Entscheidungsstichwort (Thema)

Mißglückter Arbeitsversuch bei Bezug von Arbeitslosengeld

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Sozialhilfeträger für ein Mitglied der Krankenversicherung der Arbeitslosen Leistungen erbracht, so hat er im allgemeinen gegen die für diese Versicherung zuständige Krankenkasse unter den weiteren Voraussetzungen des § 1531 RVO auch dann einen Ersatzanspruch, wenn der Versicherte vorher einer anderen Krankenkasse angehörte und bereits bei Beginn des Arbeitslosengeldbezugs vermittlungsunfähig war (Abgrenzung zu BSG 1978-03-21 3 RK 55/76 = SozR 4100 § 155 Nr 4).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Arbeitsunfähigkeit (Vermittlungsunfähigkeit) zu Beginn des Leistungsbezuges nach AFG schließt Versicherungspflicht nach § 155 AFG nicht aus.

2. Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Arbeitslosen und Höhe des Anspruchs auf Krankengeld.

3. Für die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Arbeitslosen kommt es allein auf den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem AFG an, auch wenn der Arbeitslose während dieser Zeit als Kranker in Wahrheit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand und daher von Rechts wegen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte.

4. Der Grundsatz des sogenannten mißglückten Arbeitsversuchs läßt sich nicht auf eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Arbeitslosen übertragen.

5. Nach dem herrschenden Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls entsteht ein Anspruch auf Krankengeld auch dann, wenn der Versicherungsfall der Krankheit während der Mitgliedschaft, die Arbeitsunfähigkeit aber erst während der nachgehenden Frist des § 183 Abs 1 S 2 RVO eingetreten ist. Erforderlich ist nicht, daß auch die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen bestand, falls es sich um dieselbe Erkrankung handelt, und die Dauer einer dazwischen liegenden Zeit der Arbeitsfähigkeit nicht 26 Wochen überschreitet.

6. Ein aus einem einheitlichen Versicherungsfall bestehender Anspruch auf Krankengeld, dessen Höhe nach dem Regellohn aus der letzten Beschäftigung bestimmt ist, wird nicht durch einen zwischenzeitlichen und nachträglich korrigierten Leistungsbezug nach dem AFG (vgl § 155 Abs 2 S 3 aaO) berührt, weil es sich bei dieser Bestimmung um eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitslosen handelt, die nicht zu einer Anspruchsverkürzung führen darf.

 

Normenkette

RVO §§ 311-312, 1531; AFG §§ 155, 103; RVO § 182 Abs. 4; AFG § 155 Abs. 2 S. 3; RVO § 183 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1961-07-12

 

Verfahrensgang

SG Heilbronn (Entscheidung vom 27.01.1982; Aktenzeichen S 5 Kr 1140/80)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als Sozialhilfeträger von der zuständigen Krankenkasse Ersatz von Aufwendungen für einen Krankenhausaufenthalt und die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Beigeladene zu 2), Frau St., verlangen kann.

Die seit Jahren an Alkoholismus leidende Frau St. war zuletzt bei der Firma R B GmbH in S in der Zeit vom 2. Januar bis zum 14. April 1979 beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichert. Am 27. Februar 1979 schrieb ihr behandelnder Arzt sie arbeitsunfähig krank, stellte im März 1979 drei weitere Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen aus und schrieb sie danach am 2. Oktober 1979 erneut für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 12. November 1979 arbeitsunfähig krank.

Am 5. September 1979 hatte sich Frau St. arbeitslos gemeldet; sie bezog aufgrund der Bewilligung vom 19. Oktober 1979 Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 5. bis zum 30. September 1979. Vom 26. Oktober 1979 bis zum 16. Februar 1980 wurde wegen ihrer Alkoholerkrankung eine stationäre Heilbehandlung durchgeführt, deren Kosten der Kläger trug, der ihr auch Hilfe zum Lebensunterhalt in der Zeit vom 5. September 1979 bis zum 28. Februar 1980 gewährte.

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten einen Ersatzanspruch gemäß § 1531 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Höhe von 14.333,91 DM geltend, den die Beklagte ablehnte.

Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte nach dem Hilfsantrag des Klägers zur Zahlung von 5.511,50 DM. Die beigeladene Frau St. sei in der fraglichen Zeit aufgrund ihres Anspruchs auf Krankengeld Mitglied der Beklagten gewesen. Nach den eingeholten ärztlichen Auskünften sei Frau St. vom 5. September 1979 an arbeitsunfähig krank und nicht vermittlungsfähig gewesen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, daß sie seit 14. April 1979 durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen sei. Diese bloße Möglichkeit reiche aus, denn der Nachweis der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit obliege der Krankenkasse. Eines Antrags auf Krankengeld bedürfe es zur Anwendung von § 311 RVO nicht. Die Mitgliedschaft habe auch nicht dadurch geendet, daß Frau St. Alg bezogen habe. Eine Mitgliedschaft bei der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse L. (AOK L.) gemäß § 155 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sei dadurch nicht zustande gekommen, denn sie sei zum Zeitpunkt ihrer Arbeitslosmeldung arbeitsunfähig krank und nicht vermittlungsfähig gewesen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Grundsätze zum mißglückten Arbeitsversuch seien auch auf den Fall der Arbeitslosmeldung anzuwenden. Der Anspruch des Klägers sei jedoch nach der Pauschalierungsvorschrift des § 1524 RVO zu reduzieren.

Die Beklagte rügt mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision die Verletzung der §§ 311, 1531, 1545 RVO sowie des § 155 AFG und der §§ 75, 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es bestünden zunächst erhebliche Bedenken, ob der Kläger überhaupt einen Hilfsbedürftigen nach gesetzlicher Pflicht unterstützt habe, wie es § 1531 RVO für den Erstattungsanspruch fordere. Das SG habe dies ohne nähere Prüfung der Voraussetzungen im einzelnen angenommen. Die Unterlassung der notwendigen Feststellungen verletze § 103 SGG. Das SG habe zwar schlüssig dargelegt, daß sich nicht mehr erweisen lasse, ob die beigeladene Frau St. in der Zeit zwischen dem 20. März und dem 5. September 1979 durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen sei. Daraus habe aber das SG zu Unrecht gefolgert, daß wegen dieser Beweislosigkeit davon auszugehen sei, die Mitgliedschaft der beigeladenen Frau St. bei der Beklagten sei über den 4. September 1979 hinaus gemäß § 311 Satz 1 Nr 2 RVO erhalten geblieben. Damit werde der Grundsatz der objektiven Beweislast in sein Gegenteil verkehrt. Nicht die Beklagte, sondern die beigeladene Frau St. und damit der Kläger beriefen sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Januar 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise, den Rechtsstreit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, die beigeladene AOK zu verurteilen, die Aufwendungen des Klägers für die beigeladene St. in der Zeit vom 1. Oktober 1979 bis zum 28. Februar 1980 im Rahmen des § 1533 RVO zu erstatten.

Der Kläger hat die von ihm zunächst eingelegte Revision zurückgenommen.

Die beigeladene AOK beantragt, die Revision der Beklagten und den Antrag des Klägers, soweit dieser auf ihre Verurteilung gerichtet ist, als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

Die beigeladene Frau St. ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, denn das SG hat die Beklagte zu Unrecht zum teilweisen Ersatz der für Frau St. erbrachten Leistungen verurteilt.

Nach § 1531 RVO kann ein Träger der Sozialhilfe, der nach gesetzlicher Pflicht einen Hilfsbedürftigen für eine Zeit unterstützt, für die dieser einen Anspruch nach der RVO hatte, von dem betreffenden Versicherungsträger Ersatz beanspruchen. Die von dem Kläger getragenen Aufwendungen sind grundsätzlich erstattungsfähig, und zwar die Kosten für die Krankenhausbehandlung gemäß § 1533 Nr 2 RVO und die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt als "übrige Unterstützung" gemäß Nr 3 dieser Bestimmung, die aus dem Krankengeld als der entsprechenden Kassenleistung zu ersetzen ist. Das Erfordernis der Kongruenz zwischen der Leistung des Sozialhilfeträgers und dem Anspruch des Versicherten erstreckt sich auch auf den Leistungszeitraum, so daß eine Erstattungspflicht nur derjenigen Krankenkasse in Betracht kommt, die in der Zeit der Sozialhilfegewährung leistungspflichtig war.

