ist, erarbeitet hat. Hieraus folgt, daß das Einkommen erzielt sein muß, solange der Arbeitslose im Alg-Bezug steht. Nur das während des Bezugs von Alg zugeflossene Erwerbseinkommen kann der Arbeitslose anstelle des Alg verwenden; nach dem Ausscheiden aus dem Bezug steht dem jetzt erst zufließenden Einkommen kein Alg mehr gegenüber, auf das Einkommen angerechnet werden könnte.

Soweit der Arbeitslose über das während der Arbeitslosigkeit erarbeitete Nebeneinkommen erst nach dem Ende des Alg-Bezuges verfügen kann, kommt somit eine Anrechnung grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme dürfte zu machen sein, wenn der Zufluß verzögert wird, um der Anrechnung zu entgehen; jedoch ist hierüber nicht zu entscheiden, denn für eine solche Fallgestaltung fehlt jeder Anhalt. Damit weicht der Senat nicht von der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab; die genannten Entscheidungen betreffen nicht die Anrechnung von erzieltem Einkommen auf Sozialleistungen. Die Überzeugung des Senats entspricht der im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 115 RdNr. 10. August 1972; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 115 Anm. 3. Juni 1982; Krebs, Komm zum AFG, § 115 RdNr. 17. Juli 1982; Eckert ua, Gemeinschaftskomm zum AFG, § 115 RdNr. 6. Juli 1982). Das ist –bis 1972– auch die Rechtsauffassung der Beklagten gewesen (Dienstanweisung Nr. 9 Abs. 3 zu § 115 im RdErl 176/69, Dienstblatt BA 1969, 673, 706; vgl. dagegen jetzt RdErl 291/72, Dienstblatt BA 1972, 839 und RdErl 369/73, Dienstblatt BA 1973, 915) und schon für die Anrechnung nach dem AVAVG, der § 115 Abs. 1 AFG nachgebildet ist, angenommen worden (vgl. Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 95 RdNr. 8; Krebs, Komm zum AVAVG, § 95 RdNrn 14 und 18; Petersen ABA 1957, 276).

Demnach kann die Vergütung für Juni 1978, die erst am 15. Juli 1978 ausgezahlt worden ist, nicht zur Anrechnung herangezogen werden. Zu diesem Zeitpunkt bezog der Kläger kein Alg mehr. Er hatte für diesen Tag keinen Anspruch auf Alg. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, daß er am 15. Juli 1978 noch die Auszahlung des ihm bis zum 26. Juni 1978 gewährten Algs zu beanspruchen hatte; denn Alg wird in der Regel nach Ablauf des Zahlungszeitraumes gezahlt (§ 122 AFG). Dieser betrug auch vor Erlaß der Zahlungszeiträume-Anordnung (vom 15. Dezember 1978, ANBA 1979, 409) in der Regel zwei Wochen (Dienstanweisung Nr. 5 zu § 122 im RdErl 176/69, Dienstblatt BA 1969, 673, 718).

Auch hinsichtlich der Anrechnung der Vergütungen für März, April und Mai 1978, die dem Kläger während des Bezuges von Alg ausgezahlt worden sind, kann dem LSG nicht gefolgt werden. Das LSG hat angenommen, von den Monatsbeträgen sei jeweils ein Freibetrag von 65,– DM (= 15,– DM × 13: 3) abzusetzen und die Hälfte der verbleibenden Beträge auf das Alg anzurechnen, das dem Kläger in der Zeit zustand, in der er die Vergütungen erarbeitet hat. Das entspricht, wie die Revision ebenfalls zu Recht geltend macht, nicht § 115 Abs. 1 AFG. Angerechnet wird auf das Alg, das sich nach der aufgrund des § 111 Abs. 2 AFG erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Damit ist klargestellt, daß grundsätzlich auf den Alg-Wochensatz zu verrechnen ist, der bei Erzielung des Einkommens gilt. Soweit die anrechenbaren Beträge höher sind als das für die Woche zustehende Alg, bleibt das Einkommen anrechnungsfrei; auf die Alg-Leistungen für die folgenden Wochen hat die Differenz keine Auswirkungen. Das schließt die Verteilung erzielten Einkommens auf die Zeit, in der das Einkommen erarbeitet worden ist, aus. Das erzielte Einkommen ist somit für jede Woche getrennt zu ermitteln, aus ihm der anrechenbare Betrag abzuleiten und dieser auf den maßgeblichen Alg-Wochensatz anzurechnen (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 115 Anm. 4. Juni 1982; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 115 RdNrn 13 und 14. August 1972).

