Entscheidungsstichwort (Thema)

Letzter wirtschaftlicher Dauerzustand. Vorstufe des Todes

 

Orientierungssatz

1. Lediglich dann, wenn sich im Einzelfall die Erkrankung als "Vorstufe des Todes" darstellt, dh der ursächliche Zusammenhang zwischen ihr und dem Tode der Versicherten besonders deutlich und der zeitliche Zusammenhang in dem Sinne eng ist, daß von der ersten Auswirkung der Krankheit bis zum Ableben der Versicherten eine verhältnismäßig kurze Zeit vergangen ist, kann es unbillig sein, die durch die Erkrankung herbeigeführte dauernde Verschlechterung der Unterhaltslage zum Prüfungsmaßstab für die Frage der überwiegenden Unterhaltsleistung zu nehmen. Dann ist die Zeit der Erkrankung außer Betracht zu lassen und stattdessen der Zeitpunkt ihres Beginns maßgebend für das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes (vgl BSG vom 24.4.1980 1 RA 3/79 = SozR 2200 § 1266 Nr 15 S 59f).

2. Hingegen kann, wenn eine Krankheit als Gesamtgeschehen über einen längeren Zeitraum hinweg verläuft und sie deswegen in die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes einzubeziehen ist, davon eine einzelne Verlaufsphase dieser Krankheit nicht ausgenommen werden, selbst wenn sie, für sich allein betrachtet, nur eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne umfaßt.

3. Letzter wirtschaftlicher Dauerzustand ist grundsätzlich der letzte Zustand vor dem Tode der Versicherten; er kann nicht auf einen früheren Lebensabschnitt der Eheleute verlegt werden. Ein dadurch etwa bedingtes unbilliges Ergebnis liegt an der Zufälligkeit des Eintritts des Todes der Versicherten als des Ereignisses, welches als Versicherungsfall Leistungsansprüche auszulösen vermag, und kann nichts daran ändern, daß sich in § 43 Abs 1 AVG aF (= § 1266 Abs 1 RVO aF) ebenso wie in anderen, einen Rentenanspruch begründenden Vorschriften der Leistungsanspruch nach den im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und geltenden Rechtsvorschriften richtet.

 

Normenkette

AVG § 43 Abs 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1266 Abs 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 08.09.1987; Aktenzeichen L 6 An 2612/86)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.09.1986; Aktenzeichen S 9 An 271/86)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Witwerrente aufgrund eines vor dem 1. Januar 1986 eingetretenen Versicherungsfalles.

Der Kläger ist der Witwer der am 15. April 1985 verstorbenen Helga F. (im folgenden: Versicherte). Ihr mußte im Januar 1981 wegen der Metastase eines Mammakarzinoms der rechte Lungenlappen entfernt werden. Im November 1983 erkrankte die Versicherte erneut an dem Krebsleiden. Bis zum 8. Januar 1984 wurde ihr das Gehalt aus ihrem Beschäftigungsverhältnis als Kontoristin fortgezahlt. Vom 9. Januar bis 28. Mai 1984 erhielt sie Krankengeld und für die folgende Zeit bis zum 28. August 1984, während derer ihr die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 31. Juli bis 28. August 1984 ein Heilverfahren gewährte, Übergangsgeld. Daran anschließend bezog die Versicherte bis zum 12. Dezember 1984 wiederum Krankengeld. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 bewilligte ihr die Beklagte wegen eines am 28. November 1983 eingetretenen Versicherungsfalles für die Zeit ab 29. August 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) auf Zeit bis zum 30. Juni 1986 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.128,30 DM. Der Kläger war während des gesamten Zeitraums als Lagerist beschäftigt.

Seinen Antrag auf Gewährung einer Witwerrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 4. November 1985 mit der Begründung ab, während des von April 1984 bis März 1985 währenden wirtschaftlichen Dauerzustandes im letzten Jahr vor dem Tode der Ehefrau habe der Kläger ein steuerpflichtiges Einkommen von 33.932,-- DM gehabt, während die Versicherte Einkünfte in Höhe von 23.220,65 DM erzielt und damit den Unterhalt nicht überwiegend bestritten habe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1986).

