Leitsatz (amtlich)

Zur gesetzlichen Spezialzuständigkeit "Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen" des § 119a Abs. 1 Nr. 4 GVG.

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Aktenzeichen 3 U 487/21)

LG Coburg (Aktenzeichen 23 O 211/21)

 

Tenor

Funktional zuständig sind die allgemeinen Zivilsenate des Oberlandesgerichts Bamberg.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Gebäudeversicherer einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte ist privater Haftpflichtversicherer eines deren Mitglieder. Dieses verursachte in der Nacht vom 9. auf den 10. August 2019 einen Wasserschaden an der Wohnungsanlage. Der Miteigentümer betrieb im Garten, an dem für ihn nach dem Klagevorbringen ein Sondernutzungsrecht besteht, ein Gartenbewässerungssystem, das einerseits an einem Eckventil und andererseits über einen Wasserverteiler an einem Rollwagen mit einem Schlauch verbunden war; als sich in der Nacht die dauerhaft unter Druck stehende Schlauchverbindung löste, drang das ins Freie austretende Wasser über die Lichtschächte in den Kellerbereich der Wohnanlage ein. Es entstand ein Schaden am Gemeinschaftseigentum und an drei Wohneinheiten des Untergeschosses. Die Klägerin bringt vor, der Schadensverursacher habe zumindest fahrlässig gehandelt.

Mit ihrer zum Landgericht Coburg erhobenen Klage macht die Klägerin nach Regulierung des Neuwertschadens in Höhe von 103.944,00 EUR gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Zahlungsanspruch in Höhe von 45.860,50 EUR (50 % des Zeitwertschadens) gegen die Beklagte geltend. Sie vertritt die Auffassung, ihr stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG zu. Das Bestehen der Gebäudeversicherung für die Wohnungseigentümergemeinschaft und die Haftpflichtversicherung zu Gunsten deren Mitglieds führe zum Vorliegen einer Mehrfachversicherung im Sinne der §§ 77 ff. VVG. Das Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft sei zum Schadenszeitpunkt zwar nicht Versicherungsnehmer, aber Mitversicherter der Gebäudeversicherung gewesen. Jedenfalls bestehe ebenso wie in Fällen konkludenten Regressverzichts zwischen Gebäudeversicherer und Vermieter ein Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung des Mitglieds der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 brachte die Klägerin vor, die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchsübergangs gemäß § 86 Satz 1 VVG lägen vor. Bei dem Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, das den Schaden verursacht habe, handele es sich um einen "Dritten" im Sinne dieser Vorschrift. Demgegenüber meinte sie in der Klageschrift und mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2021, der Schadensverursacher sei nicht als "Dritter" im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG zu qualifizieren.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 16. November 2021 die Klage abgewiesen. Die Gebäudeversicherung und die Haftpflichtversicherung versicherten nicht dasselbe Interesse, sodass wegen Nichtvorliegens einer Mehrfachversicherung kein Anspruch nach § 78 Abs. 2 VVG bestehe. Es lägen auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 78 Abs. 2 VVG nicht vor. Die für Mietverhältnisse angenommene Analogie sei auf die Miteigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht übertragbar. Das Mitglied sei zudem nicht Dritter im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG, sodass der Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht auf die Klägerin übergegangen sei.

Dagegen richtet sich die am 22. Dezember 2021 beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Sie bringt vor, der Bundesgerichtshof habe auch konkret für den Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaft seine Ansicht aufgegeben, in eine Sachversicherung könne über das Sacherhaltungsinteresse hinaus nicht zusätzlich das Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nichteigentümers einbezogen werden, aufgrund seiner Haftung gegenüber dem Eigentümer nicht wegen Beschädigung oder Verlustes der Sache in Anspruch genommen zu werden. Daher könne in der Sachversicherung das Sachersatzinteresse mitversichert werden. Die Grundsätze zum vertraglichen Regressverzicht seien auch auf die einzelnen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft untereinander zu übertragen. Unabhängig von der konkreten Stellung des Schädigers/Versicherungsnehmers der Beklagten als "Dritter" im Sinne des § 86 Abs. 1 VVG sei zu beachten, dass der Gebäudeversicherer sowohl gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft als Versicherungsnehmerin als auch gegenüber den anderen betroffenen Miteigentümern aufgrund deren Sondereigentums sowie wegen deren Miteigentumsanteilen auch bei grober Fahrlässigkeit des verursachenden Miteigentümers eintrittspflichtig sei, Ziff. A 6 VGB 2013. Die dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen würden als Anlage K 4 überreicht. Dementsprechend entspreche es ganz herrschender Meinung, dass in solchen Fällen ein Regress gegen den "Nicht-Dritten", dessen Sachersatzinteresse mitversichert sei, trotzdem möglich sei.

Das Berufungsverfahren ist dem 3. Zivilsen...

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