Die Beklagte wäre zum Ersatz der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nur dann verpflichtet, wenn Frau St. während dieser Zeit ihr Mitglied gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten bestand zwar wenigstens bis zum Ende der Beschäftigung bei der Fa. R.B. am 14. April 1979. Die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse erlischt jedoch gemäß § 312 Abs 1 RVO, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Kasse wird.

Das letzte, der Krankenhausbehandlung vorausgehende Ereignis, das als mitgliedschaftsbegründender Tatbestand in Frage kommt, ist der Bezug von Alg durch Frau St. in der Zeit vom 5. bis zum 30. September 1979, den das SG bindend festgestellt hat. Gemäß § 155 Abs 1 AFG ist für den Fall der Krankheit versichert, wer Alg bezieht. Diese Versicherung wird nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt (Abs 2 Satz 1), wobei hinsichtlich der Rechte und Pflichten aus der Krankenversicherung an die Stelle der versicherungspflichtigen Beschäftigung der Bezug von Alg tritt (Satz 2). Die Kassenzuständigkeit ergibt sich aus § 159 Abs 1 AFG. Danach sind die Versicherten Mitglieder derjenigen Kasse, der sie im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung angehörten, es sei denn, der Versicherte habe vor der Entscheidung über den Antrag auf eine in § 155 Abs 1 AFG genannte Leistung erklärt, nicht Mitglied dieser Kasse sein zu wollen. In diesem Fall wird er gemäß § 159 Abs 2 AFG Mitglied derjenigen Ortskrankenkasse, deren Bezirk den für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgebenden Wohn- oder Aufenthaltsort des Versicherten umfaßt.

Frau St. hatte bei ihrer Arbeitslosmeldung angegeben, sie wolle während des Leistungsbezugs der AOK L., also der beigeladenen AOK angehören, und damit implizit erklärt, nicht Mitglied der Beklagten sein zu wollen. Der Bezirk der AOK L. umfaßt mit L  den für die Zuständigkeit des Arbeitsamts L maßgebenden Wohn- oder Aufenthaltsort der Frau St. Diese war damit infolge des Bezugs von Alg Mitglied der beigeladenen AOK geworden und damit dieser gegenüber zu Leistungen im Versicherungsfall berechtigt. Damit erlosch zugleich spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten (§ 312 Abs 1 RVO), so daß es nicht darauf ankommt, ob Frau St. in der Zeit vom 14. April bis zum 2. Oktober 1979 ununterbrochen arbeitsunfähig krank war.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß Frau St. zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 5. September 1979 arbeitsunfähig war. Entgegen der Ansicht des SG lassen sich die Grundsätze des sogenannten "mißglückten Arbeitsversuchs" auf den vorliegenden Fall nicht anwenden. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1979 (SozR 2200 § 311 RVO Nr 11 S 6) darauf hingewiesen, daß es für die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) allein auf den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem AFG ankomme, auch wenn der Arbeitslose während dieser Zeit als Kranker in Wahrheit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand und daher von Rechts wegen keinen Anspruch auf Alg hatte. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten.

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) stets die Ansicht vertreten, die Mitgliedschaft in der KVdA werde selbst dann begründet, wenn die Unterstützung gezahlt worden sei, ohne daß dem Arbeitslosen ein Anspruch darauf zustand. Es handele sich um ein krankenversicherungsrechtliches Pflichtversicherungsverhältnis, für das allein der tatsächliche Bezug von Alg maßgebend sei ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen für diesen Leistungsbezug vorgelegen haben (BSG SozR Nr 1 zu § 107 AVAVG; Nr 6 zu § 109 AVAVG; 4100 § 155 Nrn 4, 5 und 7). Dabei hat der 3. Senat des BSG zur Stützung dieser Ansicht besonders auf § 155 Abs 2 Satz 3 AFG hingewiesen, wonach das allein durch den Bezug von Alg begründete Pflichtversicherungsverhältnis nicht berührt wird, wenn die Entscheidung, die zu einem Leistungsbezug geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückfordert oder zurückgezahlt worden ist (SozR 4100 § 155 Nrn 4, 5). Mit dieser Bestimmung wird das Prinzip der Formalversicherung ausdrücklich im Gesetz verankert. Sinn dieses Prinzips ist es gerade, die Entstehung des Versicherungsverhältnisses - unabhängig von seinem Rechtsgrund - an das Vorliegen ohne weiteres nach außen hin erkennbarer Kriterien zu knüpfen und damit zugleich unabhängig von einer Rechtmäßigkeitsprüfung. Dies muß auch dann gelten, wenn der Arbeitslose im Zeitpunkt seiner Arbeitslosmeldung arbeitsunfähig krank oder gar vermittlungsunfähig war. Denn die Tatbestände eines mißglückten Arbeitsversuches und eines mit kurzfristigen, von vornherein erkennbar ungerechtfertigten Leistungsbezuges sind in mehrfacher Hinsicht nicht vergleichbar.

