Tenor

Die Bestimmung der funktionell zuständigen Kammer des Landgerichts Cottbus wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Rückabwicklung des Vertrags über die Lieferung und den Einbau eines Treppenlifts in seinem Privathaus in Anspruch.

Die mit der Klage zunächst befasste 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus hat den Rechtsstreit mit Verfügung vom 24.2.2022 der 4. Zivilkammer im Hinblick auf deren Zuständigkeit für Bausachen zur Übernahme vorgelegt. Die 4. Zivilkammer hat durch Verfügung vom 28.2.2022 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache an die 3. Zivilkammer zurückgereicht.

Die 3. Zivilkammer hat nach erneuter Vorlage an und Ablehnung der Übernahme des Rechtsstreits durch die 4. Zivilkammer mit Schreiben vom 28.3.2022 den Prozessbevollmächtigten der Parteien das Bestehen des Zuständigkeitsstreits zur Stellungnahme binnen einer Woche mitgeteilt. Im Nachgang dazu hat sie mit Schreiben vom 29.4.2022 der Beklagten eine Ablichtung der Klageschrift übersandt unter Hinweis darauf, dass die Übersendung ausschließlich zur Vorbereitung der Feststellung der gerichtsinternen Zuständigkeit und nicht der Begründung der Rechtshängigkeit diene. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7.6.2022 Stellung genommen.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus hat durch Beschluss vom 13.6.2022, der am 20.6.2022 an die Parteien des Rechtsstreits versandt worden ist, sich für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

II. Für die in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO begehrte Gerichtsstandsbestimmung ist - jedenfalls derzeit - kein Raum.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht über den vorliegenden Zuständigkeitsstreit zu entscheiden. Die Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist nach allgemeiner Auffassung auf Fälle wie den vorliegenden, in denen mehrere Spruchkörper desselben Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung dieses Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung wie der des §72a Abs. 1 Nr. 6 GVG abhängt, entsprechend anzuwenden (Senat, Beschluss vom 17.5.2021, 1 AR 20/21 (SA Z), zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom 15.9.2020, 101 AR 99/20, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 22.3.2018, 2 AR 11/18, zitiert nach juris; OLG Nürnberg MDR 2018, 1015, 1016; OLG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2018, 6 AR 17/18, zitiert nach juris; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 36 Rn. 39; MünchKomm./Patzina, ZPO, 6. Aufl. § 36 Rn. 6; jeweils m. w. N.).

2. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen jedoch nicht vor.

Die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt einen Rechtsstreit und damit grundsätzlich die Rechtshängigkeit der Streitsache voraus (BGH, Beschluss vom 18.10.1995, XII ARZ 18/95, zitiert nach juris; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36, Rn. 36). Das gilt auch und insbesondere im Rahmen der entsprechenden Anwendung der Vorschrift auf Zuständigkeitsstreite im Hinblick auf das Vorliegen einer gesetzlichen Sonderzuständigkeit nach § 72a GVG (KG, Beschluss vom 1.7.2019, 2 AR 26/19, zitiert nach juris; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 23.4.2018, 13 SV 6/18, zitiert nach juris). Der Eintritt der Rechtshängigkeit lässt sich den Akten des Rechtsstreits indes nicht entnehmen. Es fehlt an der nach §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO dafür erforderlichen Zustellung der Klageschrift an die Beklagte. Nach dem Inhalt der Akten hat die 3. Zivilkammer zwar die Klageschrift an die Beklagte übermittelt. Dies ist jedoch, wie die 3. Zivilkammer im Schreiben vom 29.4.2022 ausdrücklich klargestellt hat, nicht zur Begründung der Rechtshängigkeit geschehen. Damit ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit bis jetzt lediglich beim Landgericht anhängig und nicht bereits rechtshängig geworden ist.

3. In der Sache weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der Begriff der Bausache im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG weit auszulegen ist und - ungeachtet der typologischen Einordnung des Vertrags als Dienst-, Werk-, Werklieferungs- oder entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag - alle Verträge erfasst, durch die sich eine Partei des Vertrags zur Planung, Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten verpflichtet und mindestens ein Vertragspartner als Bauunternehmer, Architekt oder sonst berufsmäßig mit der Planung oder Ausführung von Bauarbeiten befasste Person in dieser Eigenschaft auftritt (Senat, Beschluss vom 22.12.2021, 1 AR 44/21 (SA Z); Beschluss vom 10.9.2021, 1 AR 37/21 (SA Z); OLG Rostock, Beschluss vom 17.5.2021, 2 UH 1/21, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 25.2.2021, 2 AR 7/21, zitiert nach juris; OLG München, Beschluss vom 13.7.2020, 34 AR 70/20, zitiert nach juris; Zöller/Lückemann, a. a. O., § 72a GVG, Rn. 5). Er umfasst dabei insbesondere die Bauverträge im Sinne des § 650a BGB (Senat, Beschluss vom 22.12.2021, 1 AR 44/21 (SA Z); Zöller/Lückemann a. a. O.), aber auch etwa ...

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