Rn 6

Abs. 1 verlangt vom Schuldner, bestimmte Geschäfte zu unterlassen, wenn der Sachwalter mit ihnen nicht einverstanden ist. Dieses Gebot umfasst das Eingehen von Verbindlichkeiten.[2] Es bindet den Schuldner umso fester, je bedeutender das betroffene Verpflichtungsgeschäft ist. Erfüllungsgeschäfte kann der Schuldner demgegenüber vertragsgemäß vornehmen,[3] ohne dies mit dem Sachwalter abstimmen zu müssen.

[2] Weder dem Wortlaut noch dem Gesetzeszweck ist zu entnehmen, dass von Abs. 1 nur das Eingehen von Geldzahlungspflichten des Schuldners erfasst sein soll. Auch das Eingehen von Verbindlichkeiten, die unmittelbar erfüllt zu werden pflegen, ist von Abs. 1 inbegriffen, a. A. FK-Foltis, 6. Aufl. 2011, § 275 InsO Rn. 6.
[3] Soweit es sich um Masseverbindlichkeiten handelt.

3.1 Gewöhnlicher Geschäftsbetrieb

 

Rn 7

Zunächst unterscheidet Abs. 1 zwischen Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören und solchen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören. Diese Abgrenzung ist bereits aus dem Handelsrecht bekannt und findet sich fast wortgleich in § 54 HGB wieder. Während die dortige Regelung jedoch auf die Branchenüblichkeit des Geschäfts abstellt,[4] ist bei Abs. 1 die Gewöhnlichkeit für das konkret in der Eigenverwaltung befindliche Unternehmen gemeint. Hintergrund der Unterscheidung ist nämlich, dass gewöhnliche Geschäfte zumeist gut planbar sind und eine derartige Planung oder zumindest Erwartung eine Grundlage für die Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 2 sein wird. Möchte der Schuldner jedoch Geschäfte tätigen, die üblicherweise in seinem Unternehmen nicht vorkommen, gefährdet das eventuell die Prognose für die Besser- oder Schlechterstellung der Gläubiger durch die Eigenverwaltung. Als gewöhnlich darf daher auch im Hinblick auf Geschäfte mit großer Tragweite nur angesehen werden, was aus Sicht der Gläubiger während der Zeit der Eigenverwaltung vorhersehbar ist. Einen Anhaltspunkt bieten Art und Umfang des bisherigen Schuldnergeschäfts.[5]

 

Rn 8

Nicht zu verwechseln ist die nach Abs. 1 zu treffende Unterscheidung mit der Identifizierung der Rechtshandlungen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind und für die der Schuldner – ggf. zusätzlich – nach § 276 die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen hat.

[4] Vgl. z.B. Baumbach/Hopt-Hopt, 35. Aufl. 2012, § 54 HGB Rn. 10.
[5] MünchKomm-Wittig/Tetzlaff, 2. Aufl. 2008, § 275 InsO Rn. 7.

3.2 Zustimmung im Innenverhältnis

 

Rn 9

Schon gewöhnliche Verpflichtungen soll der Schuldner nach Abs. 1 Satz 2 nicht eingehen, wenn der Sachwalter widerspricht. Zu einem solchen Widerspruch kann es beispielsweise kommen, wenn während der Eigenverwaltung geplante Verkaufszahlen nicht eingehalten werden und der Schuldner gleichwohl Materialeinkäufe in nicht reduziertem Umfang tätigen möchte.

 

Rn 10

Nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörende Verbindlichkeiten soll der Schuldner nach Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich nicht vornehmen, es sei denn, der Sachwalter stimmt ausdrücklich zu. Die Verwertung von Sicherungsgut, zu der der Schuldner nach § 282 Abs. 1 berechtigt ist, soll dieser nach § 282 Abs. 2 nur im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben.

 

Rn 11

Eine bestimmte Form ist für den Widerspruch oder die Zustimmung des Sachwalters nicht vorgeschrieben.

 

Rn 12

Die Vorschrift zwingt den Schuldner zur Kommunikation mit dem Sachwalter, die regelmäßig vom Schuldner ausgehen muss, da ihm als Verwaltungs- und Verfügungsbefugtem auch das Initiativrecht bei der Geschäftsführung zukommt.[6] Sowohl der Widerspruch als auch die Zustimmung des Sachwalters setzen voraus, dass der Sachwalter nicht erst im Nachhinein über die Geschäfte informiert wird, sondern dass eine vorherige Abstimmung erfolgt. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Schuldner vor jedem Geschäftsabschluss den Sachwalter kontaktieren muss. Es empfiehlt sich für gewöhnliche Geschäfte, dass sich beide auf eine gemeinsame Planung verständigen, deren Einhaltung regelmäßig überprüft wird. Ungewöhnliche Verpflichtungen hat der Schuldner aber in jedem Fall beim Sachwalter anzuzeigen, bevor er sie eingeht.

 

Rn 13

Die Beschränkung des Abs. 1 verbietet dem Schuldner nicht, sich gegen die Meinung des Sachwalters zu entscheiden. Geht der Schuldner trotz Widerspruchs oder trotz fehlender Zustimmung des Sachwalters die Verbindlichkeiten ein, ist diese im Außenverhältnis wirksam.[7] Abs. 1 ist insbesondere kein gesetzliches Verbot, das zur Unwirksamkeit der eingegangenen Verpflichtung führt. Gelangt der Sachwalter aber zum Schluss, dass durch das Handeln des Schuldners Nachteile für die Gläubiger entstehen, wird er die entsprechende Anzeige gemäß § 274 Abs. 3 an das Gericht und an die Gläubiger ausbringen. In der dann folgenden Diskussion um die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes nach § 277 oder um die Aufhebung der Eigenverwaltung nach § 272 kann der Schuldner seine Entscheidung rechtfertigen.

 

Rn 14

Eine weitere Vorschrift, nach der der Schuldner sein Vorgehen mit dem Sachwalter abstimmen soll, enthält § 279 Satz 2, der die Ausübung der Rechte nach den §§ 1...

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