Diese Handhabung der Anrechnung entspricht dem seit 1927 geltenden Recht. Schon zu § 112 AVAVG hat das Reichsversicherungsamt betont, daß Unterstützung und anrechnungsfähiger Betrag grundsätzlich jeweils wochenweise gegenüberzustellen seien (GE 4800 AN 1934 IV 336). Maßgebend sei, welcher Verdienst der Arbeitslose jeweils in den einzelnen Wochen erziele; sei der Verdienst in den einzelnen Wochen verschieden, sei nicht der Gesamtverdienst auf die ganze Dauer des Unterstützungsbezugs zu verteilen, sondern der Verdienst so anzurechnen, wie er auf die einzelnen Wochen entfalle (GE 4223 AN 1931 IV 475). Auch nach früherem Recht war das Einkommen in der Woche, in der es erzielt worden war, anzurechnen, selbst wenn die Arbeiten vorher ausgeführt worden waren (Jaeger/Neuburger/Adam, Komm zum AVAVG, 1928, § 112 Anm. 3; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 95 RdNr. 8; Krebs, Komm zum AVAVG, § 95 RdNrn 14 und 18). Ebenso bestand kein Zweifel, daß das in einer Woche erzielte Einkommen höchstens zur vollen Anrechnung des Alg für eine Woche führte (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 95 RdNrn 9 und 11; Krebs, Komm zum AVAVG, § 95 RdNr. 24; vgl. Begründung zu § 112 eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AVAVG, BT-Drucks 11/1274 S 132). Diese Beschränkung der Berücksichtigung von Nebenverdiensten gab dem Gesetzgeber 1957 Anlaß, anstelle der Anrechnung in § 112 Abs. 2 AVAVG = § 95 Abs. 2 AVAVG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957, BGBl I 321) das Ruhen des Alg vorzusehen, wenn das erzielte Einkommen den der Bemessung des Alg zugrundeliegenden Einheitslohn überstieg. Der Anspruch auf Alg ruhte für so viele aufeinanderfolgende Tage, als das Einkommen einem Sechstel des Einheitslohnes voll entsprach, längstens jedoch für 24 Tage; auch für das Ruhen galt, daß es von dem in der Woche erzielten Einkommen abhing und erst mit dem Erzielen des Einkommens einsetzte, insoweit also den gleichen Prinzipien folgte, die der Anrechnung zugrundeliegen.

Das AFG hat die Ruhensregelung nicht übernommen, die Anrechnungsvorschrift des § 95 Abs. 1 AVAVG dagegen in § 115 AFG inhaltlich im wesentlichen beibehalten. Es hat lediglich den Freibetrag erhöht und klargestellt, daß bei der Anrechnung von Nebenverdienst vom Nettobetrag auszugehen ist, wie das schon für das bis dahin geltende Recht angenommen wurde (vgl. Krebs, Komm zum AVAVG, § 115 RdNr. 9; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Komm zum AVAVG, § 115 RdNr. 5). Eine Änderung des Konzepts der Anrechnung ist nicht vorgenommen worden; sie war auch nicht beabsichtigt. Die Gründe, die der Bundestagsausschuß für Arbeit für die Nichtübernahme der Ruhensvorschrift seinerzeit angeführt hat, lassen allerdings Zweifel zu, ob die Auswirkungen der Anrechnungsvorschrift und der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ruhensregelung bei den Beratungen des AFG richtig erkannt worden sind. Die der Anrechnung vorgehende Ruhensregelung stellte allein darauf ab, ob das erzielte Einkommen den Einheitslohn überstieg. Das Alg ruhte somit auch, wenn die Höhe des in einer Woche erzielten, den Einheitslohn übersteigenden Nebenverdienstes darauf zurückzuführen war, daß mit ihm die Arbeit mehrerer Wochen abgegolten wurde. Da zudem die Anrechnung auf das Alg einer Woche beschränkt war, trifft es nicht zu, daß die Ruhensregelung nur Bedeutung hat, wenn ein Arbeitsloser innerhalb einer Woche mit einer geringfügigen Beschäftigung (zB mit einem einzigen Auftritt als Künstler) einen ungewöhnlich hohen Verdienst erzielt, wie der Bundestagsausschuß ausgeführt hat (vgl. Bericht der Abgeordneten Porten und Jaschke, BT-Drucks zu Drucks V/4110 S 19 zu § 104). Eine Absicht, entgegen dem bisherigen Recht das erzielte Einkommen auf mehr als einen Wochensatz anzurechnen bzw es auf das Alg für die Zeit zu verteilen, in der das Entgelt erarbeitet worden ist, ergibt sich hieraus jedoch nicht.

Es ist nicht zu verkennen, daß die geltende Regelung zu Ergebnissen führen kann, die nicht überzeugen. Erzielt ein Arbeitsloser einen regelmäßigen wöchentlichen Nebenverdienst, der den Freibetrag von 15,– DM nur knapp erreicht, bleibt er völlig anrechnungsfrei. Rechnet der Arbeitgeber die gleiche Arbeit dagegen monatlich ab, steht die Hälfte des 15,– DM übersteigenden Betrages zur Anrechnung zur Verfügung. Ist in diesem Fall für den Arbeitslosen nachteilig, daß der Zufluß nicht wöchentlich erfolgt, kann insbesondere bei hohen Nebenverdiensten eine Abrechnung nach Monaten oder größeren Abständen statt nach Wochen von Vorteil sein, wenn die nach Abzug von 15,– DM zur Anrechnung zur Verfügung stehende Hälfte des in einem längeren Zeitraum erarbeiteten Entgelts das wöchentliche Alg übersteigt. Läßt sich die Nichtanrechnung des Einkommens, das erst nach dem Bezug von Alg erzielt ist, mit der Erwägung rechtfertigen, daß nur angerechnet werden kann, solange das Einkommen während des Bezugs anstelle des Alg verwendbar ist, fehlt es für die in der Höhe unterschiedliche Anrechnung des zur gleichen Zeit erarbeiteten Einkommens, je nachdem, ob es wöchentlich oder in größeren Abständen während des Bezugs von Alg zugeflossen ist, an einem überzeugenden Grund. Wie der Arbeitslose darauf verwiesen wird, den seinen Alg-Wochensatz erreichenden anrechenbaren Betrag seines Einkommens anstelle des Alg für eine Woche für seinen Unterhalt zu verwenden, kann er auch auf eine längere Zeit auf sein Einkommen verwiesen werden, bis der anrechenbare Betrag seines Einkommens auf Alg angerechnet ist. Die Anrechnung von Einkommen auf mehr als das Alg einer Woche würde zudem der Gefahr entgegenwirken, daß der Arbeitslose aus Alg und Nebeneinkommen ein Gesamteinkommen erzielt, das ihn an der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung uninteressiert sein läßt. Das Anliegen des Gesetzgebers, einen Teil des Einkommens von der Anrechnung freizulassen, um einen Anreiz zu schaffen, daß der Arbeitslose jedenfalls eine Nebenbeschäftigung ausübt, wäre nicht beeinträchtigt; denn das Gesetz läßt in der hier maßgeblichen Fassung hierfür mehr als die Hälfte des Einkommens von der Anrechnung frei. Für eine Anrechnung des Einkommens auf das Alg von mehr als einer Woche fehlt jedoch nach dem derzeit geltenden Recht eine gesetzliche Grundlage.

Im vorliegenden Falle bedeutet dies, daß der Kläger bei Anrechenbarkeit der März-, April- und Mai-Vergütungen im April, im Mai und im Juni 1978 je einen Wochensatz von 261,– DM, insgesamt 783,– DM zuviel Alg erhalten hat; denn die Hälften der um je 15,– DM verminderten Nettovergütungen übersteigen jeweils den Alg-Wochensatz. Auf Grund der vom LSG getroffenen Feststellungen steht jedoch nicht fest, ob die während des Bezuges von Alg erzielten Vergütungen überhaupt anrechenbar sind. Die Anrechnung nach § 115 Abs. 1 AFG zielt auf Einkommen aus während des Alg-Bezuges ausgeübten Tätigkeiten kurzzeitigen Umfanges ab, die das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht ausschließen (§§ 101 Abs. 1, 102 AFG). Sobald der Alg-Empfänger eine Tätigkeit mehr als kurzzeitigen Umfanges aufnimmt, ist er nicht mehr arbeitslos. Er erfüllt dann nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen für Alg, so daß eine Alg-Bewilligung aufzuheben ist; eine Anrechnung des Erwerbseinkommens kommt dann nicht in Betracht. Anzurechnen ist daher nur Einkommen aus einer kurzzeitigen Tätigkeit. Ob die Beschäftigung des Klägers im März, April und Mai 1978 kurzzeitig gewesen ist, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Aus der Anzahl der honorierten Unterrichtsstunden ergibt sich dies nicht, obwohl die Stunden auf die Woche umgerechnet weniger als 20 Stunden ergeben; denn selbst wenn die Zahl der honorierten Stunden mit der Zahl der Stunden übereinstimmt, die der Kläger erteilen sollte, sind im allgemeinen auch „nebenamtliche” Dozenten zu gewissen Vor- und Nacharbeiten und Arbeiten, die mit der Betreuung der Hörerschaft verbunden sind, verpflichtet, die neben den zu erteilenden Unterrichtsstunden zu berücksichtigen sind, wenn es darum geht, ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 102 Nr. 4).

Auf andere Rechtsgrundlagen läßt sich die Aufhebung der Bewilligung nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht stützen. Der vom LSG erwähnte § 117 Abs. 1 AFG, nach dem der Anspruch auf Alg in der Zeit ruht, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat, rechtfertigt die Aufhebung der Bewilligung nicht. Diese Vorschrift bezieht sich auf Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose aufgrund eines Arbeitsverhältnisses erhält oder zu beanspruchen hat, obwohl das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr besteht. Arbeitsentgelt aus einem während des Alg-Bezuges bestehenden Beschäftigungsverhältnis, wie es beim Kläger vorlag, führt nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Alg. Ist der Alg-Bezieher nämlich infolge des Beschäftigungsverhältnisses nicht arbeitslos, entfällt sein Alg-Anspruch, so daß dieser nicht ruhen kann. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen kurzzeitig, ist die Anrechnung nach § 115 Abs. 1 AFG vorrangig, weil andernfalls das Anliegen des Gesetzgebers, einen Teil des Nebeneinkommens von der Anrechnung freizulassen, nicht erreicht würde.

Jedoch könnte die Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 1. März 1978 in Höhe von bis zu 2.376,08 DM in einem 522,– DM übersteigenden Betrag gerechtfertigt sein, wenn der Kläger zu einem nach dem 28. Februar 1978 liegenden Zeitpunkt keinen Anspruch auf Alg gehabt hätte. Das wäre der Fall, wenn die Dozententätigkeit des Klägers von Anfang an oder von einem späteren Zeitpunkt während des Alg-Bezuges nicht nur kurzzeitig gewesen sein sollte, wozu, wie ausgeführt, die erforderlichen Feststellungen fehlen. Den eventuellen Wegfall des Anspruchs auf Alg zu berücksichtigen, ist den Gerichten nicht deshalb verwehrt, weil die Beklagte den angefochtenen Bescheid nur auf § 115 AFG gestützt hat. Bei einer Anfechtungsklage ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes von Amts wegen umfassend zu prüfen. Es sind daher alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, dh auch solche, auf die der Verwaltungsakt nicht gestützt worden ist. Die angefochtene Entscheidung wird im vorliegenden Falle hierdurch nicht zum Nachteil des Klägers nach Inhalt und Wirkung verändert.

Da das LSG keine Feststellungen über den Umfang der dem Kläger übertragenen Dozententätigkeit (vgl. dazu die Angaben des Arbeitgebers, Bl 34 der Behördenakte) getroffen hat, ist dem Senat somit eine abschließende Entscheidung, ob die Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 1. März 1978 in Höhe von 2.376,08 DM in voller Höhe gerechtfertigt ist, verwehrt.

Auch hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte neben den vom SG ihr zuerkannten 522,– DM weitere 1.333,55 DM zu Recht zurückgefordert hat, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich, weil vorgreiflich ist, inwieweit die Aufhebung von Alg rechtmäßig ist. Ist der Kläger trotz seiner Dozententätigkeit arbeitslos geblieben – also nur kurzzeitig beschäftigt gewesen –, beträgt die eingetretene Überzahlung 262,47 DM; denn von dem Betrag von 783,– DM, um den dann das bewilligte Alg gemäß § 151 Abs. 1, § 115 Abs. 1 AFG zu kürzen ist, sind die 520,53 DM abzusetzen, die die Beklagte im Juni 1978 einbehalten hat. Da diese Überzahlung von 262,47 DM schon von den zuerkannten 522,– DM erfaßt ist, steht der Beklagten in diesem Falle ein weiterer Rückforderungsanspruch nicht zu. Ein solcher weiterer Anspruch kommt wegen der Einbehaltung der 520,53 DM und des zuerkannten Betrages von 522,– DM gemäß § 152 Abs. 1 AFG nur in Betracht, wenn die Aufhebung von Alg von mehr als 1.042,53 DM rechtmäßig ist und die besonderen Tatbestandsmerkmale des § 152 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AFG gegeben sind, was aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen des LSG nicht ausgeschlossen ist.

Die Revision führt daher gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Zurückverweisung der Sache an das LSG, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 924028

Breith. 1984, 156

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