Der Anspruch auf Alg richtet sich nach § 100 AFG und setzt neben Arbeitslosigkeit, Erfüllung der Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung und Antragstellung voraus, daß der Betreffende der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Wann dies der Fall ist, wird in § 103 Abs 1 AFG geregelt. Nach Nr 1 dieser Bestimmung steht nur derjenige der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, der eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Dabei gehört zum "Können" insbesondere die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, wobei es nicht darauf ankommt, was sich der Arbeitslose zutraut, sondern was äußerstenfalls objektiv noch möglich erscheint (vgl Hennig/Kühl/Heuer AFG, Anm 2a zu § 103, 28. Lfg 1982 S 158f). Das Fehlen der erforderlichen Leistungsfähigkeit wird vielfach bei der Arbeitslosmeldung unbemerkt bleiben oder überhaupt erst bei dem Versuch einer konkreten Arbeitsaufnahme feststellbar sein, so daß das inzwischen bezogene Alg zu Unrecht gewährt wurde, weil die Voraussetzung der Verfügbarkeit nicht gegeben war. Gerade auch solche Fälle, in denen nach § 151 Abs 1 AFG aF der Bewilligungsbescheid aufzuheben war, werden jedoch von § 155 Abs 1 Satz 3 AFG erfaßt, es ist nicht der geringste Hinweis dafür erkennbar, daß diese Vorschrift - und damit das Prinzip der Formalversicherung überhaupt - dann nicht anwendbar sein soll, wenn die von der Rechtsprechung bisher entwickelten Kriterien eines sogenannten "mißglückten Arbeitsversuchs" vorliegen.

Wie wenig sich die Grundgedanken der Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs für eine Anwendung auf den Tatbestand der Verfügbarkeit eignen, zeigt auch das weitere Merkmal des "Dürfens" in § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG. Wer eine Beschäftigung überhaupt nicht ausüben darf (zB aufgrund des absoluten Beschäftigungsverbots gemäß § 6 des Mutterschutzgesetzes -MuSchG- oder wegen fehlender Arbeitserlaubnis), für den steht ebenfalls von vornherein fest, daß die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nicht für eine wirtschaftlich relevante Dauer vorliegen werden. Dennoch wird in solchen Fällen kein mißglückter Arbeitsversuch angenommen, der trotz tatsächlichen Leistungsbezugs nicht zur Entstehung eines Krankenversicherungsverhältnisses gemäß § 155 Abs 1 AFG führen könnte. Dann aber läßt sich nicht mehr begründen, warum lediglich eine bestimmte Art fehlender Verfügbarkeit - krankheitsbedingte Vermittlungsunfähigkeit - die Anwendung von § 155 Abs 1 AFG ausschließen sollte, die übrigen Fälle fehlenden "Könnens" und "Dürfens" dagegen nicht.

Auch der Gedanke der Mißbrauchsabwehr vermag dies nicht zu rechtfertigen. Denn das Arbeitsamt trifft eine Pflicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Leistungsbezugs gegeben sind, während der private Arbeitgeber bei Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses einer solchen Pflicht nicht unterliegt. Dadurch ist der Versicherte in der Lage, sich ohne Beitragsleistung einen umfangreichen Versicherungsschutz zu verschaffen, wenn in diesen Fällen keine Mißbrauchsabwehr besteht.

