Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.03.1999)

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 06.11.1998; Aktenzeichen L 18 KN 76/95)

 

Tenor

Die Beschwerdeverfahren B 14 KG 3/99 B und B 14 KG 4/99 B werden wegen Sachzusammenhangs miteinander verbunden; das Verfahren B 14 KG 3/99 B führt.

Die Beschwerden des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1998 und 5. März 1999 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld für seinen Sohn E. … und die Rückforderung dieser Leistung (240 DM) für den Monat Juli 1981 (Bescheid vom 26. Juli 1982, Widerspruchsbescheid vom 12. November 1982). Am 1. Juli 1981 hatte der Sohn des Klägers seinen Wehrdienst angetreten, nachdem er am 27. Juni 1981 das Abitur abgelegt hatte. Dem Beklagten waren die Ablegung des Abiturs und die Ableistung des Wehrdienstes damals nicht mitgeteilt worden. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 6. Januar 1997 und 12. Mai 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 6. November 1998) und einen Antrag auf Ergänzung dieses Urteils abgelehnt (Urteil vom 5. März 1999). Das LSG hat die Ansicht vertreten, über 16 Jahre alte Kinder, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, seien ohne Rücksicht darauf, ob sie die Abschlußprüfung (zB Abitur) bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelegt haben, auch im letzten Jahr des Schulbesuchs bis zum üblichen Ende eines Schuljahres am 31. Juli für den Anspruch auf Kindergeld zu berücksichtigen, es sei denn, das Kind nehme vor diesem Zeitpunkt eine nicht nur vorübergehende Erwerbstätigkeit auf oder werde zum gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst einberufen. Die Voraussetzungen für das bis zum 31. Juli 1981 bewilligte Kindergeld seien mit Ablauf des Monats Juni 1981 entfallen, da das dem Anspruch entgegenstehende Wehrdienstverhältnis des Sohnes am 1. Juli 1981 begonnen habe. Auf den tatsächlichen Dienstantritt, der nach dem Einberufungsbescheid vom 28. April 1981 „am 1. Juli 1981 bis 18 Uhr” erfolgen mußte und maßgebend für den Status als Soldat der Bundeswehr sei, komme es nicht an. Entscheidend sei, daß jeder Wehrpflichtige am Tag des Dienstantritts den vollen Wehrsold erhalte und auch sonst umfassend sozial gesichert sei. Die Anspruchsvoraussetzungen hätten somit zu keinem Zeitpunkt im Monat Juli 1981 vorgelegen. Der Kläger habe seine Pflicht zur Mitteilung des Endes der Schulausbildung und des Beginns der Wehrdienstzeit grob fahrlässig verletzt. Die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung sei nach § 48 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 50 Abs 1 SGB X gerechtfertigt. Ein (zur Ausübung des Ermessens zwingender) atypischer Fall liege nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

II

Die gegen die Nichtzulassung der Revision in beiden Urteilen des LSG gerichteten Beschwerden des Klägers konnten keinen Erfolg haben. Die erhobenen Rügen sind teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.

1) Der Kläger sieht es als klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an, ob das Wehrdienstverhältnis seines Sohnes am 1. Juli 1981 um 0.00 Uhr oder erst mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Dienstantritts, der bis 18.00 Uhr erfolgen mußte, begonnen habe. Er vertritt die Auffassung, der Anspruch auf Kindergeld sei erst im Laufe des 1. Juli 1981 mit dem tatsächlichen Dienstantritt seines Sohnes entfallen, so daß nach § 9 Abs 1, 2. Halbsatz Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in seiner bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung für den gesamten Monat Juli 1981 Kindergeld zu zahlen gewesen sei.

Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage ist nicht hinreichend dargelegt worden (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSGE 40, 158, 159 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Es ist nicht verdeutlicht worden, daß der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für den Monat Juli 1981 von der Beantwortung der Rechtsfrage abhängt. Nach Vollendung des 16. Lebensjahres (bis 31. Dezember 1981: Vollendung des 18. Lebensjahres) werden Kinder für den Anspruch auf Kindergeld nur noch unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 bis 4 BKGG berücksichtigt. Von den dort genannten anspruchserhaltenden Tatbeständen kommt hier allein die Regelung des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG in Betracht, wonach Kinder dieses Alters berücksichtigt werden, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden. Dabei kann die Wartezeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn der Wehrdienstzeit einer Berufsausbildung gleichstehen (BSGE 44, 198 = SozR 5870 § 2 Nr 6; vgl auch BSG SozR 5870 § 2 Nr 17; Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand Juli 1994, § 2 RdNr 157). Für den Anspruch auf Kindergeld ist also lediglich entscheidend, ob die Schulausbildung des Sohnes in den Monat Juli 1981 hineingereicht hat, obgleich er am 27. Juni 1981 das Abitur abgelegt hat. Der Kläger hätte sich daher mit der vorhandenen Rechtsprechung zu der Frage, was unter dem Begriff „Ende einer Ausbildung” zu verstehen ist (vgl Wickenhagen/Krebs aaO RdNrn 143 ff), auseinandersetzen und darlegen müssen, daß bei seinem Sohn die Schulausbildung weder mit der Ablegung der mündlichen Abiturprüfung, noch mit dem letzten Tag des Unterrichts, noch mit der Aushändigung des Abiturzeugnisses, sondern – obwohl Unterricht nicht mehr stattfand – erst mit Antritt des Wehrdienstes geendet hat oder er sich jedenfalls bis zu diesem Tag wenigstens in einer der Schulausbildung wegen andauernder Unterhaltsbedürftigkeit gleichzustellenden Wartezeit zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn der Wehrdienstzeit befunden hat. Hierbei hätte sich der Kläger damit befassen müssen, ob eine Wartezeit für einen bestimmten Tag dann noch angenommen werden kann, wenn der Betroffene für diesen Tag bereits Anspruch auf Wehrsold hat. Nur diese Fragen können für den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für den Monat Juli 1981 maßgebend sein; ihre höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit hätte unter Aufzeigen des Streitstands oder der Unklarheiten dargelegt werden müssen, was nicht geschehen ist. Auf die Frage, ob das Wehrdienstverhältnis als öffentlich-rechtlicher Status am 1. Juli 1981 um 0.00 Uhr oder erst mit dem tatsächlichen Dienstantritt (bis 18.00 Uhr) begonnen hat, kommt es kindergeldrechtlich nicht an.

2) Soweit der Kläger eine Divergenz des Berufungsurteils zum Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Mai 1983 – 10 RKg 13/82 – (SozR 1200 § 66 Nr 10) rügt, ist die Beschwerde ebenfalls unzulässig. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn die voneinander abweichenden Rechtssätze sich auf dieselbe Vorschrift, zumindest aber auf inhaltlich gleiche Regelungen verschiedener Vorschriften beziehen. Daran fehlt es hier. Der im Urteil des BSG vom 26. Mai 1983 aufgestellte Rechtssatz, eine Leistung dürfe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht rückwirkend, sondern nur „ex nunc” entzogen werden, bezieht sich nur auf den Leistungsentzug nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), der sich von den Voraussetzungen und der Rechtsfolge her von der Regelung des § 48 SGB X unterscheidet. Zur Frage der Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X enthält diese Entscheidung keine Aussage.

3) Auch soweit der Kläger rügt, das LSG sei auf sein Vorbringen, der Beklagte habe seinen Ermessensspielraum nicht ausgeschöpft, nicht eingegangen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist die Beschwerde unzulässig. Das Vorbringen des Klägers setzt sich nicht hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Urteils vom 6. November 1998 auseinander. Dort ist ausdrücklich festgehalten, daß ein atypischer Fall der rückwirkenden Aufhebung einer Leistungsbewilligung nicht vorliege (Urteil, S 12). Damit ist die Frage der Ermessensausübung angesprochen und konkludent verneint worden.