Das Sozialgericht (SG) Freiburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. September 1986) und das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8. September 1987). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:

Die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in seiner bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung (aF) für die Gewährung einer Witwerrente an den Kläger seien nicht erfüllt. Die Versicherte habe nicht iS dieser Vorschrift ihre Familie überwiegend unterhalten. Insofern habe der Gesetzgeber in generalisierender Betrachtungsweise auf den zu Lebzeiten der Versicherten gewährten Unterhalt abgestellt in der Annahme, daß dieser ohne den Tod der Versicherten voraussichtlich weiter geleistet worden wäre. Auf der Grundlage der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Begriff des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes und zu den Fragen, ob als solcher auch eine dem Tode der Versicherten vorausgehende Zeit der Erkrankung mit einer dadurch verursachten Verschlechterung der Unterhaltslage berücksichtigt werden dürfe und unter welchen Voraussetzungen dies aus Billigkeitsgründen zu unterbleiben habe und stattdessen das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes mit dem Beginn der zum Tode führenden Krankheit festzulegen sei, sei im vorliegenden Fall der letzte wirtschaftliche Dauerzustand geprägt worden durch den ab 13. Dezember 1984 erfolgten Bezug der EU-Rente. Bei diesem Rentenbezug wäre es ohne die rapide Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Versicherten im Dezember 1984 mit dem am 15. April 1985 eingetretenen Tod jedenfalls bis zum Ende des Bewilligungszeitraums geblieben. Angesichts der langen Krankheitszeit von November 1983 bis April 1985 könne dieser gesamte Zeitraum von 17 Monaten trotz des tödlichen Verlaufs der Krebserkrankung nicht als eine bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer acht zu lassende "Vorstufe des Todes" angesehen werden. Als solche komme aufgrund der Verschlechterung des Zustandes der Versicherten lediglich die Zeit ab November 1984 in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt habe aber der Versicherten aufgrund des am 6. Dezember 1984 ergangenen Bescheides bereits EU-Rente zunächst bis Juni 1986 zugestanden, auch wenn aufgrund der erst später erfolgten Rentenbewilligung zu diesem Zeitpunkt noch Krankengeld gezahlt worden sei. Sei danach der letzte wirtschaftliche Dauerzustand durch den Bezug der EU-Rente in Höhe von monatlich 1.128,30 DM geprägt worden, so spiele es keine Rolle, daß die Versicherte zuvor weit höheres Krankengeld oder Übergangsgeld bezogen und bis dahin während der gesamten Ehedauer den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Auch könne nicht im Wege der Billigkeit auf das höhere Krankengeld oder Übergangsgeld zurückgegriffen werden. Die Berücksichtigung einer anderen als der tatsächlich gewährten, zudem nur für eine begrenzte Dauer bewilligten und vor dem Tode der Versicherten bereits wieder weggefallenen Leistung widerspräche dem Grundgedanken, daß im Rahmen des § 43 Abs 1 AVG aF der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode einer Versicherten, wie er in generalisierender Betrachtungsweise wahrscheinlich ohne den Eintritt des Todes auch in der folgenden Zeit fortbestanden hätte, berücksichtigt werde. Die Rente der Versicherten in Höhe von 1.128,30 DM monatlich habe deutlich unter dem Nettoeinkommen des Klägers gelegen, welches in der Zeit von April 1984 bis März 1985 durchschnittlich 1.915,80 DM monatlich betragen habe. Damit habe die Versicherte den Familienunterhalt nicht überwiegend bestritten. Das gelte auch bei Anrechnung des Wertes der Haushaltsführung, zu der mindestens zur Hälfte auch der Kläger verpflichtet gewesen sei.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 AVG aF. Sei nach den bindenden Feststellungen des LSG die Zeit ab November 1984 als Vorstufe des Todes anzusehen, dann könne der letzte wirtschaftliche Dauerzustand nicht durch eine erst später erfolgte Rentenbewilligung mit dem entsprechenden Bezug der Rente im Dezember 1984 bestimmt worden sein. Er sei vielmehr bestimmt worden durch Übergangs- und Krankengeldbezüge, mit welchen die Versicherte bis zur Rentenzahlung ab 13. Dezember 1984 den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. § 43 AVG stelle hinsichtlich der Unterhaltsleistungen der Familienmitglieder auf die tatsächlichen Verhältnisse ab und lasse eine Berücksichtigung nur solcher Leistungen der später verstorbenen Versicherten als Beitrag zum Familienunterhalt zu, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes zum Familienunterhalt effektiv beigesteuert worden seien. Hingegen könnten nicht solche Einnahmen berücksichtigt werden, die effektiv erst nach dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand anerkannt und erzielt worden seien. Selbst wenn aber entgegen dieser Auffassung der letzte wirtschaftliche Dauerzustand bei der Versicherten durch den Bezug der EU-Rente geprägt worden sein sollte, könne hierauf deswegen nicht abgestellt werden, weil dieser Zeitraum lediglich fünf Monate umfaßt habe und angesichts dessen, daß die Versicherte zuvor ununterbrochen 21 Jahre lang den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe, als nicht ins Gewicht fallend anzusehen sei. Bei einer solchen Sachlage dürfe aus Billigkeitsgründen nicht der kurze letzte wirtschaftliche Dauerzustand zum Bezugspunkt für den überwiegend bestrittenen Familienunterhalt genommen, sondern müsse allein darauf abgestellt werden, daß die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten habe. Das entspreche auch eher dem im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. März 1975 (BVerfGE 39, 169 = SozR 2200 § 1266 Nr 2) enthaltenen Neuregelungsauftrag an den Gesetzgeber, dem durch § 41 Abs 2 AVG idF des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I S 1450) für Todesfälle nach dem 31. Dezember 1985 entsprochen worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. September 1987 und des Sozialgerichts Freiburg vom 16. September 1986 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4. November 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1986 zu verurteilen, ihm ab 15. April 1985 Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau Helga F.         zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und insbesondere die darin vorgenommene Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes für zutreffend und die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise die letzte Phase vor dem Tode bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes unberücksichtigt bleiben darf, für nicht erfüllt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung einer Witwerrente nach seiner am 15. April 1985 verstorbenen Ehefrau nicht zu. Das hat das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden. In der Begründung kann ihm allerdings nur teilweise gefolgt werden.