Muß aber § 155 AFG selbst bei Vermittlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung angewendet werden, dann bleibt auch die infolge des Arbeitslosengeldbezugs begründete Krankenkassen- Mitgliedschaft über § 311 Nr 2 RVO iVm § 155 Abs 2 Satz 1 AFG erhalten, sofern Anspruch auf Krankengeld besteht, was dann der Fall ist, wenn der Leistungsbezug infolge des Eintritts von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit eingestellt wird. Diese, vom erkennenden Senat schon in der Entscheidung vom 19. Dezember 1979 (SozR 2200 § 311 Nr 11) vertretene Ansicht, weicht nicht vom Urteil des 3. Senats vom 21. März 1978 (SozR 4100 § 155 Nr 4) ab. Der 3. Senat hat dort zwar ausgesprochen, es bestehe kein sachlicher Grund, die Fälle des faktischen Bezugs von AFG-Leistungen iS von § 155 Abs 1 AFG im Hinblick auf die Grundgedanken des mißglückten Arbeitsversuchs anders zu behandeln als diejenigen der faktischen Beschäftigung gemäß § 165 Abs 2 RVO. Die tragenden Gründe der Entscheidung betreffen jedoch die Frage, ob sich in einem solchen Fall die Berechnung der Höhe des Krankengeldanspruchs nach § 158 AFG zu richten hat, was der 3. Senat verneint. Diese Frage würde auch der erkennende Senat nicht anders beurteilen, weil es in der Tat nicht richtig sein kann, daß sich in dem Falle eines bewußten Belastungsversuchs, bei dem das Risiko des Mißlingens wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit von vornherein vorhersehbar war, der Anspruch auf Krankengeld infolge der "Gesetzesautomatik" des § 155 AFG von - wie dort geschehen - 56,28 DM auf 27,80 DM täglich reduzieren sollte.

Zur Frage, welche Kasse leistungspflichtig ist, hat der 3. Senat ausgeführt (BSGE 51, 281, 285), daß die Leistungspflicht einer neuen Kasse aus bestehender Mitgliedschaft grundsätzlich einer eventuellen Leistungspflicht der alten Kasse aus beendeter Mitgliedschaft vorgehe. Daß durch den Bezug von Alg gemäß § 155 AFG unter den Voraussetzungen von § 159 AFG eine neue Kassenzugehörigkeit begründet werden kann, hat auch die Entscheidung des 3. Senats vom 19. Dezember 1979 nicht ausgeschlossen. Im Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall jedoch hat hier die erkrankte Frau St. kein Krankengeld erhalten, noch läßt sich fortdauernd Arbeitsunfähigkeit (AU) und damit ein Anspruch auf Krankengeld (KrG) feststellen. Ihre Mitgliedschaft bei der früheren Krankenkasse im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung steht daher nicht fest. Da nicht die beigeladene Frau St. Krankengeld beansprucht, sondern der Kläger sich auf die durch den Krankengeldanspruch von Frau St. vermittelte Mitgliedschaft bei der Beklagten beruft, geht diese Unerweislichkeit zu seinen Lasten.

Die beigeladene Frau St. hat nach der bindenden Feststellung des SG vom 5. bis zum 30. September 1979 Alg bezogen und war im unmittelbaren Anschluß daran in der Zeit ab 1. Oktober bis mindestens 12. November 1979 arbeitsunfähig krank. Sie ist daher vom 5. September 1979 an Mitglied der beigeladenen AOK gewesen und gemäß § 311 Nr 2 RVO iVm § 155 Abs 2 Satz 1 AFG auch bis zum Beginn des Krankenhausaufenthalts am 26. Oktober 1979 geblieben, so daß zu diesem Zeitpunkt ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten - eine Fortdauer bis zum 4. September 1979 unterstellt - jedenfalls gemäß § 312 Abs 1 RVO erloschen war. Da deshalb Frau St. von der Beklagten keine Leistungen mehr beanspruchen konnte, steht auch dem Kläger kein Ersatzanspruch für Krankenhauskosten gegen die Beklagte zu.

Das gleiche gilt für den ebenfalls geltend gemachten Ersatzanspruch wegen Aufwendungen für Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 5. September 1979 an. Bereits zu diesem Zeitpunkt war Frau St. infolge des Arbeitslosengeldbezugs nicht mehr Mitglied der Beklagten.

Gemäß § 75 Abs 5 SGG ist die beigeladene AOK L. zum Ersatz der Aufwendungen, die der Kläger getragen hat, zu verurteilen.

Dies gilt zunächst für die Krankenhauskosten. Die Mitgliedschaft von Frau St. bei der beigeladenen AOK L. im Zeitpunkt des Beginns der Krankenhausbehandlung ergibt sich aus der bisherigen Erörterung. Anhaltspunkte dafür, daß die stationäre Behandlung von Frau St. nicht erforderlich gewesen wäre, wurden weder von den Beteiligten vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Die beigeladene AOK L. war daher nicht berechtigt, die Krankenhauspflege zu versagen. Es fehlt auch an Hinweisen dafür, daß es sich bei der Behandlung im Psychiatrischen Landeskrankenhaus W. um eine solche in einer Kur oder Spezialeinrichtung iS von § 184a RVO gehandelt habe. Frau St. stand daher ein entsprechender Leistungsanspruch gegen die beigeladene AOK L. gemäß § 184 RVO zu.

Der Kläger kann Ersatz seiner Aufwendungen allerdings nur verlangen, soweit er einen Hilfsbedürftigen nach gesetzlicher Pflicht unterstützt hat (§ 1531 Satz 1 RVO). Das Urteil des SG enthält dazu zwar keine weiteren Ausführungen, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, daß die Voraussetzungen des § 1531 RVO im vorliegenden Fall erfüllt seien. Der erkennende Senat hält jedoch weitere Tatsachenfeststellungen nicht für erforderlich. Die Bedenken der Beklagten bezüglich der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 5. September 1979 an wegen des bewilligten Alg sind gegenüber der beigeladenen AOK L. gegenstandslos, weil der Kläger seinen Anspruch insoweit auf die Zeit ab 1. Oktober 1979 begrenzt hat. Die Pflicht des Klägers zur Gewährung von Krankenhilfe ergibt sich aus § 37 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Angesichts des Umstandes, daß weder die beklagte Betriebskrankenkasse noch die beigeladene AOK zur Übernahme der Kosten bereit waren, liegt die Hilfsbedürftigkeit der beigeladenen Frau St. - die in der fraglichen Zeit weder Alg noch Krankengeld erhielt - auf der Hand. Es ist nicht ersichtlich, welche weiteren Feststellungen durch das SG noch geboten sein sollten.

Da der Kläger seinen Ersatzanspruch gegen die beigeladene AOK bereits mit seinem Schreiben vom 19. Oktober 1979 angemeldet hatte, ist auch gegenüber ihr die Frist des § 1539 RVO gewahrt.

Der erkennende Senat beschränkt seine Entscheidung gemäß § 130 SGG auf die Verurteilung der beigeladenen AOK zur Leistung nur dem Grunde nach, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, die Berechnungsgrundlagen des Ersatzanspruches zu überprüfen. Wie bereits das SG zutreffend entschieden hat, ist dabei bezüglich der Krankenhausbehandlungskosten von den Pauschsätzen des inzwischen durch Art II § 3 Nr 1 Buchst a des Sozialgesetzbuches (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I 1450) mit Wirkung vom 1. Juli 1983 gestrichenen § 1524 RVO auszugehen. In seinem Urteil vom 18. August 1982 - 3 RK 17/80 - hat das BSG für die Zwischenzeit die weitere Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausdrücklich bejaht.

Wegen der seit dem Gesetz vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) neu eingeführten Berechnung des Krankengeldes nach dem "Regellohn" anstelle des Grundlohnes ist dieser in § 1524 RVO verwendete Begriff entsprechend zu interpretieren. Die Beteiligten werden dabei zu beachten haben, daß die beigeladene Frau St. nach der bindenden Feststellung des SG im Zeitpunkt ihrer Arbeitslosmeldung am 5. September 1979 arbeitsunfähig krank und nicht vermittlungsfähig war. Die Höhe ihres Krankengeldanspruches richtet sich daher nicht nach § 158 AFG. Maßgebend dafür ist vielmehr § 182 Abs 4 und 5 RVO.

