Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Beschwerde. Begründung. Frist. – Versäumnis. Prozessbevollmächtigter. Prozesskostenhilfe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bringt der Prozessbevollmächtigte, nachdem er Beschwerde eingelegt hat, gegenüber dem Gericht nicht zum Ausdruck, dass er seine Vertretung auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt wissen will, so muss er die gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde beachten und einhalten; andernfalls treffen die Folgen der Fristversäumnis gemäß § 73 Abs. 3 S. 2 SGG seinen Mandanten.

2. Legt der Prozessbevollmächtigte die Beschwerde vorbehaltlos ein, ist er jedenfalls verpflichtet, die gesetzlich vorgesehene Verlängerung der Begründungsfrist zu beantragen, wenn er mit Rücksicht auf die ausstehende Entscheidung des Senats über den Prozesskostenhilfeantrag die Beschwerde noch nicht begründen will.

 

Normenkette

SGG § 67 Abs. 1, § 73 Abs. 3 S. 2, § 160a Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.04.2002; Aktenzeichen L 10 U 3513/00)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. April 2002 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seinen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 17. Mai 2002 zugestellten Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. April 2002 mit einem am 17. Juni 2002 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14. Juni 2002 Beschwerde eingelegt sowie um Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nachgesucht. Die Beschwerdebegründungsfrist lief am 17. Juli 2002 ab, eine Begründung ist jedoch nicht erfolgt.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ua voraus, dass die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil die Beschwerde ohne Begründung unzulässig ist.

Der Kläger war, selbst wenn er die Kosten für seine Prozessvertretung vor dem BSG nicht aufbringen konnte, nicht aus diesem Grund gehindert, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Er war bereits bei Einlegung der Beschwerde durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich kein Anhalt für eine Einschränkung der anwaltlichen Vertretung. Bringt aber der Prozessbevollmächtigte, nachdem er Beschwerde eingelegt hat, gegenüber dem Gericht nicht zum Ausdruck, dass er seine Vertretung auf die Einlegung der Beschwerde beschränkt wissen will, so muss er die gesetzliche Frist für die Begründung der Beschwerde beachten und einhalten (vgl BSG SozR Nr 10 zu § 67 SGG; SozR 1500 § 160a Nr 8; Beschluss vom 29. September 1993 – 11 RAr 39/93 – nicht veröffentlicht); andernfalls treffen die Folgen der Fristversäumnis gemäß § 73 Abs 3 Satz 2 SGG seinen Mandanten (vgl BSGE 11, 158, 160). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass seine Vertretung mit der Einlegung der Beschwerde ende. Er hat vielmehr in seiner Beschwerdeschrift angekündigt, die Beschwerde „in kurzer Zeit” begründen zu wollen.

Für die entsprechende Fragestellung des Verhältnisses von Berufungseinlegung und Berufungsbegründung im Zivilprozess haben Reichsgericht (RG) und Bundesgerichtshof (BGH) die gleiche Ansicht vertreten (RGZ 145, 228 f; BGHZ 7, 280, 283 = NJW 1953, 503). Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beschwerde vorbehaltlos eingelegt hatte, war er jedenfalls verpflichtet, die gesetzlich vorgesehene Verlängerung der Begründungsfrist zu beantragen (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG), wenn er mit Rücksicht auf die ausstehende Entscheidung des Senats über den Prozesskostenhilfeantrag die Beschwerde noch nicht begründen wollte. Unter den gegebenen Umständen durfte er sich nicht auf die Wiedereinsetzung verlassen; vielmehr hatte er zu verhindern, dass diese erforderlich werden konnte (RGZ 145, 228 f; BGH NJW 1974, 2321; BSG SozR 1500 § 67 Nr 16). Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung sind danach nicht gewahrt.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist daher wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen; damit entfällt zugleich die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Prozesskostenhilfe (§ 121 Abs 1 ZPO). Gleichzeitig ist die Beschwerde wegen fehlender Begründung entsprechend § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1176613

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