Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe: Beiordnung eines Rechtsanwalts in einem Umgangsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist für das Umgangsverfahren eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, ist im Rahmen bewilligter Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt nach § 78 Abs. 2 FamFG nur beizuordnen, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint. Maßgebend ist auch die Fähigkeit des betroffenen Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken.

2. Sind Versuche, ohne fremde Hilfe zu einer für beide Seiten annehmbaren einvernehmlichen Regelung im Interesse des Kindes zu finden, fehlgeschlagen und auch Vermittlungsversuche des Jugendamtes ohne nachhaltigen Erfolg geblieben, ist die Sach- und Rechtslage als schwierig anzusehen.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 2, § 114 Abs. 1, § 151 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 26.11.2009; Aktenzeichen 51 F 286/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG Cottbus vom 26.11.2009 - Az. 51 F 286/09 - dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Rechtsanwalt ... in S. beigeordnet wird.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die am 7.1.2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm am 31.12.2009 zugestellten Beschluss des AG Cottbus vom 26.11.2009 ist nach § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senates ist dem Antragsteller der von ihm gewählte Rechtsanwalt zur Vertretung beizuordnen.

In Familiensachen des § 111 Nr. 2 FamFG (Kindschaftssachen), zu denen auch Verfahren gehören, die das Umgangsrecht betreffen (§ 151 Nr. 2 FamFG), ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG). Wenn danach für das hiesige Umgangsverfahren eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, ist dem Beteiligten im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe ein Rechtsanwalt nach § 78 Abs. 2 FamFG nur beizuordnen, "wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint." Dabei kann sich das Verfahren für einen Beteiligten auch allein wegen einer schwierigen Sachlage oder allein wegen einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellen, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Schließlich beurteilt sich die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. Maßgebend sind daher neben Umfang und Schwierigkeit der Rechtssache auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09 - zitiert nach juris). Auch nach der Neuregelung der Anwaltsbeiordnung bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe durch das FamFG muss aus verfassungsrechtlichen Gründen entscheidend darauf abgestellt werden, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH, a.a.O., BVerfG NJW-RR 2007, 1713; BVerfGE 63, 380). Die verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift des § 78 Abs. 2 FamFG gebietet es daher, dem bedürftigen Beteiligten dann einen Anwalt beizuordnen, wenn aus seiner Sicht die Sach- oder Rechtslage so schwierig ist, dass eine anwaltliche Vertretung geboten erscheint (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.5.2010 - 16 WF 65/10 - zitiert nach juris).

Gemessen an diesen allgemeinen Grundsätzen hält der Senat im Streitfall die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Antragsteller für erforderlich. Zwischen den beteiligten Kindeseltern besteht nach dem insoweit eindrücklichen Bericht des Jugendamtes vom 2.12.2009 seit August 2008 Uneinigkeit über die Art und Weise des Umgangs des Kindesvaters mit seinem Sohn. Eine mit anwaltlicher Hilfe und unter Vermittlung des Jugendamtes zustande gekommene Einigung Mitte Februar 2009 konnte keine andauernde Stabilität in die Umgangsausübung bringen. Beide Kindeseltern haben Mitte des Jahres 2009 unabhängig voneinander beim Jugendamt beklagt, dass der jeweils andere Elternteil die Vereinbarung "unterlaufe". Der Versuch des Jugendamtes, ein weiteres gemeinsames Gespräch der Kindeseltern zu organisieren, scheiterte.

Damit steht fest, dass Versuche, ohne fremde Hilfe zu einer für beide Seiten annehmbaren einvernehmlichen Regelung im Interesse des Kindes zu finden, sind fehlgeschlagen. Auch Vermittlungsversuche des Jugendamts sind ohne nachhaltigen Erfolg geblieben. In Anbetracht dieser Ausgangslage ist die Sach- und Rechtslage daher durchaus schwierig. Es waren die jeweiligen Interessen der beteiligten Eltern zu erkunden und im Interesse des Kindes unterschiedliche Regelungsalternativen zu erörtern und zu prüfen. Die sehr starke emotionale Beteiligung der zu einer zielorientierten Kommunikation kaum fähigen Kindeseltern zeigt...

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