Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.03.1996; Aktenzeichen L 4 Kr 2129/94)

LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 22.03.1996; Aktenzeichen L 5 Ka 1874/94)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 1996 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger – ein Diplompädagoge und promovierter Sozialwissenschaftler – erstrebt die Genehmigung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur Durchführung von Verhaltenstherapie als Einzeltherapie bei Erwachsenen im sog Delegationsverfahren.

Klage und Berufung gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten blieben ohne Erfolg, da der Kläger die Grundvoraussetzung nach der Psychotherapie-Vereinbarung nicht erfülle. Er sei nicht Diplompsychologe (Beschluß des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 22. März 1996).

Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Zu ihrer Begründung macht er zunächst geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zu klären sei die Frage, ob § 3 Abs 3 der Psychotherapie-Vereinbarung alle diejenigen vom Delegationsverfahren ausschließen dürfe, die zwar nicht den akademischen Grad eines Diplompsychologen erworben hätten, aber über eine verwandte akademische Ausbildung, äquivalente Kenntnisse in der Psychotherapie und die abgeschlossene Ausbildung in Verhaltenstherapie verfügten. § 3 Abs 3 der Psychotherapie-Vereinbarung verstoße insoweit gegen Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) und Art 6 des EG-Vertrages. Des weiteren liege auch ein Verfahrensfehler (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) vor, denn das LSG habe gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Es habe sich mit dem wesentlichen Kern seines Tatsachenvortrages nicht auseinandergesetzt, nämlich seinem Vorbringen zur Anwendung des Art 12 Abs 1 GG.

Der Kläger hat zudem beantragt, ihm Prozeßkostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 165, 153, 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Der Senat läßt offen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers die Gewährung von PKH rechtfertigen, denn die Nichtzulassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise unbegründet, teilweise unzulässig.

Bezüglich der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob der Ausschluß derjenigen Personen vom Delegationsverfahren, die nicht über den Abschluß als Diplompsychologe, aber über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, gegen Art 12 Abs 1 GG verstoße, ist die Beschwerde unbegründet. Die Rechtsfrage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, denn die Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Ob sie, was für die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls Voraussetzung wäre, im anhängigen Rechtsstreit klärungsfähig (entscheidungserheblich) und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist, kann daher dahinstehen. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage nicht, weil sie nach der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist. Durch Urteil vom 12. Mai 1993 (- 6 RKa 21/91 BSGE 72, 227 = SozR 3-2500 § 15 Nr 2) hat der Senat im Anschluß an seine bisherige Rechtsprechung entschieden, daß die Statuierung des sog Arztvorbehalts in der vertragsärztlichen Versorgung – und der damit verbundene Ausschluß anderer Heilberufe von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung von Versicherten der Krankenkassen – mit Verfassungsrecht in Einklang steht. Zugleich hat der Senat ausgesprochen, daß deshalb die Psychotherapie-Vereinbarung im Verhältnis zum gesetzlich vorgegebenen Arztvorbehalt die Berufsausübung der psychologischen Verhaltenstherapeuten nicht begrenze, sondern den Bereich ihrer rechtlich zulässigen Berufsausübung erweitere. Im Hinblick auf diese nur begünstigende Wirkung der Psychotherapie-Vereinbarung sei ihre Verfassungsmäßigkeit nicht an Art 12 GG, sondern nur an Art 3 GG zu messen. Ist aber der Diplompsychologe, dessen Zulassung zum Delegationsverfahren an weitere Voraussetzungen geknüpft ist, nicht in seinem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG verletzt, weil die Psychotherapie-Vereinbarung sein berufliches Betätigungsfeld nicht begrenzt, sondern nur erweitert, gilt gleiches für Absolventen anderer nichtärztlicher akademischer Ausbildungsgänge wie den Kläger. Auch ihr berufliches Betätigungsfeld wird nicht durch die Psychotherapie-Vereinbarung begrenzt, weil dies bereits durch die gesetzlichen Bestimmungen des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Ärzte-ZV (Arztvorbehalt) in Einklang mit Art 12 Abs 1 GG geschehen ist.

Eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage ist im übrigen auch bezüglich eines – vom Kläger selbst nicht vorgetragenen – Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG angesichts der schon vom LSG hervorgehobenen Unterschiede der Abschlüsse als Diplompädagoge und Diplompsychologe nicht gegeben. Dem entspricht es, daß sich an den für den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung für Diplom-Psychologen maßgeblichen Voraussetzungen im hier streitigen Punkt nichts durch das im Gesetzgebungsverfahren befindliche Psychotherapeutengesetz (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BT-Drucks 13/8035 vom 24. Juni 1997) ändert. Die dort ua geregelte Approbation sowie die Zulassung von psychologischen Psychotherapeuten einerseits und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten andererseits zur Teilnahme an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten verlangt die Ausbildung und staatliche Prüfung als psychologischer Psychotherapeut oder als Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut. Für den Zugang zur Ausbildung als psychologischer Psychotherapeut setzt § 5 Abs 2 Nr 1 des Gesetzentwurfs die Abschlußprüfung im Studiengang Psychologie voraus. Bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten soll nach § 5 Abs 2 Nr 2 des Entwurfs alternativ dazu die bestandene Abschlußprüfung in den Studiengängen Pädagogik oder Sozialpädagogik ausreichen. Der Kläger könnte danach ebenfalls nicht als psychologischer Psychotherapeut – im Erwachsenenbereich – approbiert und zugelassen werden.

Soweit der Kläger als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwirft, ob § 3 Abs 3 der Psychotherapie-Vereinbarung gegen Art 6 EG-Vertrag (Diskriminierungsverbot) verstößt, ist die Beschwerde unzulässig; denn in ihr wird die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt. Dem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, warum die Rechtsfrage der Klärung bedarf. Hierzu hätte es zunächst einer eingehenden Würdigung der Regelungen über die sog Gleichwertigkeitsprüfung in § 3 Abs 10 der Psychotherapie-Vereinbarung bedurft. Nach dessen Wortlaut ist nämlich nicht erkennbar, daß ein im Ausland erworbener Hochschulabschluß als Pädagoge oder Sozialpädagoge einem deutschen Abschluß als Diplompsychologe gleichgestellt werden könnte. Entnimmt man dem Vortrag des Klägers die Rechtsfrage, ob die Möglichkeit der Gleichstellung eines ausländischen Universitätsabschlusses als Psychologe mit dem deutschen Diplom als Psychologe es rechtfertige, auch ihm, der ein deutsches Diplom als Pädagoge vorzuweisen hat, die Gleichstellung mit dem deutschen Diplom als Psychologe zu ermöglichen, ist jedenfalls die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt; der Kläger macht nicht deutlich, daß der von ihm verfolgte Anspruch auf Genehmigung entscheidungserheblich von der Beantwortung dieser Frage abhängt. Das dem Berufungsantrag zu entnehmende Prozeßziel des Klägers ist der Erhalt der Genehmigung zur Teilnahme am Delegationsverfahren in Verhaltenstherapie bei Erwachsenen. Selbst wenn die vom Kläger gestellte Rechtsfrage in seinem Sinne dahin zu beantworten wäre, daß die Psychotherapie-Vereinbarung zulässigerweise nur an die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten eines Antragstellers und nicht an den objektiven Tatbestand des Ablegens der Diplomprüfung anknüpfen dürfe, würde dies nicht das Recht zur Teilnahme am Delegationsverfahren begründen. Diesbezügliche weitere Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage waren somit erforderlich, fehlen aber vollständig.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde schließlich einen Fehler des landessozialgerichtlichen Verfahrens rügt, ist sie ebenfalls unzulässig. Sie entspricht nicht der sich aus § 160a Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Begründungspflicht. Der Kläger hat schon nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einen Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht hinreichend bezeichnet. Das BVerfG sieht das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nämlich nur dann als verletzt an, wenn das Eingehen auf den Tatsachenvortrag einer Partei vom Rechtsstandspunkt des Gerichts aus überhaupt geboten war (Beschluß vom 27. Januar 1995 – 1 BvR 1444/94 – NJW 1995, 1884, 1885). Hierzu wird nichts Ausreichendes vorgetragen. Darüber hinaus hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, daß, wie es § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbs SGG erfordert, die Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Er hätte insoweit substantiiert aufzeigen müssen, daß das LSG bei Zugrundelegung seines – des Klägers – vollständigen Tatsachenvorbringens möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Das wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil das LSG seine Entscheidung tragend allein auf den tatsächlichen Umstand gestützt hat, daß der Kläger das Studium der Psychologie gerade nicht mit dem Diplom abgeschlossen hat. Es wird aus dem Beschwerdevorbringen nicht deutlich, welche tatsächlichen Umstände das LSG – ausgehend von seiner Rechtsauffassung zur Gültigkeit des § 3 Abs 3 der Psychotherapie-Vereinbarung – möglicherweise zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätten veranlassen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174240

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