Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsregelungen im Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums

 

Leitsatz (amtlich)

1. §§ 72a und 119a GVG sind gegenüber Zuständigkeitsregelungen im Geschäftsverteilungsplan des Präsidiums vorrangig.

2. Dass mit der Klage weitere Ansprüche geltend gemacht werden, die nicht unter §§ 72a, 119a GVG fallen, steht der gesetzlichen Zuständigkeit der Spezialspruchkörper nicht entgegen.

 

Normenkette

GVG §§ 72a, 119a; HOAI § 33; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

OLG München (Aktenzeichen 1 U 3177/19)

LG München II (Aktenzeichen 11 O 5353/15 Ent)

 

Tenor

Funktionell zuständig ist der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts München für Streitigkeiten im Sinne von § 119a Satz 1 Nr. 2 GVG zuständige Zivilsenat.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Feinkostproduzentin, die u. a. Kartoffelsalat herstellt. Mit ihrer am 20. November 2015 zum Landgericht München II erhobenen Klage machte sie nach einer Havarie der Kläranlage am Ort einer ihrer Produktionsstätten Schadensersatzansprüche geltend.

Die Klage richtete sich zunächst gegen die Gemeinde und Betreiberin der Kläranlage, die Beklagte zu 1), sowie gegen die Verwaltungsgemeinschaft, die Aufgaben der Beklagten zu 1) in deren eigenem Wirkungskreis bezüglich der Kläranlage übernommen hatte. Jetzige Beklagte zu 2) ist die Rechtsnachfolgerin dieser Verwaltungsgemeinschaft. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 erweiterte die Klägerin die Klage auf die Beklagten zu 3) bis 5). Die Klage gegen den Beklagten zu 5), Inhaber eines zur Klärung der streitgegenständlichen "Abwasserangelegenheiten" von der Klägerin beauftragten Ingenieurbüros, wurde mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 zurückgenommen. Die Beklagte zu 3) ist ein Ingenieur- und Architekturbüro, die Beklagte zu 4) stellt Industrieanlagen her. Die Streithelferin zu 1) und der Streithelfer zu 2), zwei von den Beklagten zu 1) und 2) eingeschaltete Ingenieurbüros, traten dem Rechtsstreit auf deren Seiten bei.

Die Klägerin suchte im Jahr 2011 nach einem Produktionsstandort und schloss am 13. Mai und 8. Juni 2011 Kaufverträge über im Gemeindegebiet der Beklagten zu 1) belegene Grundstücke. Mit Vertrag vom 8./21. Juni 2011 beauftragte sie die Beklagte zu 3) mit der Erbringung der Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 nach § 33 HOAI 2009 für den Umbau der erworbenen Lagergebäude zur Feinkostproduktion bzw. Kartoffelverarbeitung und den Neubau eines Technik- und Verbindungstraktes (Anlage K 62). Nachdem am 17. November 2011 die Baugenehmigung erteilt worden war, stellte die Beklagte zu 3) für die Klägerin am 6. Februar 2012 einen Entwässerungsantrag (Anlage K 10). Die Streithelferin zu 1) erstattete für die Beklagte zu 1) einen Prüfbericht zum Entwässerungsantrag (Anlage K 16). Die Einleitgenehmigung wurde am 2. Oktober 2012 erteilt (Anlage K 19). Nach Aufnahme der Produktion im November 2012 fanden weitere Besprechungen zur Abwasserentsorgung statt.

Am 26. Juli 2013 kam es in der Kläranlage zu einer gravierenden Betriebsstörung. Die Biologie der Kläranlage war abgestorben und die Abwässer liefen ungeklärt in einen kleinen Fluss. Nach dieser Havarie widerrief die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 6. August 2013 (Anlage K 27) ihren Bescheid vom 2. Oktober 2012 mit der Begründung, die auf dem Betrieb der Klägerin beruhende massive Überbelastung der Kläranlage habe zu der erheblichen Betriebsstörung geführt.

Gegen die Beklagten zu 1) und 2) stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf Amtspflichtverletzung, Pflichtverletzungen des öffentlichrechtlichen Abwasservertrags sowie enteignungsgleichen Eingriff.

Nach dem Klagevorbringen habe sie erst nach der Havarie der Kläranlage von deren Überlastung erfahren, obwohl diese den Beklagten zu 1) und 2) bereits 2009 oder 2010 bekanntgewesen sei. Sie hätten vor Erwerb der Grundstücke nicht auf die fehlende Kläranlagenkapazität hingewiesen, sondern mitgeteilt, die für die Ansiedlung erforderliche Infrastruktur sei vorhanden. Dies stelle eine Amtspflichtverletzung dar. Bei einem Hinweis auf die nicht ausreichende Kapazität der Kläranlage hätte die Klägerin sich nicht im Gemeindegebiet der Beklagten zu 1) niedergelassen. Aufgrund der nicht erfolgten Aufklärung seitens der Beklagten zu 1) und 2) seien ihr erhebliche Schäden entstanden, die nicht eingetreten wären, wenn sie sich nicht im Gebiet der Beklagten zu 1) niedergelassen hätte. So habe sie durch den Sofortvollzug des Widerrufsbescheids zur Einleitgenehmigung ihr Abwasser per Tanklastwagen in eine andere Kläranlage verbringen müssen. Um die Wiedereinleitung in die gemeindliche Kläranlage schnellstmöglich sicherzustellen, habe sie einen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht geführt und eine Pilotkläranlage auf ihrem Betriebsgelände errichtet. Schließlich sei es erforderlich gewesen, eine permanente Vorkläranlage auf ihrem Betriebsgrundstück zu errichten. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten ihre Amtspflichten auch dadurch verletzt, dass sie Probleme der Kläranlage auch in der Folgezeit verschwiegen...

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