Rechtsgrundlage des vom Kläger erhobenen Anspruchs ist § 43 Abs 1 AVG in seiner bis zum 31. Dezember 1985 geltenden, hier noch anwendbaren (vgl Art 2 § 18a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -AnVNG- idF des Art 2 Nr 4 HEZG; zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG SozR 2200 § 1264 Nr 8) Fassung. Danach erhält Witwerrente der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.

In welchem Zeitpunkt oder während welchen Zeitraums die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten haben muß, ist dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen. Die Rechtsprechung hat insofern maßgebend auf den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten abgestellt. Dieser beginnt mit der letzten wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung und endet im Regelfall mit dem Tode der Versicherten (ständige Rechtsprechung seit BSGE 14, 129, 132 = SozR Nr 1 zu § 1266 RVO; vgl zuletzt BSG SozR 2200 § 1266 Nr 23 S 90 mwN). Anknüpfend an diesen letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten wird im Rahmen des § 43 Abs 1 AVG aF in generalisierender Betrachtungsweise unterstellt, daß er sich ohne den Tod der Versicherten auch in der darauf folgenden Zeit fortgesetzt hätte (BSGE 34, 35, 37 = SozR Nr 11 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 42 und Nr 15 S 60, jeweils mwN). Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung kann zB in dem Erwerb einer zusätzlichen oder dem Verlust einer bisherigen Unterhaltsquelle (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 8 S 38) wie auch in einer Änderung der Höhe der Einkünfte bei gleichbleibender Einkommensart und - quelle bestehen (vgl BSGE 14, 129, 133 = SozR Nr 1 zu § 1266 RVO).

Das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes wird durch den Tod der Versicherten im Regelfall auch dann bestimmt, wenn ihm eine Zeit der Erkrankung mit einer daraus resultierenden Veränderung der Einkommensverhältnisse vorausgegangen ist. Diese Zeit der Erkrankung kann nicht prinzipiell mit der Begründung, sie sei lediglich als vorübergehender Zustand zu verstehen, bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer Betracht bleiben, weil sie häufig nicht ein bloß vorübergehender, sondern ein Zustand ist, der sich ohne den Tod der Versicherten fortgesetzt hätte (BSGE 35, 243, 245 = SozR Nr 13 zu § 1266 RVO). Das gilt insbesondere dann, wenn die Erkrankung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hat, was allerdings nicht nach einem starren zeitlichen Maßstab, sondern nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen ist. Lediglich dann, wenn sich im Einzelfall die Erkrankung als "Vorstufe des Todes" darstellt, dh der ursächliche Zusammenhang zwischen ihr und dem Tode der Versicherten besonders deutlich und der zeitliche Zusammenhang in dem Sinne eng ist, daß von der ersten Auswirkung der Krankheit bis zum Ableben der Versicherten eine verhältnismäßig kurze Zeit vergangen ist, kann es unbillig sein, die durch die Erkrankung herbeigeführte dauernde Verschlechterung der Unterhaltslage zum Prüfungsmaßstab für die Frage der überwiegenden Unterhaltsleistung zu nehmen. Dann ist die Zeit der Erkrankung außer Betracht zu lassen und stattdessen der Zeitpunkt ihres Beginns maßgebend für das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 41; Nr 11 S 47; Nr 15 S 59f; jeweils mwN). Sind die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, so daß die Zeit einer dem Tode vorausgegangenen Erkrankung bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht außer acht gelassen werden darf, muß dasselbe für eine während der Zeit der Erkrankung eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der später verstorbenen Versicherten jedenfalls dann gelten, wenn diese Veränderung auf Dauer angelegt und nicht nur vorübergehender Natur gewesen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 42 zum mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall der Gewährung niedrigerer EU-Rente anstelle des zuvor gezahlten höheren Krankengeldes).

Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze berücksichtigt, aus ihnen jedoch nicht die zutreffenden Konsequenzen gezogen. Es hat einerseits aus der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes "die Zeit ab November 1984 als Vorstufe des Todes" ausgenommen, andererseits aber als Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt die ihr erst nach diesem Zeitpunkt, wenn auch rückwirkend für die Zeit ab 29. August 1984, mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 bewilligte EU-Rente berücksichtigt. Das ist in sich widersprüchlich. Wäre, worauf noch einzugehen sein wird, die Zeit ab November 1984 aus der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auszuklammern und somit dessen Ende auf die Monate November oder Oktober 1984 festzulegen, müßte, wie die Revision zutreffend darlegt, die erst mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 bewilligte EU-Rente als Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt außer Betracht gelassen und stattdessen das seit dem 28. August 1984 gezahlte höhere Krankengeld berücksichtigt werden. In den Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt dürfen nur solche Einkünfte einbezogen werden, die ihr bis zum Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes tatsächlich zugeflossen sind. Eine erst nach dem Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes, wenn auch ggf für eine davor liegende Zeit bescheidmäßig festgestellte und ausgezahlte Rente der Versicherten muß bei der Bemessung ihres Beitrages zum Familienunterhalt außer Betracht bleiben (BSG SozR Nr 9 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 43f). Ob dasselbe auch dann zu gelten hat, wenn das förmliche Rentenfeststellungsverfahren zwar noch vor der Beendigung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes durchgeführt, die Rente tatsächlich aber erst nach diesem Zeitpunkt ausgezahlt worden ist (so der 4. Senat des Bundessozialgerichts -BSG- in SozR 2200 § 1266 Nr 8 S 39), hat der erkennende Senat bisher offengelassen (vgl BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 44) und bedarf auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Entscheidung. Denn auf der Grundlage der Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Zeit ab November 1984 wegen der Erkrankung der Versicherten als Vorstufe des Todes bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ausgespart bleiben müsse, wäre die mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 bewilligte EU-Rente erst nach Beendigung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes sowohl bescheidmäßig festgestellt als auch tatsächlich ausgezahlt worden und somit in jedem Falle unberücksichtigt zu lassen.

Der Senat vermag jedoch schon der dem zugrundeliegenden Erwägung des LSG, daß wegen der zunehmenden Verschlechterung des Befindens der Versicherten die Zeit ab November 1984 als Vorstufe des Todes anzusehen und bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer Betracht zu lassen sei, nicht zu folgen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Verschlechterung des Zustandes der Versicherten ab November 1984 die zum Tode führende Phase einer seit Januar 1981 manifestierten, wechselvoll verlaufenen metastasierenden Krebserkrankung gewesen, die nach einer "Phase der Ruhe" ab 28. November 1983 erneut in ein akutes Stadium getreten ist. Die im November 1984 begonnene und mit dem Tode der Versicherten endende Krankheitsphase hat damit nicht eine relativ kurze und deshalb bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes möglicherweise außer acht zu lassende Zeit einer den Tod der Versicherten herbeiführenden selbständigen Erkrankung dargestellt. Sie ist vielmehr nur eine, wenn auch die letzte Verlaufsphase ein und derselben Krankheit gewesen, die seit Januar 1981 oder zumindest seit November 1983 aufgrund desselben Grundleidens mit wechselnden Krankheitsschüben bestanden hat.

Dies steht ihrer Außerachtlassung bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes entgegen. Unter den bereits dargestellten Voraussetzungen können Billigkeitsgesichtspunkte die Nichtberücksichtigung der Zeit einer Erkrankung bei der Bestimmung des Endes des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes allenfalls dann zulassen, wenn von der ersten Auswirkung der Krankheit als Gesamtgeschehen bis zum Ableben der Versicherten eine verhältnismäßig kurze Zeit vergangen ist. Hingegen kann, wenn eine Krankheit als Gesamtgeschehen über einen längeren Zeitraum hinweg verläuft und sie deswegen in die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes einzubeziehen ist, davon eine einzelne Verlaufsphase dieser Krankheit nicht ausgenommen werden, selbst wenn sie, für sich allein betrachtet, nur eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne umfaßt.

So liegt der Fall hier. Zwar hat die im November 1984 eingetretene Verschlimmerung der Krankheit der Versicherten zu ihrem Ableben am 15. April 1985 und somit innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums von ca fünf Monaten geführt. Die Krankheit als solche hat jedoch, selbst wenn als Zeitpunkt ihres Beginns nicht der Januar 1981, sondern erst der 28. November 1983 zugrundegelegt wird, bis zum Tode der Versicherten etwa 17 Monate gedauert. Die Länge dieses Zeitraums verbietet es, ihn bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer acht zu lassen (vgl für einen Krankheitszeitraum von 16 Monaten BSG SozR 2200 § 1266 Nr 9 S 42). Das gilt dann aber auch für die im November 1984 begonnene letzte Verlaufsphase der Krankheit mit der Folge, daß nicht deren Beginn, sondern der Tod der Versicherten das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes markiert.

Damit erweist sich die Meinung des LSG, daß als Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt die ihr mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 bewilligte EU-Rente und nicht das bis zum 12. Dezember 1984 gezahlte höhere Krankengeld zu berücksichtigen sei, zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis als zutreffend. Ist nämlich der Tod der Versicherten am 15. April 1985 das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes, ist der Zeitpunkt seines Beginns die Bewilligung der EU-Rente mit Bescheid vom 6. Dezember 1984 und die daraufhin aufgenommene Zahlung dieser Rente. Bewilligung und Zahlung der Rente sind vor dem Tode der Versicherten und damit vor dem Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes erfolgt und haben zugleich dessen letzte wesentliche Änderung dargestellt, weil im Vergleich zu der bis dahin erfolgten Zahlung des höheren Krankengeldes mit der Bewilligung und Zahlung der EU-Rente die Einkommensverhältnisse der Versicherten eine nachhaltige Verschlechterung erfahren haben.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen welche die Revision zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), hat die der Versicherten gezahlte EU-Rente monatlich 1.128,30 DM betragen und der Kläger während desselben Zeitraums ein Gehalt von monatlich 1.915,80 DM bezogen. Die Ausführungen des LSG, daß der Kläger auch während der Erkrankung der Versicherten zumindest zu einer hälftigen Haushaltstätigkeit verpflichtet gewesen sei, bieten zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß und sind auch von der Revision nicht beanstandet worden. Kann somit der wirtschaftliche Wert der beiderseitigen Haushaltsführung außer Ansatz bleiben, hat derjenige Ehegatte den überwiegenden Unterhalt bestritten, der dazu den höheren Geldbetrag beigesteuert hat (vgl BSG SozR Nr 4 zu § 1266 RVO). Das ist nach der Höhe der beiderseitigen Einkünfte der Kläger und nicht die Versicherte gewesen. Damit sind die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 AVG aF für die Gewährung eines Witwerrente an den Kläger nicht erfüllt.

Der Senat hat Verständnis dafür, daß der Kläger dieses Ergebnis als Härte empfinden mag, nachdem die Versicherte lediglich in den letzten fünf Monaten vor ihrem Tode geringere Einkünfte als er erzielt und in den vorausgegangenen 21 Jahren stets den höheren Beitrag zum Familienunterhalt geleistet hat. Indes rechtfertigt dieser Gesichtspunkt ein anderes als das hier gewonnene Ergebnis nicht. Letzter wirtschaftlicher Dauerzustand ist grundsätzlich der letzte Zustand vor dem Tode der Versicherten; er kann nicht auf einen früheren Lebensabschnitt der Eheleute verlegt werden. Ein dadurch etwa bedingtes unbilliges Ergebnis liegt an der Zufälligkeit des Eintritts des Todes der Versicherten als des Ereignisses, welches als Versicherungsfall Leistungsansprüche auszulösen vermag, und kann nichts daran ändern, daß sich in § 43 Abs 1 AVG aF ebenso wie in anderen, einen Rentenanspruch begründenden Vorschriften der Leistungsanspruch nach den im Zeitpunkt des Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und geltenden Rechtsvorschriften richtet (BSG SozR 2200 § 1266 Nr 13 S 52).

Die Revision des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654756

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