4) Die Rüge des Verfahrensfehlers unzureichender Entscheidungsgründe ist gleichfalls nicht hinreichend vorgetragen. Eine solche Rüge erfordert die Darlegung, daß das Gericht seine wesentlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung nicht oder nur unvollständig niedergelegt hat (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG). Es reicht hingegen nicht aus, nur die mangelnde Nachprüfbarkeit eines Rechtsprechungszitats zu rügen und die Beifügung einer Ablichtung des zitierten Urteils zu fordern.

5) Soweit der Kläger rügt, das LSG habe seinen Zwischenfeststellungsantrag (Antrag auf Feststellung, daß das Wehrdienstverhältnis seines Sohnes erst am 1. Juli 1981 um 18.00 Uhr, also mit Wirkung vom Zeitpunkt des Dienstantritts an, begonnen hatte und die Zeiten vom Ende der Schulausbildung ≪Aushändigung des Reifezeugnisses am 27. Juni 1981≫ bis zum Beginn des Wehrdienstes sowie vom Ende des Wehrdienstes ≪Entlassung am 29. September 1982 um 9.00 Uhr≫ bis zum Beginn des Studiums ≪WS 1982/83≫ Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten iS des BKGG sind) verfahrensfehlerhaft behandelt und darüber zu Unrecht nicht materiell entschieden, ist die Beschwerde im Ergebnis unbegründet. Es liegt zwar ein Verfahrensfehler vor, weil das LSG diesen Antrag nicht nur als Erläuterung und Teil der Begründung des Antrags zur Anfechtungsklage ansehen durfte. Es handelte sich um einen eigenständigen Antrag in Form einer Zwischenfeststellungsklage (Inzidentfeststellungsklage). Der Verfahrensfehler ist auch ursächlich für die Entscheidung des LSG, den Antrag auf Ergänzung des Urteils mangels eines übergangenen eigenständigen Klageantrags zurückzuweisen (Urteil vom 5. März 1999). Aber auch ohne diesen Verfahrensfehler hätte die Zwischenfeststellungsklage keinen Erfolg haben können. Ein Zwischenfeststellungsantrag ist nach den §§ 55, 202 SGG iVm § 256 Abs 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) nur zulässig, wenn er auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines für die Entscheidung in der Hauptsache vorgreiflichen Rechtsverhältnisses abzielt (BSGE 13, 163 = SozR § 280 ZPO Nr 1). Das war hier nicht der Fall. Sowohl der erste Teil des Antrags (Zeitpunkt des Beginns des Wehrdienstverhältnisses) als auch dessen zweiter Teil (zeitliche Eingrenzung der Wartezeiten vor und nach dem Wehrdienst sowie deren rechtliche Einordnung als „Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten”) zielten allein auf die Beantwortung von Rechtsfragen, nicht aber auf die Feststellung des Bestehens eines (vorgreiflichen) Rechtsverhältnisses ab. Der Antrag war daher unzulässig (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 55 RdNrn 9, 22 mit Rechtsprechungsnachweisen); die Zwischenfeststellungsklage hätte als unzulässig abgewiesen werden müssen.

6) Alle weiteren Verfahrensrügen fußen auf der unrichtigen Annahme des Klägers, es sei für den Rechtsstreit entscheidend, ob das Wehrdienstverhältnis seines Sohnes erst im Laufe des 1. Juli 1981 „bis 18.00 Uhr” (und nicht bereits um 0.00 Uhr) begonnen habe, und diese Änderung der Verhältnisse habe auch erst frühestens nach dem Dienstantritt am 1. Juli 1981, also nach der Zahlung des Kindergeldes (und dem Beginn des maßgeblichen Monatszeitraums) und nicht, wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist, schon nach der Zustellung des Einberufungsbescheides vom 28. April 1981 mitgeteilt werden können und müssen. Diese Rügen erweisen sich damit ebenfalls als nicht hinreichend substantiiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175363

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