Gemäß § 212 RVO hat dann, wenn ein Versicherter, der Leistungen bezieht, zu einem anderen Träger der Krankenversicherung übertritt, dieser die weiteren Leistungen nach seiner Satzung zu übernehmen. Dabei kommt es jedoch nicht auf den tatsächlichen Bezug an, sondern auf die Berechtigung des Anspruches (so schon RVA Nr 2546, EuM 11, 78; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 212 RVO Anm 3, 27. Nachtrag S 17/683; ferner BSGE 28, 249 zur Auslegung des Begriffes "Bezug" in § 183 Abs 1 Satz 2 RVO). Dabei wird, wie ebenfalls das RVA bereits formuliert hat, grundsätzlich der Anspruch "seinem ganzen Umfang nach im Augenblick des Eintritts des Versicherungsfalles erworben" (GE des RVA Nr 2693, AN 1922, 281). Das darin zum Ausdruck kommende Prinzip der Einheit des Versicherungsfalles (vgl dazu BSGE 25, 37ff; 45, 11, 16; 51, 287f) hat zur Folge, daß ein Anspruch auf Krankengeld auch dann entsteht, wenn der Versicherungsfall der Krankheit während der Mitgliedschaft, die Arbeitsunfähigkeit aber erst während der nachgehenden Frist des § 183 Abs 1 Satz 2 RVO eingetreten ist (BSGE 51, 281, 284). Erforderlich ist daher nicht, daß auch die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen bestand, falls es sich um dieselbe Erkrankung handelt, und die Dauer einer dazwischen liegenden Zeit der Arbeitsfähigkeit nicht 26 Wochen überschreitet (BSGE 51, 287, 192).

Da nach den Feststellungen des SG die Arbeitsunfähigkeit der beigeladenen Frau St. am 5. September auf derselben Krankheit beruhte, wegen der sie der behandelnde Arzt bereits am 27. Februar 1979 krankgeschrieben hatte und zu jenem Zeitpunkt seit ihrem Ausscheiden aus dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis am 14. April 1979 noch keine 26 Wochen vergangen waren, hatte sie am 5. September 1979 einen Anspruch auf Krankengeld, dessen Höhe sich nach dem Regellohn aus ihrer letzten Beschäftigung bei der Fa. R.B. bestimmte. Ihre Arbeitsunfähigkeit setzte sich danach ohne Unterbrechung bis zum 26. Oktober 1979, dem Tag des Beginns der stationären Heilbehandlung fort und damit auch ihr Anspruch auf Krankengeld, der sich allerdings nunmehr - auch in der bisherigen Höhe - infolge ihres Eintritts in die KVdA gegen die beigeladene AOK richtete. Auf diese Höhe kann der zwischenzeitliche Bezug von Alg schon deshalb keinen Einfluß haben, weil es sich bei § 155 Abs 2 Satz 3 AFG um eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitslosen handelt, die nicht zu einer Anspruchsverkürzung führen darf. Im übrigen bestimmt § 118 Abs 1 Nr 2 AFG daß bei Leistungskonkurrenz das Alg und nicht das Krankengeld ruht.

Zur Berechnung des zu ersetzenden Betrages ist der maßgebende Regellohn der beigeladenen Frau St. mit der vom SG festgestellten Zahl von 114 Tagen der Behandlungsdauer zu multiplizieren. Dieser Betrag ist mit 3/8 für Krankenhauspflege zuzüglich 4/8 für Unterhalt im Krankenhaus (vgl dazu Lehmann, Komm zur RVO, Anm 6 zu § 1524, 4. Aufl 1926 S 36), also mit 7/8 zu vervielfältigen.

Die Aufwendungen des Klägers an Hilfe zum Lebensunterhalt für die beigeladene Frau St. hat die beigeladene AOK L. gemäß § 1533 Nr 3 RVO aus dem Anspruch auf Krankengeld der beigeladenen Frau St. zu leisten, den diese in der Zeit vom 1. Oktober 1979 bis zum 28. Februar 1980 hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 78

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge