Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger eine Witwerrente zu gewähren ist.
Der Kläger war mit der am 3. Mai 1975 verstorbenen I…S… (im folgenden: Versicherte) verheiratet. Im gemeinsamen Haushalt lebten auch die 1972 geborene Tochter und der Sohn des Klägers aus dessen erster Ehe, geboren 1959. Die Versicherte erkrankte am 4. Januar 1974. Sie bezog bis zum 19. Dezember 1974 Krankengeld. Auf ihren Antrag vom 16. Juli 1974 bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 16. Dezember 1974 für die Zeit ab 1. Juli 1974 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) in Höhe von 859,70 DM monatlich. Nach ihrem Tode wurde für sie durch Bescheid der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden und Gemeindeverbände des Regierungsbezirks Kassel (im folgenden: ZV-Kasse) vom 12. Dezember 1975 für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis 31. Januar 1975 eine Versorgungsrente von monatlich je 447,90 DM bewilligt. Der Kläger war bis zum 30. September 1974 bei den K…Z…G. m. b. H. beschäftigt. Für die Zeit ab 1. Oktober 1974 bewilligte ihm das Arbeitsamt K… Arbeitslosengeld von 201, -- DM wöchentlich für 312 Wochentage. Die Versicherte befand sich von Ende Januar 1975 bis zu ihrem Tode in stationärer Krankenhausbehandlung.
Den Antrag des Klägers vom 14. Mai 1975 auf Gewährung einer Witwerrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 22. August 1975 ab, weil während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes, d.h. in der Zeit ab Gewährung der EU-Rente nach Ablauf der Krankengeldzahlung, den Rentenbezügen der Versicherten von 859,70 DM ein Arbeitslosengeld des Klägers von - auf den Monat umgerechnet - 871,-- DM gegenübergestanden und schon deswegen das Einkommen des Klägers dasjenige der Versicherten überstiegen habe. Hinzu komme noch der Wert der Leistungen des Klägers im Haushalt und bei der Sorge für die Kinder. Der Widerspruch des Klägers wurde mit der zusätzlichen Begründung zurückgewiesen, die für die Versicherte inzwischen bewilligte Zusatzversorgungsrente sei erst nach ihrem Tode ausgezahlt worden und daher bei der Prüfung der überwiegenden Unterhaltsleistung außer Betracht zu lassen (Widerspruchsbescheid vom 5. April 1976).
Das Sozialgericht (SG) Kassel hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Mai 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 9. März 1978). Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seien nicht erfüllt. Die Versicherte habe nicht den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten, Hierfür sei der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten maßgebend. Als dessen Beginn sei das Ende des Bezuges von Krankengeld am 19. Dezember 1974 nach Zubilligung der EU-Rente anzusehen. Hiermit sei die Versicherte aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und dadurch eine neue, auf Dauer gerichtete Situation eingetreten. Die Zeit vor der Erkrankung am 4. Januar 1974 dürfe nicht als maßgebender Zeitraum herangezogen werden. Die Zeit einer Krankheit und Arbeitsunfähigkeit von 16 Monaten könne nicht mehr als verhältnismäßig kurz gewertet werden, um auf diese Weise einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Tod zu konstruieren mit dem Ziel, als wirtschaftlichen Dauerzustand den Zeitraum vor der Erkrankung anzusehen. Während des Zeitraums ab 20. Dezember 1974 habe die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie nicht überwiegend bestritten. Das ergebe sich aus einer Gegenüberstellung der Einkünfte der Eheleute von diesem Zeitpunkt an. Dabei müsse dem Kläger neben seinen Barleistungen auch noch die geldwerte Mithilfe bei der Haushaltsführung angerechnet werden. Dem Unterhaltsbeitrag der Versicherten könne die Zusatzversorgungsrente nicht hinzugerechnet werden. Sie habe der Versicherten während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht zur Verfügung gestanden. Im Rahmen des § 43 Abs. 1 AVG komme es jedoch allein auf den in Wirklichkeit geleisteten Unterhaltsbeitrag und somit darauf an, welcher der Ehegatten während des maßgeblichen Zeitraums tatsächlich mehr als die Hälfte zum Familienunterhalt beigetragen habe. Unbeachtlich sei, daß mit der Bewilligung der EU-Rente der Anspruch auf die Zusatzversorgungsrente ohne weiteres hätte realisiert werden können.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 43 AVG. Das LSG habe zu Unrecht den Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den 19. Dezember 1974 festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Versicherte bereits vom Tode gezeichnet gewesen. Ab Wegfall des Krankengeldes habe keine auf Dauer gerichtete Situation mehr bestanden; vielmehr habe es sich um die Vorstufe des Todes gehandelt. Es wäre unbillig, auf die Zeit des Wegfalls des Krankengeldes abzustellen, zumal dabei der Anspruch auf die Zusatzversorgungsrente keine Berücksichtigung finde. Vor ihrer Erkrankung habe die Versicherte ein höheres Einkommen als er - der Kläger - erzielt; sie sei damit der wirtschaftlich stärkere Ehegatte gewesen. Gerade für diesen Fall sei die Witwerrente vorgesehen. Im übrigen habe die Versicherte selbst dann mehr zum Familienunterhalt beigetragen als er - der Kläger -, wenn als wirtschaftlicher Dauerzustand die Zeit ab Wegfall des Krankengeldes zugrunde zu legen wäre. Denn als Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt sei auch die Zusatzversorgungsrente zu berücksichtigen. Hierfür reiche aus, daß der Anspruch auf diese Leistung bereits zu Lebzeiten der Versicherten entstanden und fällig gewesen sei. Die Leistung brauche nicht auch noch zu dieser Zeit der Familie zugeflossen zu sein. Die auf das Tatsächliche abzielende Betrachtungsweise des LSG führe zu willkürlichen und unbilligen Ergebnissen und sei weder sachgerecht noch verfassungskonform. Die überwiegende Unterhaltsleistung der Versicherten hätte bejaht werden müssen, wenn die Beklagte und davon abhängig die ZV-Kasse schneller gearbeitet hätten. Damit liege die Unbilligkeit des vom LSG gefundenen Ergebnisses auf der Hand. Wenn es auf das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ab Zubilligung der EU-Rente abstelle, so habe es zwangsläufig die der Versicherten aus diesem Zustand erwachsenen und fälligen Rechtsansprüche und damit auch die Zusatzversorgungsrente berücksichtigen müssen, die ja tatsächlich, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, der Familie der Versicherten zugeflossen sei.
Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Mai 1977 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. August 1975 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. April 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juni 1975 Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau I…S… zu leisten;hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Auffassung des LSG für zutreffend, daß weder die Zeit nach der Erkrankung der Versicherten am 4. Januar 1974 bei der Ermittlung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes außer Betracht bleiben könne noch die tatsächlich erst nach dem Tode der Versicherten gezahlte Zusatzversorgungsrente bei der Feststellung ihres Beitrages zum Familienunterhalt berücksichtigt werden dürfe.
Entscheidungsgründe
II.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage des vom Kläger erhobenen Anspruchs auf Witwerrente ist § 43 Abs. 1 AVG. Hiernach erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau Witwerrente, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. § 43 Abs. 1 AVG ist derzeit geltendes Recht (BVerfGE 39, 169 = BVerfG SozR 2200 § 1266 Nr. 2).
Die Vorschrift besagt nichts darüber, in welchem Zeitpunkt oder während welchen Zeitraums die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten haben muß. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (BSGE 14, 129, 132 = SozR Nr. 1 zu § 1266 RVO; BSGE 31, 90, 94 SozR Nr. 7 zu § 1266 RVO; BSGE 34, 35, 36 = SozR Nr. 11 zu 1266 RVO; BSGE 35 243, 244 f. = SozR Nr. 13 zu § 1266 RVO; BSG SozR Nrn. 2, 3, 6 zu § 1266 RVO) mit Einschluß des erkennenden Senats (BSG SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO) sind hierfür die Unterhaltsleistungen der verstorbenen Versicherten während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor ihrem Tode maßgebend. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung und endet im Regelfall mit dem Tode der Versicherten. Letzteres muß auch dann gelten, wenn dem Tode der Versicherten eine Zeit der Erkrankung mit einer dadurch verursachten Verschlechterung der Unterhaltslage vorausgegangen ist. Auch eine solche Erkrankung kann, insbesondere wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hat und ohne den Tod der Versicherten voraussichtlich fortbestanden hätte, den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand prägen und deshalb bei dessen Bestimmung nicht generell außer acht bleiben. Lediglich im Einzelfall kann es dann, wenn die Erkrankung in verhältnismäßig kurzer Zeit zum Tode geführt und somit gleichermaßen die "Vorstufe des Todes" dargestellt hat, aus Billigkeitserwägungen gerechtfertigt sein, die durch sie bewirkte Verschlechterung der Unterhaltslage nicht als Prüfungsmaßstab für die Voraussetzungen der Witwerrente anzulegen und statt dessen das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den Beginn der zum Tode führenden Krankheit festzulegen (vgl. hierzu insbesondere BSGE 35, 243, 245 f. = SozR Nr. 13 zu § 1266 RVO; BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 7 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat als Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes das Ende des Bezuges von Krankengeld am 19. Dezember 1974 nach Zubilligung der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer durch Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 1974 angesehen und weiter ausgeführt, die Zeit vor der Erkrankung am 4. Januar 1974 dürfe nicht als maßgeblicher Zeitraum herangezogen werden. Eine Zeit von 16 Monaten der Krankheit und Arbeitsunfähigkeit könne nicht mehr als verhältnismäßig kurz gewertet werden, um auf diese Weise einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Tod mit dem Ziele zu konstruieren, als wirtschaftlichen Dauerzustand den Zeitraum vor der Erkrankung anzusehen. Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Dem LSG ist insbesondere darin beizupflichten, daß eine Zeit der Krankheit von 16 Monaten Dauer bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht außer Betracht bleiben darf. Zwar kann insoweit kein starrer zeitlicher Maßstab angelegt werden. Entscheidend sind vielmehr die Verhältnisse des Einzelfalls. Jedenfalls aber bei einer längeren Dauer darf die Krankheitszeit nicht ausgeklammert werden (vgl. insbesondere BSGE 35, 243, 246 - SozR Nr. 13 zu § 1266 RVO). Eine Krankheitszeit von 16 Monaten muß als längerdauernd in diesem Sinne angesehen werden.
Insoweit, als nach Auffassung des LSG die Zeit vor dem Beginn der Erkrankung am 4. Januar 1974 nicht für die Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes herangezogen werden darf, werden auch von der Revision Einwendungen nicht erhoben. Der Kläger hält es jedoch für unbillig, den Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes auf den Zeitpunkt nach Wegfall des (höheren) Krankengeldes und ab Zahlung der (geringeren) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit festzusetzen. Er ist demnach erkennbar der Ansicht, der letzte wirtschaftliche Dauerzustand umfasse die Zeit des Krankengeldbezuges vom 4. Januar bis 19. Dezember 1974. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie ausgeführt, kann auch nach Billigkeitsgesichtspunkten die Zeit der Erkrankung der Versicherten insbesondere im Hinblick auf deren Dauer bei der Bestimmung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht außer Betracht bleiben. Dasselbe muß ebenso für eine während der Zeit der Erkrankung eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der später verstorbenen Versicherten jedenfalls dann gelten, wenn diese Veränderung auf Dauer angelegt und nicht nur vorübergehender Natur ist. Im Rahmen des § 43 Abs. 1 AVG wird in generalisierender Betrachtungsweise unterstellt, daß der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode der Versicherten ohne den Eintritt des Todes auch in der folgenden Zeit fortbestanden hätte (vgl. BSGE 14, 129, 132 = SozR Nr. 1 zu § 1266 RVO; BSGE 35, 243, 245 = SozR Nr. 13 zu § 1266 RVO). Diesem Grundgedanken würde es zuwiderlaufen, wenn eine der Versicherten bereits vor ihrem Tode bewilligte und gezahlte Leistung, deren Gewährung auf Dauer angelegt ist, als ihr Beitrag zum Familienunterhalt außer acht gelassen und statt dessen eine andere Leistung berücksichtigt würde, welche von vornherein nur für eine begrenzte Dauer gewährt werden kann, vor dem Tode der Versicherten bereits weggefallen ist und bei generalisierender Betrachtungsweise ohne den Eintritt des Todes auch in der nachfolgenden Zeit nicht wieder gewährt worden wäre. Für das der Versicherten gewährte Krankengeld treffen diese Erwägungen zu. Mit der Zubilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat der Anspruch der Versicherten auf Krankengeld geendet (§ 183 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist der Versicherten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (S. 5 des angefochtenen Urteils) auf Dauer bewilligt worden. Damit ist ihr endgültiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden gewesen. Sie hätte auch ohne den Eintritt des Todes in der nachfolgenden Zeit nicht (wieder) Krankengeld erhalten. Unter diesen Umständen läßt sich die Heranziehung der Zeit des Krankengeldbezuges vom 4. Januar bis 19. Dezember 1974 auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht rechtfertigen. Vielmehr hat das LSG zutreffend als Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Zeitpunkt der effektiven Aufnahme der Rentenzahlungen am 20. Dezember 1974 angenommen.
Die erst nach dem Tode der Versicherten von der ZV-Kasse für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis 31. Mai 1975 bewilligte und gezahlte Versorgungsrente kann dem Beitrag der Versicherten zum Familienunterhalt während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht hinzugerechnet werden. Nach § 43 Abs. 1 AVG ist der Anspruch auf Witwerrente in gegenwärtig noch verfassungsrechtlich zulässiger Weise davon abhängig, daß die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat Die Vorschrift stellt damit auf die tatsächlichen Verhältnisse während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ab und läßt eine Berücksichtigung nur solcher Leistungen der verstorbenen Versicherten als Beitrag zum Familienunterhalt zu, die sie bis zum Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes effektiv erbracht hat. Ausgeschlossen ist hingegen die Berücksichtigung solcher Leistungen, die zwar rechtlich der Versicherten zustehen, tatsächlich aber erst nach Beendigung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes in Ihre bzw. in die Verfügungsgewalt ihrer Rechtsnachfolger gelangt sind. Diese Leistungen haben infolge ihrer nachträglichen Erbringung zum Familienunterhalt während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes notwendigerweise noch nicht beigesteuert werden können. Demgemäß hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. April 1971 (BSG SozR Nr. 9 zu § 1266 RVO) ausgeführt, daß eine erst nach dem Tode der Versicherten rückwirkend festgestellte und ausgezahlte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht als tatsächlicher Unterhaltsbeitrag der verstorbenen Versicherten berücksichtigt werden könne. Der 4. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 28. September 1978 - 4/5 RJ 16/77 - dasselbe für den Fall ausgesprochen, daß das förmliche Rentenfeststellungsverfahren zwar noch vor dem Tode der Versicherten durchgeführt die Rente jedoch erst nach dem Tode ausgezahlt worden ist. Auf diese Entscheidung braucht hier nicht eingegangen zu werden. Denn im vorliegenden Fall ist nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) die Versorgungsrente für die Versicherte mit Bescheid vom 12. Dezember 1975 gewährt und somit erst nach ihrem Tode nicht nur tatsächlich ausgezahlt, sondern auch förmlich festgestellt worden. Sie hat damit während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor dem Tode der Versicherten noch nicht für den Familienunterhalt zur Verfügung gestanden und kann nicht als Beitrag der Versicherten hierzu berücksichtigt werden.
Dem Einwand des Klägers, diese auf das Tatsächliche abzielende Betrachtungsweise führe zu willkürlichen und unbilligen Ergebnissen und sei auch nicht verfassungskonform, kann der Senat nicht folgen. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. März 1975 (BVerfGE 39, 169, 187 ff. = SozR 2200 § 1266 Nr. 2) entschieden hat, darf der Gesetzgeber trotz des sich abzeichnenden Wandels in der Wertung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche zur Zeit noch den Witwerrentenanspruch davon abhängig machen, daß die verstorbene Versicherte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat. Die Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse kann demgemäß nicht als sachwidrig angesehen werden. Auf der Grundlage dessen ist es vom System des Gesetzes her zwingend geboten, die erst nach dem Tode der Versicherten für sie bewilligten und gezahlten Leistungen als ihren Beitrag zum Familienunterhalt außer Betracht zu lassen. Anderenfalls würden unter Mißachtung der vom Gesetzgeber gewählten und gegenwärtig noch verfassungskonformen Systematik statt der tatsächlichen nunmehr hypothetische Verhältnisse berücksichtigt, wie sie für den Familienunterhalt zu Lebzeiten der Versicherten in Wirklichkeit niemals maßgebend gewesen sind. Dem Kläger ist einzuräumen, daß bei einer ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellenden Betrachtungsweise die Frage, ob die Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat, in Fällen der vorliegenden Art von der Dauer der Bearbeitung eines Rentenantrages der Versicherten abhängig sein kann. Auch dieser Gesichtspunkt läßt es jedoch nicht zu, abweichend von § 43 Abs. 1 AVG bei der Ermittlung des Beitrages der Versicherten zum Familienunterhalt von anderen als den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen. Jedenfalls im Rahmen des § 43 Abs. 1 AVG ist kein Raum dafür, einen Ausgleich für angebliche oder wirkliche Verzögerungen in der Bearbeitung eines Rentenantrages der Versicherten zu schaffen.
Das LSG ist nach alledem rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes den Familienunterhalt nicht überwiegend bestritten hat und somit dem Kläger eine Witwerrente nicht zusteht. Dies muß zur Zurückweisung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen